24.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 203 / Tagesordnungspunkt I.14

Rainer SpieringSPD - Bildung und Forschung

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Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Vorab – auch nach diesen teilweise sehr rhetorischen Ausflügen –: Ich glaube, man muss diesem Haushalt ein großes Kompliment machen. Es ist ein gelungener Entwurf. Ich werde gleich auf ein paar Kritikpunkte zu sprechen kommen. Sie gehören, finde ich, dazu; aber man kann sie gemäßigt und in Ruhe ansprechen.

Eine Gruppe von uns ist in Argentinien und Chile unterwegs gewesen; auch Herr Lenkert und Herr Gehring waren dabei. Ich glaube, die Komplimente, die wir vom Ausland im Hinblick auf die deutsche Forschung bekommen haben, waren so gewaltig, dass wir ganz glücklich sein können, wie wir da aufgestellt sind. So sollten wir dieses Thema auch behandeln.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich noch eine Bemerkung loswerden darf: Herr Rupprecht, das ständige Länder-Bashing, vor allen Dingen mit dem Fokus auf Nordrhein-Westfalen, ist in einer Debatte zum Bundeshaushalt nicht unbedingt dienlich. Ich finde es schade, dass wir uns auf diese Ebene begeben.

(Beifall bei der SPD)

Heute haben wir den Fokus vor allen Dingen auf die Forschung gelegt; das ist auch gut so. Aber der Ausschuss heißt ja nicht „Ausschuss für Forschung“, sondern „Ausschuss für Bildung und Forschung“. Ich möchte mit Ihnen einen Ausflug in die Berufsbildung mit dem Fokus auf Berufsschulen wagen.

Die Berufsschule ist mit 2,5 Millionen Schülern die größte eigenständige Sek-II-Schulform, die wir haben. Mich wundert immer wieder, dass wir sie so wenig im Fokus haben. Berufsschulen haben einige Hundert bis etliche Tausend Schüler. Die Schule, von der ich komme, ein reines Technikum, hat 4 500 Schüler. Ohne dieses Technikum wäre meine Region wirtschaftlich nicht denkbar.

Übrigens, Herr Rupprecht: Es gibt auch außerhalb Bayerns erfolgreiche Regionen in Deutschland. Wir zum Beispiel haben eine Jugendarbeitslosenquote von 3 Prozent und eine Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent; bei uns herrscht damit Vollbeschäftigung. Wissen Sie, wodurch das möglich wurde? Wir haben eine Kooperation zwischen SPD und CDU; seitdem funktioniert das. Ich wäre also sehr vorsichtig, immer Bayern als Vorbild zu bezeichnen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: In Bayern funktioniert das aber noch besser!)

Die Schulform Berufsschule umfasst Berufsfachschule, Berufsvorbereitungsschule, Berufsschule, Fachoberschule, Fachgymnasium, Technikerschule und einiges mehr. Der große Vorteil einer Berufsschule ist, dass sie ein sozialer Raum ist, der nicht abgegrenzt ist. Wir haben viele Schulformen, in denen soziale Ausgrenzungen oder Abgrenzungen stattfinden. Das ist in Berufsschulen nicht der Fall. Sie ist ein Campus, auf dem sich alle Menschen mit all ihren Betroffenheiten und allen Vorteilen treffen. Die Berufsschule ist von Hause aus integrativ, interaktiv und häufig übrigens auch inklusiv, und das tradierend. Ich würde mich freuen, wenn wir der Berufsschule ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken würden. Wir können das allerdings nur dann richtig tun – bei allem Respekt –, wenn wir das Kooperationsverbot abschaffen.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

– Ja, das ist schon einen Applaus wert.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei der Debatte um Bildung habe ich mit Verwunderung festgestellt, dass Frau Wanka jetzt doch den Ansatz zeigt, in die allgemeinbildenden Schulen Geld zu investieren. Das ist eine richtige Entscheidung. Der Finanzminister hat das unterstützt. Erstaunlich aber ist, dass dies der Wirtschaftsminister dieses Landes in der Funktion seines Amtes für einen zentralen Bereich der deutschen Bildung einfordern muss. Ich glaube, dass man Frau Wanka bei ihren Gedankengängen durchaus noch helfen kann, ihren Fokus mehr auf die Berufsschulen zu legen, weil wir sie als Bildungsstandard brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Berufsschule steht übrigens im Gegensatz zu den anderen Schulformen, die wir haben, in direktem Kontext mit dem Bundesgesetzgeber. Die Berufsschule hängt direkt am Berufsbildungsgesetz. Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass wir in einem zentralen Bereich, in dem wir Gesetzeskompetenz haben, nicht dazu in der Lage sind, dies dann vor Ort materiell und immateriell zu unterlegen. Da machen wir Fehler, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

„Dual“ bedeutet immer „zwei“. Wir haben hier in allen Diskussionen den Fokus auf den wirtschaftlichen Zweig gelegt. Die materielle Leistung kommt vom Staat. Was wäre eigentlich Berufsausbildung in Deutschland ohne Berufsschulen? Das muss man sich einmal vergegenwärtigen. Es würde überhaupt nicht funktionieren. Deswegen appelliere ich an dieser Stelle an den Staat bzw. an den Bundesgesetzgeber und die Bundeshaushälter: Nehmen Sie Ihre Aufgabe gegenüber den Berufsschulen in Deutschland ernst! Wertschätzen Sie die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen dort! Helfen Sie den Schulen in den schwächeren Regionen mit materiellen Zuweisungen des Bundes, damit diese sowohl im IT-Bereich als auch bei der räumlichen Ausstattung klarkommen!

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Stärken Sie Berufsbildungsforschung! Fördern Sie die Qualitätsoffensive für Berufsschullehrer! Verbessern Sie endlich die technischen Ausstattungen! Fördern Sie Schulsozialarbeit! Die Berufsschulen sind das Aushängeschild unseres Berufsbildungswesens. Bringen Sie es durch Taten dazu, dass das auch zur Kenntnis genommen wird!

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Oliver Kaczmarek, SPD-Fraktion, die Gelegenheit, die Debatte zu diesem Einzelplan abzuschließen.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7035641
Wahlperiode 18
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Bildung und Forschung
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