24.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 203 / Tagesordnungspunkt I.15

Karl SchiewerlingCDU/CSU - Arbeit und Soziales

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Zimmermann, ich bin fast geneigt, auf Ihre Rede einzugehen,

(Dagmar Ziegler [SPD]: Bloß nicht!)

aber ich werde dem widerstehen. Ich habe nur gerade einmal nachgeguckt, wie viele Nebenjobs Frau Dr. Wagenknecht hat. Ich glaube, wir müssen da doch noch etwas an den Diäten tun. Es ist ja doch eine schwierige Angelegenheit, wenn sie noch so viel nebenbei verdienen muss.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Quote der Nebenjobs ist in Ihrer Fraktion die höchste! Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen!)

Meine Damen und Herren, die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Union hat folgende Prinzipien der Christlichen Soziallehre zur Grundlage: die Personalität, wonach die Würde des Menschen im Mittelpunkt stehen soll, die Subsidiarität, wonach zunächst jeder das tun soll, was er kann, um mit seiner Hände Arbeit den Lebensunterhalt für sich und die Seinen zu verdienen, und die Solidarität, wonach jeder, der dringend auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesen ist, sie auch erhält. Es geht aus unserer Sicht um Teilhabe und Chancengerechtigkeit. Der Haushalt, den die Bundesarbeitsministerin vorgelegt hat, der Haushalt, den wir jetzt verabschieden, spiegelt dies in zahlreichen Punkten sehr konkret wider.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, in der letzten Zeit hat das Thema Alterssicherung hohe Wellen geschlagen und schlägt sie immer noch. Die Bundesarbeitsministerin wird ja morgen ihr Konzept vorstellen. Dann werden wir sehen, wohin der Weg aus ihrer Sicht gehen kann.

Ich sage Ihnen: Die Grundlagen der Alterssicherung – ob es die umlagefinanzierte Rente, die private Altersvorsorge oder die betriebliche Altersvorsorge ist, bei der wir übrigens gerade dabei sind, viel zu unternehmen – stehen unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der Wirtschaft, aber auch unter dem Gesichtspunkt der Demografie. Diesen Gesichtspunkten kann sich kein Altersrentensystem – egal wie man es organisiert – entziehen. Deswegen ist es wichtig, dass wir eine gute wirtschaftliche Entwicklung haben, dass wir gute Arbeitsmarktzahlen – solche, wie wir jetzt haben – vorlegen können, dass wir gute Perspektiven eröffnen. Kollege Fischer hat vorhin darauf hingewiesen: Das sind Perspektiven, unter denen man Arbeitsmarkt und Sozialpolitik gut organisieren kann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Weil wir hohe Beschäftigung und hohe Einnahmen und übrigens auch exzellente Tarifabschlüsse haben, haben wir auch entsprechende Einnahmen und Rücklagen im Bereich der Rentenversicherung und damit ein relativ gutes und stabiles System.

Die Diskussion um die Altersvorsorge, die Diskussion darüber, wie denn die Menschen in Zukunft im Alter werden leben können, wird im Augenblick in einem Stil geführt, als sei die Rentenversicherung völlig durch den Wind.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, nicht die Rentenversicherung! Die Rentenpolitik ist durch den Wind!)

Das ist unerträglich. Wir machen den Menschen Angst. Das stimmt hinten und vorne nicht. Bis 2030 sind die Dinge geregelt. Alle Zahlen sind besser, als sie prognostiziert wurden,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Zahlen ja, aber die Renten nicht! Fragen Sie einmal die Menschen!)

und zwar sowohl die Rücklage als auch der Beitragssatz als auch das Rentenniveau, das jetzt auf 48 bzw. perspektivisch auf 48,1 Prozent ansteigt. Die Kolleginnen und Kollegen von der Linken rechnen immer die heutige Situation hoch, als würde sich nichts tun, als gäbe es keine Dynamik in dem System.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

Und Sie stellen das Ganze nur deshalb immer so grausig dar, damit es in Ihr unerträgliches Weltbild passt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist unter Ihrem Niveau! Sie kommen im Ausschuss nicht mit, wenn ich Ihnen etwas vorrechne! Das ist die Wahrheit!)

Meine Damen und Herren, wir haben innerhalb der Rentenversicherung klare Grundlagen. Ich will sehr deutlich sagen: Die umlagefinanzierte Rente ist kein In­strument zur Bekämpfung der Altersarmut. Die umlagefinanzierte Rente ist ein Versicherungssystem,

(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Nein! Die Systeme funktionieren wirklich anders! – Gegenruf der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Hören Sie erst einmal zu, dann verstehen Sie vielleicht!)

in das man Beiträge einzahlt und aus dem man seine Rente erhält. All das, was Menschen brauchen, um später von ihren Alterseinkünften leben zu können, wird nicht in der Rente grundgelegt. Es wird grundgelegt in der Erziehung, es wird grundgelegt in der Bildung. Es wird grundgelegt in einer guten Qualifizierung und damit verbunden guten Arbeitsplätzen, die zu Einnahmen führen, von denen man dann im Alter leben kann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben zur Sicherung der Rente im Rahmen der Diskussionen, die wir im Augenblick führen, natürlich viele Fragen zu lösen, und zwar für die Zeit ab 2030 bis 2045 oder 2050, sofern man die Dinge so weit vorausschauend betrachten kann. Was aber in der gesamten Debatte nicht geht, ist eine Diskussion unter der Hauptüberschrift „Auf keinen Fall!“, also: Auf keinen Fall darf das Rentenniveau sinken! Auf keinen Fall darf der Beitragssatz steigen!

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was aber sagt das denn? – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Armer Quacksalber!)

Auf keinen Fall darf der Zuschuss zur Rentenversicherung steigen! Auf keinen Fall darf das Regeleintrittsalter in die Rente steigen. – Mit einer solchen Herangehensweise bekommen wir das System der Deutschen Rentenversicherung nicht in den Griff.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Deswegen rate ich dringend dazu, diese Frage orientiert am Aspekt der Generationengerechtigkeit anzugehen, ohne Schaum vor dem Mund, mit vernünftigen Annahmen, damit es finanzierbar bleibt für alle: für die zukünftige, die jüngere Generation, die den Beitrag erbringt, für die ältere Generation, die davon leben können soll, für alle an diesem System Beteiligten. Ich bin sicher, dass wir dieses Problem ordentlich lösen können, und zwar zusammen mit der Frage der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Kerstin Griese [SPD])

Meine Damen und Herren, ich will einige Sätze zum Zuschuss zur Rentenversicherung sagen. Wir geben in der Tat circa 98 Milliarden Euro – so steht es im Haushalt – als Zuschuss für die Rentenkasse aus, davon entfallen 7,2 Milliarden Euro auf die Kosten für die Grundsicherung im Alter. Diese ziehe ich einmal ab. Ein Blick auf den Haushaltsplan für die Rente – daran liegt mir sehr viel – zeigt die Zahl von 13,2 Milliarden Euro für die Kindererziehungszeiten einschließlich des Entgeltpunktes im Zusammenhang mit der Mütterrente. Diese 13,2 Milliarden Euro decken im Jahr 2017 die Ausgaben. Die Behauptung, dass die Mütterrente und der zusätzliche Entgeltpunkt ausschließlich von Beitragszahlern, also von den Arbeitgebern und den Versicherten, finanziert würden, ist eine Mär. Auch dafür stellen wir Bundeszuschüsse bereit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Zuschüsse werden wir im Jahr 2018 – so ist es vereinbart – um weitere 2 Milliarden Euro anheben. Das haben wir festgelegt, und so wird es kommen.

Meine Damen und Herren, im Bereich der Arbeitsmarktpolitik stellt sich die Frage: Was werden wir tun, damit die Menschen weiterhin gut in Beschäftigung bleiben? Ich darf darauf verweisen, dass wir im Rahmen der Flexirente in der Tat Instrumente – Stichworte: Prävention und Rehabilitation – verabschiedet haben, mit deren Hilfe es den Menschen ermöglicht werden soll, in Beschäftigung zu bleiben. Hierbei wollen wir die Menschen unterstützen.

Uns treibt natürlich die Frage um: Was machen wir mit den Langzeitarbeitslosen, und was ist zu tun, damit diese Menschen wieder in Arbeit kommen? Die Bundesarbeitsministerin hat vorhin völlig zu Recht auf die Instrumente hingewiesen, die jetzt greifen. Eines dieser Instrumente, mit denen wir den Menschen helfen, ist die soziale Teilhabe. Die Frage, ob hier ein Aktiv-Passiv-Tausch, wie wir so schön sagen, oder eher ein verfestigter sozialer Arbeitsmarkt hilft, lässt sich vielleicht auf dem Papier theoretisch beantworten. Aber die anderen Fragen, die wir ebenfalls beantworten müssen, sind: Was tun wir, damit Menschen den Weg in den ersten Arbeitsmarkt finden? Wie halten wir die Situation so dynamisch, dass die Menschen den Weg dahin finden?

Wir erleben, dass viele Menschen, die langzeitarbeitslos sind, den Weg zurück in den Arbeitsmarkt finden. Unsere Aufgabe besteht darin, gerade diejenigen, die lange arbeitslos sind, mit Assistenz und Unterstützung zu begleiten, damit sie diesen Weg tatsächlich gehen und damit sie möglichst lange in Beschäftigung bleiben.

(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch der soziale Arbeitsmarkt!)

An diesem Punkt arbeiten wir. Die Instrumente wirken. Ich hoffe sehr, dass das Ganze auf Dauer funktioniert und entsprechende Früchte trägt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffen reicht nicht! Man muss schon was tun!)

Mit Blick auf die Gesamtentwicklung will ich auf zwei Punkte hinweisen. Erster Punkt: In der Tat befinden wir uns in der Debatte um die Arbeit 4.0. Es geht um die Digitalisierung. Keiner kann richtig abschätzen, welche Wirkungen sie de facto in welchen Bereichen hat. Nur eins ist klar: Es wird nicht ohne Weiterbildung und Qualifizierung gehen. Da tragen nicht nur der Staat, sondern auch der Betrieb und der Tarifpartner Verantwortung. An diesem Punkt müssen wir alle zusammenarbeiten. Deswegen glaube ich, dass wir diese Entwicklung nicht nur gut begleiten, sondern auch deutliche Akzente setzen sollten.

Der zweite Punkt, der mich umtreibt. Wir diskutieren zurzeit intern das Bundesteilhabegesetz. Der Gesetzentwurf wird bald in zweiter und dritter Lesung vom Parlament behandelt werden. In diesem Zusammenhang diskutieren wir die steigende Zahl von Menschen mit Behinderung. Was mich umtreibt, ist die Frage der Zunahme der Zahl der psychischen und seelischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Das betrifft nicht nur Betriebe und die Arbeitswelt. Das ist eine Frage der Entwicklung unserer Gesellschaft.

In dieser Situation will ich, weil wir uns immerhin kurz vor dem ersten Advent und damit vor der Begehrlichkeit befinden, möglichst jeden Sonntag alle Geschäfte lange zu öffnen, auf Folgendes hinweisen: Ich halte es für unerträglich, wie wir in unserer Gesellschaft Leitplanken niederreißen, die den Menschen Hilfe und Orientierung geben. Ich habe, unabhängig von der Verfassungsfrage, kein Verständnis dafür, die Sonntage nach Beliebigkeit zur Disposition zu stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege.

Ich glaube, dass es sich lohnt, in dieser Frage gezielt weiterzuarbeiten.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit und bin sicher, dass wir im nächsten Jahr den erfolgreichen Kurs der Bundesregierung mit diesen Koalitionsfraktionen fortsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ein wichtiger Aspekt, Herr Kollege, den Sie zum Schluss angesprochen haben. Trotzdem muss ich ein bisschen auf die Zeit drängen.

Das Wort zu einer Kurzintervention hat Matthias W. Birkwald gewünscht. – Herr Birkwald.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7035699
Wahlperiode 18
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Arbeit und Soziales
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