Bernhard DaldrupSPD - Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auch für meine Fraktion eine Erklärung abgeben. – Ich muss etwas ausholen, Herr Rehberg. Sie brauchen ja diese Feindbildnummer. Aber der Kämmerer von Oberhausen, ein Sozialdemokrat, ist in der Frage der Bewältigung von Integrationsaufgaben genauso zuverlässig wie der Oberbürgermeister von der CDU. Es hat gar keinen Sinn, dass Sie diese Leute beschimpfen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Hat er gar nicht! – Anette Hübinger [CDU/CSU]: Er hat das Dilemma dargestellt!)
– Ja, doch. Ich komme darauf zurück.
Wir beschließen zum heutigen Zeitpunkt im Bund ein Gesetz – das ist das eigentlich Wichtige –, das die Länder und Kommunen um round about 20 Milliarden Euro entlastet. Dabei geht es um Punkte, die zum Teil einen akuten Bedarf auslösen: dreimal 2 Milliarden Euro zur Deckung der Integrationskosten, 2,6 Milliarden Euro zur Deckung der Unterkunftskosten bei Flüchtlingen und zusätzlich 1 Milliarde Euro für den Wohnungsbau. Das alles sind gute und vernünftige Sachen. Vor allem treffen wir eine Entscheidung – es ist wichtig, dass wir darüber diskutieren und das noch einmal erklären –, die auf Dauer angelegt ist, nämlich die Entlastung der Kommunen um 5 Milliarden Euro jährlich. Mit dieser Entscheidung setzen wir ein wichtiges Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Wir können also gemeinsam feststellen: Wir halten Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Unser besonderes Augenmerk gilt dabei finanzschwachen Kommunen wie Oberhausen. Anders als der Bund können sie ihre Situation kaum eigenständig ändern. Sie brauchen den Bund.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Was ist mit den Ländern?)
– Darauf komme ich zurück. – Die Hilfen des Bundes könnten vielleicht etwas günstiger ausfallen, wenn wir eine strukturell auskömmlichere Kommunalfinanzierung hätten. Das hat nicht nur etwas mit den Ländern zu tun. Wir leisten sehr oft programmorientierte Hilfen, durch die die Kommunen teilweise von dem entlastet werden, was wir ihnen zuvor als Belastung in den Rucksack gepackt haben.
(Beifall bei der SPD – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Genau das ist der Punkt!)
Das ist auch jetzt der Fall. Dann beschweren wir uns über Umsetzungsdefizite. Man muss die gesamte Situation wahrnehmen. Bei dem Schritt hin zu einer besseren strukturellen Finanzierung der Kommunen ist eine dauerhafte Unterstützung der Kommunen immens wichtig. Mit anderen Worten: Wir machen seitens der Koalition etwas Gutes, um die Investitionsmöglichkeiten und -fähigkeiten der Kommunen jedenfalls ein bisschen zu verstärken.
Wir haben den Schlüssel kritisiert. Wir haben gesagt, dass die Verteilung der 5 Milliarden Euro nicht zielgenau erfolgt; ich habe schon in der Vergangenheit darauf hingewiesen. In der Tat hätte es bessere Wege gegeben, unter anderem eine anteilige oder vollständige Übernahme der KdU, wie es im sogenannten Scholz/Schäuble-Papier steht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Andere Vorschläge betrafen eine Bundesauftragsverwaltung oder eine Änderung des Grundgesetzes. Wir Sozialdemokraten wären viele Wege mitgegangen und hätten dementsprechend entschieden. Aber leider konnten wir uns mit Ihnen, unserem Koalitionspartner, nicht verständigen.
Gestern hat die Bundeskanzlerin gesagt, das Geld solle besser nach Bedürftigkeit als mit der Gießkanne verteilt werden. Sie hat recht. Aber warum entscheiden wir es dann nicht anders?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Rehberg, Sie sagen: Bringt mir die Unterschriften! Weil nicht alle Länder einverstanden sind, machen wir das nicht. – Welches Selbstbewusstsein als Parlamentarier haben wir eigentlich?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Bundestag ist genauso ein Verfassungsorgan wie der Bundesrat. Aber die Ministerpräsidentenkonferenz ist es nicht. Ich bin fest davon überzeugt – Thomas Oppermann hat recht –: Wenn wir heute eine andere Entscheidung treffen würden, dann würde sie vom Bundesrat akzeptiert, weil sonst die Länder Finanzierungsprobleme bekämen.
(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Große Klappe!)
Viele stellen sich hierhin und sagen – Herr Rehberg ist ein Musterbeispiel dafür –: Die Länder haben klebrige Finger. – Sie tun so, als ob die Länder keine Finanzierungsprobleme hätten. Wer so redet, muss aber auch seine eigenen Entscheidungsspielräume nutzen. Es nutzt nichts, nur den Mund zu spitzen. Man muss auch pfeifen, Herr Rehberg, wenn es dazu eine Möglichkeit gibt. Diese Möglichkeit hätte es gegeben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dieses alte Länder-Bashing zu betreiben, hilft uns nicht weiter.
Nordrhein-Westfalen hat längst beschlossen, die kommunale Finanzmasse um die anteiligen Mittel des Bundes zu verstärken. Diese Mittel hat das schwarz-grüne Hessen schon früher kassiert. Das macht das grün-schwarze Baden-Württemberg zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls. Hier muss man etwas genauer hinschauen. Vorsicht an der Bahnsteigkante!
(Beifall bei der SPD)
Wenn der Bundestag nur so entscheidet, wie die MPK es vorgibt, dann können wir es lassen. Unser Maßstab war Hilfe nach Bedürftigkeit und nicht das Wunschkonzert der Länder.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Länder haben von den 5 Milliarden Euro 1 Milliarde Euro für sich beansprucht und wollen sie den Kommunen geben. Allerdings sage ich in Richtung der Länder: Wer das Recht haben will, hat auch die Pflicht. Wir werden nachprüfen, wo die Milliarde landet. Am besten machen wir Sie, Herr Rehberg, zum Beauftragten dafür, und zwar in Hessen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Und in Nordrhein-Westfalen!)
– Ja, auch in Nordrhein-Westfalen.
Apropos Pflichten. Nicht alle Länder geben die Integrationspauschale vollumfänglich weiter. Bayern zum Beispiel will die Mittel nicht an die Kommunen weitergeben. Ich kann auch andere Länder nennen.
(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Weil die schon vorher 100 Prozent der Kosten übernommen haben!)
– Es gefällt Ihnen nicht, wenn Sie eine Antwort auf Ihr klassisches NRW-Bashing bekommen. Aber dieses Bashing lassen wir uns nicht bieten. Merken Sie sich das!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In allen Ländern leisten die Kommunen Integrationsarbeit. Deshalb ist es richtig, zu fordern, dass die Kommunen seitens der Länder an der Integrationspauschale beteiligt werden.
Sie müssen bitte zum Schluss kommen, Kollege Daldrup.
Ja, sofort. – Ich will trotz aller kritischen Bemerkungen feststellen, dass wir hier gemeinsam ein gutes Gesetz auf den Weg bringen, das für eine wichtige und dauerhafte Entlastung sorgt, auch wenn wir im Detail unterschiedlicher Auffassung sind.
Wir Sozialdemokraten wollen gleichwertige Lebensbedingungen durch mehr Chancengleichheit, durch mehr Teilnahme und Teilhabe der Bevölkerung in allen Teilen des Landes.
(Beifall bei der SPD)
Darauf hat auch Sigmar Gabriel heute hingewiesen. Deswegen werden wir diesem Gesetz selbstverständlich trotz der Mängel zustimmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Als Letzte hat jetzt die Kollegin Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7035659 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Abschließende Beratungen ohne Aussprache |