Jeannine PflugradtSPD - Ernährung und Landwirtschaft
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So eine Haushaltsdebatte bietet uns Rednern immer sehr viele Möglichkeiten, unsere speziellen Themen in den Fokus zu rücken. Meist fordern wir Abgeordnete mehr Geld und sind mit dem vorgelegten Entwurf des Haushalts gar nicht so zufrieden. Ich werde weder für mehr finanzielle Mittel eintreten noch den Entwurf, den wir verabschieden werden, im negativen Sinne auseinandernehmen. Mir geht es vielmehr darum, wie immer bei meinen Reden zum Thema Ernährung etwas Gehör zu bekommen.
Die Bundesregierung bemüht sich seit Jahren um das Thema „Kita- und Schulverpflegung“. Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geschaffene Bundeszentrum für Ernährung übernimmt ab 2017 unter anderem die Projekte des Nationalen Aktionsplanes IN FORM, der seit 2008 auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt wird, und baut seit Juli dieses Jahres das Nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule auf. Es soll die bereits bestehenden Maßnahmen rund um Kita- und Schulverpflegung koordinieren. Dafür stehen der übergeordneten Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ab 2017 jährlich mehr als 20 Millionen Euro zur Verfügung. Dass der Nationale Aktionsplan IN FORM weitergeführt wird, ist erfreulich, wenngleich ich es mir gewünscht hätte, dass das BMEL die zahlreichen voneinander unabhängigen Projekte in der Mitte der Laufzeit auf deren Wirkung bewertet hätte. Dann könnten wir zielführender, zeitiger und vor allem gründlicher auf das Ziel des Aktionsplanes, nämlich Gesundheitsförderung und Prävention lebensstilbedingter Krankheiten durch ausgewogene Ernährung, vor allem ausreichend Bewegung und weniger Stress, eingehen.
(Beifall bei der SPD)
Auf den ersten Blick klingt die Initiative des BMEL gut. Sie will sich stärker um Qualität ausgewogener Ernährung für Kinder und Jugendliche und deren Wissen darüber kümmern. Leider orientiert sich das BZE an dem Ansatz, eher das Verhalten der Menschen ändern zu wollen, anstatt die Verhältnisse der jeweiligen Lebenswelt zu betrachten.
(Beifall bei der SPD)
Es ist für Kinder leichter, sich ausgewogen zu ernähren, wenn Kitas und Schulen ausgewogene Mahlzeiten anbieten und ihnen gleichzeitig das Wissen vermitteln, warum das eine gesünder ist als das andere. Ob Kinder daran teilnehmen, obliegt allein der Verantwortung der Eltern. Aber jedes Kind besitzt erst einmal die Möglichkeit, daran zu partizipieren, weil die Verhältnisse in der Schule geschaffen sind; denn es ist so wichtig, dass Kinder früh lernen, woraus eine ausgewogene Ernährung besteht.
(Beifall bei der SPD)
Ich werbe deshalb dafür, kostengünstige oder sogar kostenfreie Verpflegung in Kitas und Schulen bei gleichbleibender Qualität zur Verfügung zu stellen. Wir alle wissen um die hohen Kosten, die auf unser Gesundheitssystem zukommen werden, wenn wir das Problem ernährungsbedingter Krankheiten nicht positiv beeinflussen können.
Das Nationale Qualitätszentrum wird zusätzlich einen Qualitätsnachweis für Caterer sowie Anbieter für Kita- und Schulessen entwickeln, der auf der Grundlage der DGE-Verpflegungsstandards entsteht. Die Verbreitung der Standards als verpflichtendes Element der Verpflegung wird eine Hauptaufgabe des Nationalen Qualitätszentrums werden. In Zusammenarbeit mit Vernetzungsstellen gäbe es die Möglichkeit für Schulen, sich beraten zu lassen und ihre Speisepläne diesem Qualitätscheck zu unterziehen. Leider ist dieses Angebot noch freiwillig. Freiwilligkeit allein hilft aber nicht immer weiter; das wissen wir.
Die 16 Vernetzungsstellen der Bundesländer fungieren als Zweigstellen zwischen den durchführenden Partnern – Kommunen, Trägern, Schulen – und dem Nationalen Qualitätszentrum. Daher bleiben sie unberührt in der Hoheit der Bundesländer. Deshalb sollten wir – hier spreche ich ganz speziell unseren Koalitionspartner an – noch einmal über eine Lockerung des Kooperationsverbotes für den Bereich „Verpflegung und Aufklärung“ nachdenken.
(Beifall bei der SPD)
Es ist doch längst überfällig, Synergien zwischen Bund und Länderkompetenzen effektiv zu bündeln.
Aber eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, bleibt ein Problem: Es sind die Eltern, die die Verantwortung für eine gesunde Ernährung ihrer Kinder tragen, aber leider nicht oft genug wahrnehmen. Wenn ich sehe, wie viele Schulkinder sich beim Bäcker morgens ihr Schulbrot oder – soll ich lieber sagen? – ihr Schulzuckerbrot kaufen, dann weiß ich, was bei ihnen im Elternhaus los ist. In der nächsten Legislaturperiode müssen wir deutlich mehr Geld für Aufklärung in Kitas, Schulen und der Eltern investieren. Das ist leider bitter nötig, aber langfristig kostensparend für unser Gesundheitssystem.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Jeannine Pflugradt. – Der letzte Redner in der Debatte: Willi Brase für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7035988 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 203 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |