Julia VerlindenDIE GRÜNEN - Wirtschaft und Energie
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind viele Investitionen in die Infrastruktur unserer Energieversorgung notwendig. Die Energieversorgung wird zukünftig dezentraler, sie wird vielfältiger, es gibt mehr Akteure – und das ist gut so. Aber diese Akteure brauchen Orientierung und Planungssicherheit. Sie wollen sehr viel Geld in die Hand nehmen, um die Energieinfrastruktur zu modernisieren. Das sind Investitionen, die für lange Zeiträume getätigt werden. Bei der Erdgasinfrastruktur zum Beispiel spricht man von Investitionszyklen von über 40 Jahren. Deswegen ist es zum Beispiel wichtig, vorher zu entscheiden, welche Rolle das Erdgasnetz in Zukunft haben wird. Solch eine Planungssicherheit müsste die Bundesregierung geben durch Klarheit in den Zielen, die sie wirklich gemeinsam – und damit meine ich mit allen Ressorts gemeinsam – erreichen will.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Klimaschutzabkommen von Paris verlangt noch mehr Anstrengungen als bisher. Doch Sie, Herr Gabriel, verweigern eine konsequente Klimaschutzpolitik. Oder warum sonst sind Sie erneut vor der Kohlelobby eingeknickt und haben den Klimaschutzplan Ihrer Kollegin Hendricks bis zur Unkenntlichkeit zerfleddert?
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gabriele Katzmarek [SPD]: Es wird doch nicht besser, wenn man es wiederholt! – Bernd Westphal [SPD]: Völliger Unsinn! – Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben nicht zugehört!)
Sie haben eben gesagt, die Arbeitsplätze seien Ihnen wichtig. Ich glaube, die sind Ihrer Parteikollegin Hendricks ebenfalls äußerst wichtig. Deswegen verschließt Ihre Kollegin Hendricks eben nicht die Augen davor, dass sich die Welt verändert.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Letztes Jahr gab es mehr Investitionen in erneuerbare als in fossile Energien. Sehr viele Unternehmen – Rockefeller, der Allianz-Konzern und viele andere – ziehen Geld aus den fossilen Energieträgern ab; das nennt man Divestment. Damit verändern sie die Energieversorgung, damit verändern sie die Richtung von Geldströmen. Und ja, genau dafür – für den Strukturwandel, für eine moderne Industriepolitik – muss man Konzepte erarbeiten und sie auch arbeitsmarktpolitisch begleiten. Aber einfach darauf zu hoffen, dass wir noch jahrzehntelang Zeit hätten, weil Sie sich das so wünschen, geht nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zur Planungssicherheit für Investitionen gehört auch eine Konsistenz von verlässlichen energiepolitischen Rahmenbedingungen. Dazu gehört zum Beispiel ein Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, das die richtigen Investitionen anreizt. Leider haben Sie auch dieses Thema nun wieder auf die lange Bank geschoben, nachdem die Anträge bereits zehn Monate herumlagen und Unternehmen Arbeitsplätze abbauen und Investitionen abschreiben mussten. Erst in einem halben Jahr sollen die Details für die Ausschreibung von KWK-Anlagen von 1 bis 50 Megawatt vorliegen.
Außerdem müsste die Bundesregierung mit ihrer Haushaltspolitik und ihren Förderprogrammen konsequent die richtigen Signale setzen. Aber Sie verpassen dieses Mal schon wieder die Chance, die Energiewende endlich in allen Bereichen beherzt anzupacken.
Sie haben die wettbewerblichen Ausschreibungen für Energiesparmaßnahmen eingeführt, stellen aber im Haushalt viel zu wenig Mittel dafür zur Verfügung. Und dann gestalten Sie die Regeln für diese wettbewerblichen Ausschreibungen auch noch so kompliziert, dass Unternehmen abgeschreckt werden. Das Ergebnis sieht dann so aus: In der ersten Ausschreibungsrunde gab es gerade einmal 18 Anträge. 18 Anträge! Das ist eine Ohrfeige für Ihr Ausschreibungsverfahren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ihre Politik ist ebenso widersprüchlich, wenn es um den Umstieg auf Erneuerbare im Wärmesektor geht. Es nützt doch zum Beispiel nichts, wenn Sie den Leuten einen roten Aufkleber auf die alte Heizung packen und gleichzeitig das Heizöl niedriger besteuern, als es in fast jedem anderen EU-Land besteuert wird.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wollen Sie höhere Steuern? Dann müssen Sie den Leuten aber auch sagen, dass Sie höhere Steuern wollen! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sagen Sie das aber auch den Leuten, dass Sie höhere Steuern wollen!)
Damit benachteiligen Sie im Übrigen auch die Erdgasindustrie. Woher soll da der Impuls kommen, die ineffiziente alte Ölheizung durch eine Heizung auf der Basis erneuerbarer Energien zu ersetzen? Damit nicht genug. Sie halten sogar an Fehlanreizen fest. Wenn die alte Ölheizung dann kaputtgeht, bekommt man für den Einbau einer neuen Ölheizung auch noch Steuergelder über die KfW.
Wer jetzt noch fossile Heizungen fördert, zementiert klimaschädliche Strukturen für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Die Energiewende darf aber nicht im Heizungskeller stecken bleiben. Deswegen fordern wir: Stecken Sie das Geld lieber in den Ausbau von erneuerbaren Heizungstechnologien! Dann bewegt sich endlich mal was im Wärmemarkt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mein letzter Punkt: Viele Menschen wollen bei der Energiewende mitmachen. Sie können aber nicht, weil ihnen die Gebäude, in denen sie wohnen, nicht gehören, weil sie den Strom, den sie nutzen, nicht selbst erzeugen können, und weil sie die Gebäude, in denen sie leben, nicht selbst sanieren können. Hier muss die Bundesregierung endlich liefern. Sie, Herr Gabriel, haben es in der Hand, vernünftige Bedingungen für Mieterstrommodelle zu schaffen. Sie haben es in der Hand, die energetische Sanierung ganzer Quartiere mit einem entsprechenden Förderprogramm voranzutreiben.
Frau Kollegin.
Und Sie haben es in der Hand, mehr Möglichkeiten für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Sanierungen und dem Ausbau Erneuerbarer zu schaffen. Eine erfolgreiche Energiewende kann nur gelingen, wenn wir sie gemeinsam mit den Menschen gestalten.
Also, legen Sie endlich los!
Frau Kollegin.
Legen Sie uns einen Haushaltsplan vor, der für die Investition in die Dekarbonisierung unserer Energieversorgung klare Anreize setzt.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])
Wenn Sie noch viel schneller geredet hätten, wäre es, glaube ich, unverständlich geworden.
(Zuruf von der SPD: Das ist auch so unverständlich!)
So aber haben unsere bewährten Stenografinnen und Stenografen den Text im Protokoll sicher präzise erfasst. – Nun ist der Kollege Mark Hauptmann der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7035596 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |