25.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 204 / Tagesordnungspunkt III

Wolfgang Schäuble - Haushaltsgesetz 2017 (3. Beratung)

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist der letzte Haushalt, den wir in dieser Legislaturperiode verabschieden. Deswegen ist es wichtig, daran zu erinnern, dass wir es geschafft haben, in dieser Legislaturperiode, in der wir trotz aller Schwierigkeiten im Umfeld eine normale wirtschaftliche Entwicklung zu verzeichnen hatten, das einzuhalten, was wir versprochen hatten und was angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land auch dringend notwendig ist, nämlich dass wir ohne neue, zusätzliche Schulden auskommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben mit dieser nachhaltigen Finanzpolitik einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass es den Menschen in unserem Land besser geht als vor vier Jahren. Die Reallöhne sind stärker gestiegen als in den letzten Jahrzehnten – die Renten auch. Die Beschäftigungslage ist so gut wie nie zuvor. Dies alles hat miteinander zu tun.

Ja, wir haben dabei mit den niedrigen Zinsen auch Glück gehabt. Aber in dem Märchen von Frau Holle – das muss ich jetzt zunächst doch einmal sagen – fallen die Sterntaler ja nur für diejenigen, die Gutes tun.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kollege Lindner, das Problem ist: Wenn wir die Rezepte der Opposition verwirklichen würden, dann wären wir ganz schnell in der Rolle von Pechmarie. Schauen Sie einmal, wie Sie dann aussehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen belassen Sie es lieber einmal bei dieser erfolgreichen Haushaltspolitik.

Die zweite Bemerkung ist: Die Aufgaben werden größer, und die Spielräume werden eher kleiner; das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit absehbar. Dass die Aufgaben größer werden, dem tragen wir in diesem Haushalt, wo wir die Spielräume mit der Setzung neuer, zusätzlicher Prioritäten nutzen, wirklich auch Rechnung, indem wir Verantwortung für diese eine globale Welt wahrnehmen, die geprägt ist von Klimawandel und großen Migrationsbewegungen. Dass diese größere Anstrengungen von uns erfordern werden, habe ich schon bei der Einbringung des Bundeshaushalts 2016 im Herbst 2015 gesagt; und das wird auch auf absehbare Zeit so bleiben. Deswegen ist es wichtig, dass wir nun während der parlamentarischen Beratungen die Mittel für humanitäre Hilfe, für Entwicklungszusammenarbeit, für Fluchtursachenbekämpfung um über 1,1 Milliarden Euro erhöht haben. Auch dass wir die Mittel für die innere und äußere Sicherheit kontinuierlich erhöhen, ist notwendig und richtig. Das wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen und wird unsere Spielräume schrittweise kleiner machen, zumal wir in der Zukunft nicht mehr damit rechnen können, dass wir durch weiter sinkende Zinsen vergleichbare Spielräume gewinnen werden. Das ist so.

Darüber hinaus haben wir entsprechende Entscheidungen getroffen, um auch den sozialen Zusammenhalt in unserem Lande Schritt für Schritt weiter voranzubringen. Wir sind auch da auf einem guten Weg, wobei, wie gesagt, die wichtigste Voraussetzung für sozialen Zusammenhalt natürlich die Beschäftigungslage bzw. die wirtschaftliche Entwicklung ist. Ansonsten hätten wir überhaupt nicht die Mittel, um das zu leisten.

Das Entscheidende, was wir in den kommenden Jahren tun müssen – gerade bei größer werdenden Aufgaben und geringeren Spielräumen –, ist, dass wir weiterhin auf Innovationen und Investitionen setzen. Nun ist es in der Tat völlig unbestritten, dass wir in dieser Legislaturperiode allein die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes um über 25 Prozent erhöht haben und dass den Engpass für weitere Steigerungen nicht mehr die Zurverfügungstellung von Mitteln aus dem Bundeshaushalt darstellt, sondern die Verwendung bzw. der Abfluss der Mittel. Das ist übrigens eine gesamtstaatliche Aufgabe. Deswegen ist es so wichtig, dass das, was wir mit den Ländern vereinbart haben, auch absprachegemäß konsequent Schritt für Schritt umgesetzt wird.

In 14 Tagen findet die nächste Runde der Gespräche der Regierungschefs von Bund und Ländern statt. Ich will daran erinnern: Wir halten daran fest, die Mittel für Investitionen in finanzschwachen Gemeinden noch einmal um weitere 3,5 Milliarden Euro aufzustocken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der kommenden Woche werden wir den Entwurf eines Nachtragshaushaltes im Bundeskabinett beraten. Auch schlagen wir, wie wir es mit den Regierungschefs der Länder abgesprochen haben, vor, eine Zweckerweiterung für die Verwendung dieser Mittel durch die Aufnahme von Aufgaben zur kommunalen Bildungsinfrastruktur vorzunehmen. So haben wir das verabredet. Das muss dann aber auch gemacht werden.

Ich erinnere zum Beispiel daran, dass die Mittel, die wir seit Jahren für den Ausbau von Kindertagesstätten zur Verfügung stellen, nicht abfließen, weil die Länder und Kommunen nicht in der Lage sind, sie entsprechend in Anspruch zu nehmen. Da müssen wir besser werden. Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Deswegen ist es übrigens auch wichtig – und die Gesetzgebung wird ja den Bundestag und dann auch den Bundesrat beschäftigen –, dass wir an dem festhalten, was wir mit den Ländern vereinbart haben, dass der Bund nämlich ein Stück weit mehr Möglichkeiten bekommt, die Dinge im gesamtstaatlichen Bereich effizienter zu gestalten.

Dem dient die Infrastrukturgesellschaft. So können wir die Bundesautobahnen in bundeseigener Verwaltung durch eine Gesellschaft privaten Rechts betreiben. Das soll ein Stück weit auch mehr unternehmerische Initiative in Bau, Planung und Betrieb der Bundesautobahnen hineinbringen.

Dem dient die Grundgesetzergänzung zur Informationstechnikinfrastruktur, damit der Bund auf informationstechnischem Gebiet wirklich eine einheitliche Software – Stichwort „Bürgerportale“ – in Bund, Ländern und Kommunen durchsetzen kann. Dazu müssen dem Bund entsprechende Zuständigkeiten zugewiesen werden. Dafür brauchen wir eine Ergänzung des Grundgesetzes.

Da ich den Verlauf der Gespräche mit den Ländern kenne, will ich gerne daran erinnern: Die bezüglich der Bund-Länder-Finanzbeziehungen getroffene Absprache war nicht nur, dass der Bund zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt, sondern auch, dass er ein paar begrenzte Kompetenzen mehr bekommt, um gesamtstaatlich für größere Effizienz zu sorgen. Daran muss festgehalten werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das gilt im Übrigen auch für die Effizienz der Steuerverwaltung. Ich will die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen. Wir werden das noch im Einzelnen beraten. In der Steuerverwaltung stehen wir dadurch vor riesigen Herausforderungen, dass die Globalisierung der Finanzmärkte, die ja eine Realität ist, dazu führt, dass nicht nur die Möglichkeiten, Steuern zu hinterziehen, sondern insbesondere die Möglichkeiten, die global tätige Unternehmen durch Nutzung der spezifischen Unterschiede steuerlicher Regelungen in den verschiedenen Jurisdiktionen dieser Welt haben, Steuerbelastungen zu vermeiden, exorbitant zunehmen, wie übrigens auch die Kreativität der Beratungsgesellschaften. Deswegen müssen wir im nationalen Bereich stärkere Möglichkeiten haben, um im Zusammenwirken der leistungsfähigen Steuerverwaltungen der Länder und des Bundes zu größerer Effizienz zu kommen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja! Richtig!)

Das gilt auch auf globaler Ebene im Bereich der G 20. Wir übernehmen Anfang Dezember die G‑20-Präsidentschaft. Ein Schwerpunkt der deutschen Präsidentschaft wird darauf liegen, so wie in den vergangenen Jahren auch, dass wir die globalen Anstrengungen zur Verhinderung von Steuervermeidung und Steuerreduzierung konsequent voranbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das allerdings ist sehr viel komplizierter, als viele meinen.

In diesem Zusammenhang will ich an die Opposition appellieren, nicht zu schnell zu große Erwartungen zu wecken. Es ist einfach, zu polemisieren und demagogische Reden zu halten. Sie erreichen damit aber nur das, was Herr Kahrs der Rede einer Kollegin zu Recht vorgeworfen hat. Man sollte nicht unrealistische Erwartungen wecken, was global zu erreichen ist, und glauben, man könne einfach einmal auf den Tisch hauen und dann erließen 200 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen entsprechende Regelungen.

(Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Das geht nicht so einfach. Es ist viel mühsamer, hier voranzukommen. Wir haben die Vorreiterrolle auf globaler Ebene, und wir werden diese während unserer Präsidentschaft noch stärker nutzen.

Ich will auch gleich hinzufügen: Genauso wichtig wird unser Bemühen sein, insbesondere nachdem das im amerikanischen Wahlkampf eine große Rolle gespielt hat – wir werden sehen, wie sich das hinterher in der Praxis darstellen wird –, mit aller Entschlossenheit daran festzuhalten, dass die Lehren aus der Finanz- und Bankenkrise nicht vergessen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich gibt es zum Teil auch Überregulierungen. Das ist immer ein Stück weit so. Aber das zentrale Anliegen, die Finanzmärkte gerade im Zeitalter der Globalisierung krisenresistenter zu machen, ist eine entscheidende Aufgabe. Auch der werden wir uns während unserer G‑20-Präsidentschaft widmen.

Bei unserer G‑20-Präsidentschaft werden wir uns im Übrigen auch darauf konzentrieren – das ist der dritte Schwerpunkt –, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft verstärkt auf Afrika zu fokussieren.

Das sind die zentralen Punkte, und all das ist wichtig.

Ich will, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit allem Ernst eine letzte Bemerkung machen. Natürlich müssen wir in Deutschland unsere Aufgaben bewältigen. Zugleich müssen wir dafür sorgen, dass auch Europa insgesamt auf einem stabilen Kurs bleibt. Die Herausforderungen sind vielfältig und groß. Einen Fehler dürfen wir dabei aber nicht machen. Es fehlt ja nicht an Solidarität; es gibt vielmehr eine große Bereitschaft der Deutschen zur Solidarität. Aber wir müssen in Europa darauf achten, dass die Leistungen, die wir erbringen, auch dazu genutzt werden, die Probleme in Europa zu lösen.

Es gibt einen internationalen Konsens, weltweit und im Übrigen auch auf europäischer Ebene, dass alle Länder durch Strukturreformen wettbewerbsfähiger werden müssen. Was wir in der Welt nicht haben, ist ein Mangel an Verschuldung. Was wir in der Welt nicht haben, ist ein Mangel an Zentralbankliquidität. Was wir in der Welt aber haben, ist ein Mangel an Wettbewerbsfähigkeit aufgrund versäumter Reformen in vielen Ländern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denjenigen, die den Menschen einreden, man könne ja noch mehr Schulden machen, sage ich: Man kann kreative Finanzpolitik betreiben, aber wenn sie nicht unterlegt ist und nicht dazu führt, dass die strukturellen Probleme beseitigt werden und sich die Situation verbessert, dann führt diese Politik nur in weiteres Elend und nicht zu größerer Stabilität in der Welt. Darüber gibt es einen internationalen Konsens.

Deswegen ist es auch Bestandteil unseres Programms für unsere G‑20-Präsidentschaft, durch konsequentes Bestehen auf richtigen Anreizen, durch Strukturreformen die Widerstandskräfte gegen mögliche krisenhafte Entwicklungen zu stärken. Da sich krisenhafte Entwicklungen überall in der Welt abzeichnen, ist das eine Priorität deutscher Politik. Auch darauf müssen wir uns konzentrieren. Das setzt im Übrigen voraus, dass wir in Deutschland leistungs- und handlungsfähig bleiben.

All dem dient dieser Haushalt. Deswegen möchte ich mich am Schluss bei allen Haushältern, bei allen Kolleginnen und Kollegen und bei den Mitarbeitern bedanken, dass wir zu so einem guten Ergebnis gekommen sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält nun der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7036128
Wahlperiode 18
Sitzung 204
Tagesordnungspunkt Haushaltsgesetz 2017 (3. Beratung)
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