24.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 203 / Tagesordnungspunkt I.13

Joachim PfeifferCDU/CSU - Wirtschaft und Energie

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland geht es in schwieriger werdendem Umfeld immer noch erstaunlich gut; das ist heute Morgen und auch gestern in der Debatte bereits deutlich geworden. Wir haben kontinuierliches Wachstum, höchste Beschäftigung, höchste Renten, höchste Einkommen. Das, was Sie gerade skizziert haben, Kollege Schlecht, hat nicht nur nichts mit den Fakten zu tun, sondern das ist wirklich aus einer anderen Welt. Diese Rede hätten Sie vielleicht vor 10, 15 Jahren halten können, in die heutige Zeit passt sie nicht mehr.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Haben wir keine Leiharbeit auf Rekordniveau?)

Warum geht es uns so gut? Wir haben innovative Unternehmer, die diversifizierte Produkte entwickeln. Wir haben engagierte Unternehmer, die investieren. Wir haben gut ausgebildete und produktive Arbeitnehmer. Unternehmer und Arbeitnehmer schaffen attraktive Produkte und Dienstleistungen, die wir in Deutschland und weltweit vermarkten. Das ist das Geheimnis unseres Erfolgs.

Die Politik versucht, Rahmenbedingungen zu schaffen, so auch mit diesem Haushalt, indem sie – die Kollegen haben es schon vorgetragen – in vielfältigster Weise Innovation, Forschung und Entwicklung sowie die Digitalisierung fördert, die Infrastruktur ausbaut und kleine und mittlere Unternehmen und Weiteres mehr fördert.

All die guten Produkte und Dienstleistungen helfen uns aber nicht, wenn wir keinen Markt haben, auf dem wir sie verkaufen können. Der deutsche Markt ist zu klein. 80 Millionen Menschen reichen nicht aus, um unserer Volkswirtschaft mit den Produkten und Dienstleistungen, mit unserer Wertschöpfung als Markt zu dienen. Deshalb ist Deutschland nicht nur auf den Binnenmarkt angewiesen – der im Übrigen sehr gut läuft, der Binnenmarkt war einer der Wachstumsfaktoren in den letzten Jahren, aber allein reicht er eben nicht –, sondern wir brauchen auch andere Märkte, in Europa und in der Welt.

Ich möchte Ihnen das gerne anhand einiger Zahlen darlegen: Die Exporte Deutschlands haben nach der Wiedervereinigung 1991 bei 1,5 Billionen Euro Bruttoinlandsprodukt rund 340 Milliarden Euro betragen. Das waren rund 25 Prozent. 2012 betrugen die Exporte 1,1 Billionen Euro bei einem Bruttoinlandsprodukt von 2,7 Billionen Euro. Das waren 41 Prozent, also knapp doppelt so viel. Jeder vierte Arbeitsplatz ist direkt vom Export abhängig, in der Industrie jeder zweite.

Im Jahr 2016 wird Deutschland mit 1,3 Billionen Euro und vielleicht sogar noch mehr wiederum Exportweltmeister vor China, und zwar nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Zahlen. Dem stehen aber auch Importe in Höhe von rund 1 Billion Euro gegenüber. Handel und offene Märkte führen zu gegenseitigen, komparativen Vorteilen und internationaler Arbeitsteilung. Es ist eben nicht fix und eine Verteilung, so wie Herr Kollege Schlecht uns hier weiszumachen versucht, dass der eine nur etwas mehr haben kann, wenn er dem anderen etwas wegnimmt. Das Gegenteil ist der Fall. Nur mit Produkten und Vorleistungen, Dienstleistungen aus anderen Ländern sind unsere deutschen Produkte so gut und so wettbewerbsfähig, dass wir sie wiederum exportieren können. Deshalb brauchen wir freie, offene Märkte in Europa und in der Welt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb ist die Rolle des Freihandels so wichtig. Abschottung, Protektionismus und nationale Lösungen sind keine Lösungen im 21. Jahrhundert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir es historisch betrachten, dann stellen wir fest: In Zeiten, in denen die Märkte offen waren, in denen die internationale Arbeitsteilung begonnen hat – ich will nur 100 Jahre zurückblicken, ins Zeitalter der Industrialisierung bis zum Ersten Weltkrieg –, war die Welt so verflochten wie nie zuvor. Dann kam der Erste Weltkrieg mit all seinen Folgen. In den 1920er-, 1930er-, 1940er-Jahren waren Abschottung, Protektionismus, Nationalismus, Zurückziehen, Isolationismus das Maß der Dinge – etwas, das wir jetzt zum Teil wieder sehen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo?!)

– Ich komme gleich zu Ihnen; denn Sie sind da mit im gleichen Boot. – Heute sehen wir zum Teil wieder ähnliche Tendenzen. Wozu das geführt hat, haben wir erlebt.

Deshalb: Was ist zu tun? Ich glaube, zuerst brauchen wir geostrategische Sicherheit und auch Ruhe. Das heißt, wir als Deutschland, als Europa müssen unsere Rolle in der Welt spielen. Es geht nicht nur darum, dass Seewege für den Handel gesichert sind und werden, sondern auch darum, dass Frieden erhalten bleibt; denn ohne Frieden gibt es keine wirtschaftliche Entwicklung, keine Nachfrage, keinen Export, sondern Flüchtlinge, wie wir an anderer Stelle gesehen haben. Deshalb ist das sicher die erste Aufgabe.

Die zweite Aufgabe ist, multilaterale Ansätze möglichst wiederzubeleben oder zu forcieren. Die WTO hat dies versucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Bretton Woods, GATT, die Doha-Runde, anderes mehr diesen Fortschritt, diese Wohlstandsentwicklung insbesondere für uns in Deutschland ermöglicht. Die WTO ist multilateral aufgestellt, aber seit Jahren in der Krise. Deshalb müssen wir alles unternehmen, dass diese multilateralen Ansätze wieder an Gewicht gewinnen.

Dort, wo wir multilateral bisher nicht weiterkamen, gibt es bilaterale Lösungen wie CETA. Das ist Gott sei Dank das beste Abkommen, glaube ich, das wir weltweit als Vorbild haben. Das gilt es jetzt zügig zu ratifizieren. Es ist ja noch nicht ratifiziert, sondern dieser Prozess geht erst los. Da bin ich mal gespannt. Die Grünen haben angekündigt, im Bundesrat dagegenzustimmen. Sie sind diejenigen, die gegen Freihandel, gegen Gestaltung der Globalisierung sind. Sie setzen sich mit den Linken zusammen in dasselbe Boot wie Le Pen und Trump. Das ist das, was Sie tun.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

– Doch! Mit dem, was Sie in den letzten Jahren in Deutschland betrieben haben, setzen Sie sich in dasselbe Boot.

(Beifall der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie mal was über die Empörungsindustrie!)

– Ja genau, da kennen Sie sich aus; denn Sie sind ein Bestandteil davon.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ansonsten gilt es – das ist angesprochen worden –, TTIP, Handelsabkommen mit China, ASEAN zu nutzen, dranzubleiben; denn auch dort gilt es, die Globalisierung zu gestalten. Wir müssen neue Chancen nutzen. Wir als Koalitionsfraktionen – nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Europa – haben in der nächsten Woche ein Gespräch mit dem neuseeländischen Botschafter. Neuseeland hat ein Interesse an einem Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Neuseeland hat zwar nur ein Außenhandelsvolumen von rund 3 Milliarden Euro, aber es ist bereit, etwas zu tun. Das müssen wir nutzen und gestalten. Das ist die Antwort auf das Fallenlassen von TPP, das Donald Trump angekündigt hat. Es gilt, mehr miteinander zu reden, mehr miteinander zu machen und nicht in Nationalismus und Protektionismus zurückzufallen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Kollege Ernst möchte eine Zwischenfrage stellen. – Bitte schön.

Danke, Herr Pfeiffer, dass Sie die Frage zulassen. – Bleiben wir beim ersten Punkt: CETA und TTIP. Wir haben erlebt, dass eine Region wie die Wallonie berechtigt fragt: „Welche Folgen hat dieses Freihandelsabkommen zum Beispiel für uns?“, sich sperrt und dann, ich sage mal, mehr oder weniger überrollt wird.

Ich stimme Ihnen zu, dass es notwendig ist, ein vernünftiges Europa zu organisieren, sodass vernünftige Verhältnisse entstehen, Frieden entsteht. Glauben Sie nicht, dass diese, ich sage mal, Haltung des Restes von Europa – nicht der Menschen, sondern der Regierungen, übrigens auch des Präsidenten des Europäischen Parlaments – dazu führt, dass die Menschen sagen: „Moment mal! Wollen wir wirklich so ein Europa, wie uns da vorgeschrieben wird? Wollen wir wirklich, dass unsere regionalen Bedürfnisse vollkommen außer Acht bleiben?“? Ich kann mich daran erinnern, dass die CSU einmal vom Europa der Regionen gesprochen hat. Was wird mit diesem Europa der Regionen, wenn die Interessen einer Region, wenn die Interessen der Menschen in Diskrepanz zu diesem Handelsabkommen geraten, die Menschen dies spüren und ihnen dieses Abkommen trotzdem übergestülpt wird? – Sie wissen, wie der Prozess war.

Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, Herr Pfeiffer. Sie haben gerade von den tollen Entwicklungen im internationalen Außenhandel gesprochen. Ich gebe Ihnen einmal zu bedenken: Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind Deutschland und Herr Fuchs ist der Rest der Welt. Sie verkaufen Herrn Fuchs dauernd mehr, als Herr Fuchs bei Ihnen kauft.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie argumentieren wie die Fidschiinseln!)

Plötzlich haben Sie das Problem, dass Herr Fuchs – ich will es ihm nicht andienen – pleite ist, weil er andauernd bei Ihnen kauft, Sie aber ihm nichts abkaufen. Deshalb steht im Stabilitätsgesetz: ausgeglichene Handelsbilanzen. Die haben wir nicht. Also, wenn Sie nicht Herrn Fuchs bzw. den Rest der Welt in eine Krise führen wollen, dann müssen wir als Bundesrepublik Deutschland dazu beitragen, dass wir ausgeglichene Handelsbilanzen haben, Herr Pfeiffer.

(Barbara Lanzinger [CDU/CSU]: Eine eigene Rede! Das ist keine Frage!)

Herr Kollege Ernst, darf ich noch einmal daran erinnern, dass sich eine Kurzintervention von einer Regierungserklärung auch durch die Prägnanz der Fragestellung unterscheiden sollte?

Bitte schön, Herr Kollege Pfeiffer.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das versteht er nicht! Man kann auch sagen: Das nächste Mal kürzer!)

Aber sie bedarf natürlich einer gebotenen Antwort darauf. Die wollen wir dann nicht abkürzen.

Was es mit dem Kollegen Fuchs zu tun hat, weiß ich nicht. Den lassen wir jetzt einmal außen vor.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird ihn sicher treffen!)

Es ist eindeutig, dass internationale Arbeitsteilung allen Vorteile bringt. Es ist nicht nur so, dass wir exportieren, sondern wir importieren auch. Wir importieren Vorleistungen. Andere Länder können andere Dinge besser als wir. Deshalb haben wir nachher ein gegenseitiges Mehr. Zwei plus zwei ist im internationalen Handel nicht vier, sondern fünf. Das sind die Synergieeffekte, die wir dadurch erzielen. Es ist so, dass Deutschland oder die Europäische Union zu unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Handelsbilanzen haben. Auch wir haben beispielsweise zu China oder Ländern, von denen wir Energie importieren, eine negative Handelsbilanz. Insgesamt ist es aber trotzdem eine positive Entwicklung für beide Seiten, weil wir die Energie beziehen, mit der wir hier Wertschöpfung schaffen und wiederum Produkte und Dienstleistungen, die in diesen Ländern weitere Entwicklungen ermöglichen. Das ist das Einmaleins des Handels und einer internationalen Arbeitsteilung.

Herr Ernst, es ist in Europa überhaupt niemandem etwas aufgestülpt worden. Wir haben im Vertrag von Lissabon eine Arbeitsteilung verabredet. Wir haben gesagt, es gibt Aufgaben, die die Europäische Union wahrnimmt. Es war vorher von Klimaschutz die Rede. Da kritisierte es niemand. Die Europäische Union verhandelt für Europa den Klimaschutz. Genauso verhandelt die Europäische Union Handelsverträge. Selbst bei der WTO vertritt die Kommission die Europäische Union. Sie hat einen Auftrag der Länder bekommen, ein Verhandlungsmandat. Dieses Verhandlungsmandat führt sie aus. Wo wird etwas aufgestülpt? Das versuchen Sie zusammen mit der Empörungsindustrie den Leuten einzureden. Sie reden es den Leuten ein. Sie sagen, dass die Demokratie ausgehebelt wird von Geheimverhandlungen, von Paralleljustiz. Wo sind denn die Paralleljustiz und die Geheimverträge bei CETA? Da liegt es auf dem Tisch. Es ist das modernste Abkommen, das wir haben. Deshalb wollen wir weitere solche Abkommen. Das Gegenteil ist kein Abkommen. Das Gegenteil ist keine Gestaltung der Globalisierung. Es ist ein Zurückfallen in Abschottung, in Protektionismus und die Haltung, den anderen die Gestaltung zu überlassen. Das ist nicht die Politik der Union.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wird hoffentlich nicht die Politik Deutschlands und der Europäischen Union.

Was ist weiter zu tun? Neue Chancen nutzen – Neuseeland habe ich gerade angesprochen –, eine Koalition der Willigen zu bilden, mit denen wir die Globalisierung gestalten müssen und wollen. Wir müssen alte Märkte neu erschließen. Ich nenne beispielsweise den Iran, der sich aus der Welt abgemeldet hatte, der jetzt aber zurückwill, traditionell mit besten Beziehungen zu Deutschland. Dieses Potenzial müssen wir nutzen. Es gilt, neue Märkte zu erschließen. Ich nenne hier Afrika. Afrika ist nicht nur ein amorpher Kontinent, wo es nur Flüchtlinge und Probleme gibt. Es gibt Länder in Afrika, die befinden sich in Bezug auf Korruption vor Ländern der Europäischen Union. Die haben hohe Wachstumsraten. Wir waren in diesem Jahr mit dem Ausschuss in Südafrika. Wir waren in Mosambik und haben gesehen, welcher Wille zur Gestaltung vorhanden ist. Deshalb – Kollege Mattfeldt hat es ausgeführt – stärken wir die Auslandshandelskammern, die Instrumente, mit denen wir neue Märkte erschließen. Afrika wird das Asien des 21. Jahrhunderts. Im Jahr 2100 werden in Afrika über 5 Milliarden Menschen leben. Diesen Markt müssen wir uns ebenfalls erschließen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen den europäischen Binnenmarkt stärken. Wir geben mit diesem Haushalt allein für Außenhandels- und Außenwirtschaftsförderung und wirtschaftliche Zusammenarbeit beim Auswärtigen Amt, beim Wirtschaftsministerium und beim Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit – die Instrumente wurden genannt – rund 6 Milliarden Euro direkt aus. Um das einmal in eine Relation zu setzen: Das sind bei einem Haushaltsvolumen von gut 300 Milliarden Euro, genauer gesagt 330 Milliarden Euro, gut 5 Prozent, die wir dafür ausgeben.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: 6 Milliarden von 330 Milliarden sind nicht 5 Prozent!)

– Haben Sie aufgepasst? Sehr gut!

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir können auch mal eine Stunde machen!)

– Also wie viel Prozent? 2 Prozent. – Wir geben also 2 Prozent der Haushaltsmittel dafür aus. Das kann sich sehen lassen.

Herr Kollege.

Wir sorgen auch für eine Hebelwirkung: Beispielsweise setzen wir für Hermesbürgschaften, Exportkredite, dreistellige Milliardenbeträge ein.

Mit den genannten Punkten stärken wir den Freihandel, stärken wir unser Engagement. Ich glaube, das ist die Zukunft: Über Offenheit, Austausch und internationale Arbeitsteilung können wir unseren Wohlstand nicht nur sichern, sondern auch weiter stärken. Dafür brauchen wir einen starken Binnenmarkt. Wir brauchen freie Märkte, freien Welthandel, Offenheit, um auch in Zukunft Frieden und Wohlstand für uns und in der Welt zu schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Kerstin Andreae ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7035587
Wahlperiode 18
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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