24.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 203 / Tagesordnungspunkt I.17

Wilhelm PriesmeierSPD - Ernährung und Landwirtschaft

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich überfällt noch keine Demut, aber es ist die letzte Haushaltsrede, die ich hier in diesem Deutschen Bundestag halte. Ich spreche jetzt zu dem 15. Haushalt. Ich glaube, es ist jetzt Zeit, auch ein bisschen Bilanz zu ziehen. Eine Bilanz besteht immer aus Soll und Haben. Ich meine aber nicht die Bilanz meiner Tätigkeit hier im Bundestag, sondern die Bilanz dessen, was wir in diesen Haushalt hineingeschrieben haben.

Über die Größe des Haushaltes – er umfasst knapp 6 Milliarden Euro – ist schon dreimal gesprochen worden. Ich mache aber noch einmal darauf aufmerksam, dass es die schwarz-rote bzw. rot-schwarze Regierung war, die den entsprechenden Zuwachs beschlossen hat. Im Gegensatz zu dem, was die gelb-schwarze Koalition erreicht hat, handelt es sich – das muss man konstatieren – um einen erheblichen Zuwachs. Das ist natürlich vor allem der Aufgabenstellung im ländlichen Raum geschuldet, der wir großes Gewicht beigemessen haben. Das ist ein klares und deutliches Bekenntnis zur Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft sowie auch zur Fischerei.

Über eines bin ich ein bisschen traurig. Ich hatte im September letzten Jahres den Vorschlag gemacht, ein größeres Bürgschaftsprogramm für die bedrohten bzw. betroffenen landwirtschaftlichen Unternehmen im Bereich der Veredelung aufzulegen. Das machen wir nun mit diesem Haushalt. Wir kommen da – weiß Gott! – 14 Monate zu spät. Wir hätten in vielen Betrieben vielleicht für Erleichterung sorgen können und denen auch das Leben einfacher machen können. Wir hätten, wenn wir das rechtzeitig letztes Jahr gemacht hätten, dafür sorgen können, dass Liquidität in diese Betriebe geflossen wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube aber, es ist noch nicht ganz zu spät. Die Betriebe, die jetzt betroffen sind, werden dieses Programm noch nutzen können.

Die von den Ländern in diesem Zusammenhang aufgelegten Programme sind bislang nur zögerlich genutzt worden. Ich hoffe, dass die Bedingungen für dieses Programm so gestaltet werden, dass all die Betriebe in der Bonitätsklasse 1 bis 4 dieses Programm – es umfasst immerhin 300 Millionen Euro; 100 Millionen Euro kommen aus dem Bereich des Bundes, wobei er für die Hälfte bürgt – nicht zur Umschuldung, sondern eben für das laufende Geschäft nutzen werden, um so eine neue Perspektive für ihr weiteres Wirtschaften zu haben. Wir alle sehen ja, dass die Milchmarktkrise noch nicht überwunden ist.

Den Betrieben fehlen 6 bis 7,5 Milliarden Euro aus den letzten zwei Jahren. Das ist eine erhebliche Belastung. Die Politik kann das aber nicht zur Gänze ausgleichen. Deshalb freue ich mich, dass wir weitere 58 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt haben, damit wir das von der EU angebotene und auf nationaler Ebene umzusetzende Milchmengenreduktionsprogramm unterstützen können. Das ist auch im Hinblick darauf, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Lagerbestände abgebaut werden, sicherlich eine vernünftige und richtige Maßnahme.

Zu den sonstigen Maßnahmen, die zur Erleichterung angedacht waren, kann ich Ihnen nur sagen: Es ist mühsam, das Einkommensteuerrecht zu nutzen, um damit Risikovorsorge zu betreiben. Nach vielen und reiflichen Überlegungen haben wir uns aber zumindest jetzt darauf verständigen können, dass wir das befristet tun wollen. Wenn nach der Bewertung im BMJV keine weiteren verfassungsrechtlichen Probleme auftauchen, werden wir den entsprechenden Gesetzentwurf in der nächsten Woche hoffentlich auch hier im Deutschen Bundestag durchbringen können, damit die Länder dazu Stellung beziehen können. Die Position der Bundesländer dazu ist an sich sehr kritisch. Vielleicht gelingt es aber, diese Regelung auch mit schweren Bedenken durchzubringen. Zumindest nach den heutigen Gesprächen bin ich hier recht hoffnungsfroh. Auch das demonstriert, dass die Koalition handlungsfähig ist.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört sich aber manchmal eher anders an in den Debatten!)

Ich glaube, auch bei der Gesetzgebung im Bereich Gentechnik werden wir einen vernünftigen Konsens finden, der tragfähig ist, indem ich darauf verweise, dass wir dieses Problem nicht ungelöst lassen können. Die Bundesländer haben sich ja schon darauf eingestellt, dass auch dieser Gesetzentwurf in erster Lesung durch den Bundestag gehen wird, damit die Weiterberatung dazu im Bundesrat erfolgen kann.

Es ist wichtig und richtig, dass wir vor allen Dingen für den ländlichen Raum Geld in die Hand nehmen. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass es gelungen ist, den Ansatz für BULE, das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“, auf 55 Millionen Euro anzuheben. Das ist die Instrumentenkiste, die wir brauchen, um mit Modellvorhaben Dinge auszuprobieren bzw. zu erproben, die den ländlichen Raum in Gänze voranbringen. Ich bin mir sicher: Die Erkenntnisse daraus werden die Entwicklung des ländlichen Raumes auch in Zukunft ganz entscheidend mit beeinflussen. Es geht darum, die Stakeholder – so nennt man das ja Neudeutsch – in ihren Bestrebungen und Bemühungen zu unterstützen. Mit unserer finanziellen Unterstützung werden wir dafür sorgen, dass der ländliche Raum eine Perspektive behält.

(Beifall bei der SPD)

Aus unserer Sicht betrifft das hier vor allen Dingen die soziale Infrastruktur, die Arbeitsstrukturen, die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung.

Im Hinblick auf verschiedene Programme, die wir im Konsens umsetzen wollten und auch noch umsetzen könnten, hätte ich mir ein bisschen mehr erwartet. Mir fehlt immer noch etwas im Bereich „Tierschutz und Verbraucherschutz“, mir fehlt ein einheitlicher Rechtsrahmen zur Tierhaltung und zu Tierarzneimitteln, mir fehlt ein Tierschutz-TÜV, und ich vermisse eine nationale Nutztierstrategie. All das sind Aufgaben, die wir nur im Konsens und nicht im Dissens bewältigen können. Ich glaube, deshalb sollten wir uns hier ans Werk machen und das nächste halbe Jahr nicht im Streit verschenken, sondern im Konsens beenden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Dr. Priesmeier. – Nächster Redner: Harald Ebner für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7035965
Wahlperiode 18
Sitzung 203
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
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