Mark HelfrichCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wie immer in den letzten Novemberwochen: Wir debattieren und beschließen den Bundeshaushalt für das kommende Jahr mit seinen Einzelplänen für die Ressorts. Wie immer weist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dabei den größten und umfangreichsten Einzeletat auf. Wie immer sind der Opposition die vorgesehenen Leistungsansätze zu niedrig. Wie immer wähnt sie wieder einmal unseren Sozialstaat am Ende. Same Procedure as every Year.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Unsere Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage ist seit Jahren unverändert gut. Wir haben ein gesundes Wirtschaftswachstum, zuletzt von 1,8 Prozent. Das Ergebnis sind fast 43,8 Millionen Beschäftigte – Rekord. Gleichzeitig geht der Stellenaufbau weiter. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik waren mehr als 31,4 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Zahl der Erwerbslosen hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert, und das ist ein Vierteljahrhunderttief. Nur dank dieser guten Ausgangslage können wir heute darüber debattieren, wofür wir Geld in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik einsetzen.
Wir müssen uns aber auch ins Gedächtnis rufen, dass eine solche gute Arbeitsmarktlage alles andere als ein Selbstläufer ist. Grundlage dafür ist und bleibt eine stabile Wirtschaft. Ich erinnere an die Zeit vor gut zehn Jahren, als es 5 Millionen Arbeitslose gab und die Situation in der Wirtschaft und bei den Sozialversicherungsträgern katastrophal war. Niemand möchte diese Zeiten wieder. Also lassen Sie uns gemeinsam darauf achten, dass diese gute Entwicklung so bleibt, wie sie ist. Lassen Sie uns endlich aufhören, richtige Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre peu à peu zurückzudrehen, zum Beispiel durch die Frühverrentung gut qualifizierter älterer Arbeitnehmer.
Im Sommer habe ich mich in meinem Wahlkreis bei Unternehmen und Betrieben umgeschaut. Die Stimmung ist gut. Die Auftragsbücher sind voll. Doch die Sorge, Stellen in Zukunft nicht mehr besetzen zu können, treibt alle um. Der Fachkräftemangel ist das Hauptproblem der Betriebe und setzt die Wirtschaft weiter unter Druck. Deutschlandweit haben nach einer aktuellen Studie 49 Prozent der Unternehmen massive Probleme, offene Stellen zu besetzen.
Klar ist inzwischen: Das Gros der Flüchtlinge kann aufgrund mangelnder Bildung und auch mangelnder Sprachkenntnisse auf absehbare Zeit unser Problem des Fachkräftemangels nicht lösen. Damit das aber mittelfristig gelingt, ist es umso wichtiger, dass wir im nächsten Jahr zusätzlich 4,3 Milliarden Euro für die Integration der Flüchtlinge ausgeben. 1,6 Milliarden Euro davon entfallen auf die aktive Eingliederung der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt. Deutsch lernen ist für die Integration der Flüchtlinge der Dreh- und Angelpunkt. Darüber sind wir uns in diesem Hause einig. Deshalb werden wir die Anzahl der berufsbezogenen Sprachkurse von derzeit 20 000 auf 200 000 verzehnfachen.
Innerhalb der Union sind wir uns darüber im Klaren: Es darf keine Wiederholung der Flüchtlingszuwanderung nach Deutschland wie im letzten Jahr geben; vielmehr müssen wir uns auch weiterhin gezielt um hochqualifizierte Fachkräfte aus Europa und Drittländern bemühen. Aus der ganzen Welt können seit 2013 bei einem Jobangebot Facharbeiter mit einer abgeschlossenen Ausbildung in einem Mangelberuf in Deutschland arbeiten. Auch Hochqualifizierte in den MINT-Berufen sowie Hochschulabsolventen können bei einem entsprechenden Mindesteinkommen in Deutschland arbeiten. Wir verfügen damit bereits heute im internationalen Vergleich über sehr offene und liberale Zuwanderungsregelungen. Deutschland ist nach den USA bereits das zweitgrößte Einwanderungsland der Welt.
Den Befürwortern eines Einwanderungsgesetzes mit einem Punktesystem kann ich in diesem Zusammenhang nur eines sagen: Wir brauchen eine passgenaue Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und nicht in die Arbeitslosigkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wer Menschen nach Deutschland holen will, ohne vorher die Arbeitsplatzfrage zu klären, der ignoriert die Interessen unseres Landes und vor allem auch die Sorgen und Bedürfnisse der Menschen. Für die meisten Bürger stehen derzeit eher Fragen von Recht und Ordnung im Mittelpunkt, etwa die Frage, wie sich die Ausreise von 200 000 Menschen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, organisieren und durchsetzen lässt.
Vor allem die links regierten Bundesländer tun sich damit schwer. Sie verfahren leider nach dem Motto: Einmal in Deutschland, immer in Deutschland. Die den Berliner Senat tragende Koalition hat den Abschiebestopp für Ausreisepflichtige sogar im Koalitionsvertrag festgeschrieben.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Das ist rot-rot-grüne Politik.
Nein, geltendes Abschieberecht muss konsequent durchgesetzt werden – jetzt hören Sie bitte zu –, auch um die Akzeptanz für Arbeitsmigration in der Bevölkerung nicht zu gefährden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen unseren Blick aber genauso auf die Situation der Menschen richten, die schon lange ohne Arbeit sind. Für Eingliederung in Arbeit und für die Betreuung und Vermittlung stellen wir knapp 8,9 Milliarden Euro zur Verfügung. Es ist auch gut, dass wir in diesem Haushalt diesen Ansatz für das Programm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ um 150 Millionen Euro auf dann 300 Millionen Euro verdoppeln. Auch das ist ein wichtiges Signal, dass wir angesichts der Flüchtlinge die Langzeitarbeitslosen nicht vergessen.
Unerwähnt bleiben darf auch nicht das Bundesprogramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit, für das wir im nächsten Jahr 160 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Ich habe mich in meinem Wahlkreis davon überzeugen können, dass dieses Programm gut funktioniert und bei den Menschen ankommt.
Bei mir in Schleswig-Holstein hat das Jobcenter Dithmarschen mit großem Einsatz tolle Erfolge erzielt. Es konnten mehr Langzeitarbeitslose in Arbeit vermittelt werden als geplant. Deshalb hat das BMAS auch noch zusätzliche Mittel bereitgestellt. – Herzlichen Dank nach Dithmarschen und herzlichen Dank an das BMAS.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist ein reiches Land. Kein Mensch mit Herz und Verstand will, dass Senioren ihren Lebensabend in Altersarmut verbringen. Und doch zwingen ein paar Fakten zum Handeln. Die Menschen werden immer älter. Dadurch beziehen sie immer länger Rente.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur ein Teil der Menschen wird älter!)
Die Jüngeren, die mit ihren Beiträgen und Steuern die Renten bezahlen, werden immer weniger. Das ist das eigentliche Problem, vor dem wir die Augen nicht verschließen dürfen. Es lässt sich auch nicht ideologisch lösen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, dann fangt doch mal an!)
Franz Müntefering brachte es bereits 2006 auf den Punkt – Zitat –:
Da muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen: Wir müssen irgendetwas machen.
Ja, meine Damen und Herren, das müssen wir.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie müssen das Richtige machen!)
Ziel muss es aber sein, dass künftig weder die Versicherungsbeiträge noch die Steuerzuschüsse in die Rentenversicherung durch die Decke schießen. Also hören Sie auf mit dem Überbietungswettbewerb zulasten jüngerer Generationen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hören Sie auf mit so einem Unsinn wie „durch die Decke schießen“! Sie machen den Menschen Angst! Angstmacher!)
Wichtig ist doch, dass die Beiträge zur Rentenversicherung auch für Jüngere bezahlbar bleiben müssen. Deshalb braucht Deutschland ein atmendes Rentensystem, das die steigende Lebenserwartung berücksichtigt. Ich sage denjenigen, die das nicht akzeptieren können, wollen oder dürfen: Das ist kein sozialpolitischer Unfug, sondern aus gutem Grund in vielen europäischen Ländern sozialpolitische Realität.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Macht es nicht besser!)
Sehr verehrte Damen und Herren, wir müssen aufpassen, dass aus der Rentenkomödie der jetzigen Rentnergeneration keine Tragödie für die Jüngeren wird. Deshalb lassen Sie uns auch beim Thema Rente Politik für Generationen machen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als nächste Rednerin hat Kerstin Griese für die SPD-Fraktion das Wort
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7035714 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |