25.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 204 / Tagesordnungspunkt III

Anja HajdukDIE GRÜNEN - Haushaltsgesetz 2017 (3. Beratung)

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was waren die großen Themen der letzten Haushaltswoche dieser Legislaturperiode? Ein großes Thema war mit Sicherheit – es wurde in mehreren Debatten angesprochen – die Verantwortung Europas für Afrika. Das hat die Bundeskanzlerin thematisiert, das hat der Entwicklungsminister Müller thematisiert, und auch Sie, Herr Schäuble, haben gerade noch einmal darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass wir diese Verantwortung wahrnehmen.

Dazu ist dann aber auch zu sagen: Es reicht nicht aus, im Haushalt 2017 mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit oder auch für die Humanitäre Hilfe zu haben, sondern, Herr Schäuble, es kommt auch auf Langfristigkeit an; es kommt auch auf die mittelfristige Finanzplanung an, und da tut sich in Richtung „Erfüllung der ODA-Quote“ nichts, sodass wir finden: Es ist ein Makel, dass die Finanzplanung nicht die Zielrichtung aufzeigt, nicht zeigt, wohin es zum Beispiel bei der Unterstützung Afrikas gehen soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: So hoch wie heute war die ODA-Quote noch nie!)

Vielleicht kann ich auch mal die Aufmerksamkeit des Finanzministers bekommen, wenn er das Gespräch mit seinem werten Kollegen ein anderes Mal fortsetzt. – Wenn Sie eine erfolgreiche Afrika-Politik von Europa aus gestalten wollen, dann gehört dazu, dass die EU endlich eine faire Handelspolitik betreibt,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

statt mit subventionierten Fleischprodukten die Märkte dort zu überschwemmen, was die Arbeitsperspektiven und andere Perspektiven dort beeinträchtigt und sie so dem Grunde nach nicht verbessert, sondern verschlechtert. Ich kann auch die unsägliche Fischereipolitik nennen, die die Europäische Union betreibt. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Sie müssen in Ihrem Kabinett eine kohärente Politik betreiben, damit die tief liegenden Fluchtursachen auch bekämpft werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Da reichen warme Worte in dieser Haushaltswoche nicht. – Ich sehe, Sie wollen mir da zustimmen; dann bin ich sehr zufrieden.

Es gibt in Ihrem Verantwortungsbereich noch eine Aufgabe. Dabei geht es um globale Steuerfragen. Leider haben Sie sich, hat sich die deutsche Administration in Addis Abeba nicht dafür starkgemacht, dass es eine zwischenstaatliche Kommission für globale Steuerfragen gibt. Das haben die OECD-Länder dort nicht zugestanden. Ich sage das nicht, um hier Institutionenfragen zu strapazieren, aber es muss inhaltlich eine Gesamtbesteuerung von multinationalen Konzernen erreicht werden – das ist die Aufgabe –, sodass endlich auch in Entwicklungsländern Steuern gezahlt werden. Es kann nicht sein – das ist heute noch die Situation –, dass jeder Euro, der in einem Entwicklungsland investiert wird, von einem Kapitalabfluss ins Ausland in Höhe von 2 Euro begleitet wird; denn dann kommen wir insgesamt nicht weiter.

Deswegen möchte ich Sie dazu motivieren, beim G‑20-Gipfel die Fragen der gerechten globalen Besteuerung anzusprechen. Ich hoffe, dass Deutschland dann nicht auf der Bremse steht, wenn es um eine internationale Regelung geht, die auch die Entwicklungsländer fair beteiligt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum zweiten großen Thema dieser Woche. Das war ein richtiges Streitthema. Der Streit ist gestern hier offen zutage getreten. Es geht nämlich um die richtige Unterstützung unserer Kommunen, insbesondere der finanzschwachen Kommunen. Auch die Kanzlerin, auch Herr Gabriel haben zu diesem Punkt Stellung genommen. Gestern gab es hier einen ordentlichen Streit zwischen SPD und CDU/CSU bezüglich der Zuweisung der Mittel von 5 Milliarden Euro an die Kommunen in der Zukunft. Hier geht es darum: Machen wir das nach dem Prinzip „Frau Holle“ bzw. mit der Gießkanne? Oder machen wir wirklich eine zielgenaue Förderung? Sie haben bei den 5 Milliarden Euro ein Instrument gewählt, bei dem die wirtschaftliche Stärke der Kommunen dominiert. Das heißt, die wirtschaftlich starken Kommunen profitieren mehr davon als die Kommunen, die Unterstützungsbedarf haben. Das ist widersinnig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber ist zu Recht ein Streit bei Ihnen entbrannt.

Jetzt können wir endlich einmal über den zentralen Schwachpunkt Ihrer Politik reden, nämlich dass Sie die Einigung zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzen immer ins Hinterzimmer verlagern und dort mit Kanzlerin, Vizekanzler, Finanzminister und den Ministerpräsidenten alles zu Ende verhandeln wollen. Das führt dann dazu, dass wir jetzt einen Schlüssel für die Zuweisung der Mittel an die Kommunen haben, von dem Sie und die Kanzlerin allen Ernstes sagen: Wir können im Bundestag nichts anderes beschließen als das, wozu die Ministerpräsidenten Ja sagen. – Das ist ein Armutszeugnis für den Haushaltsausschuss und ein Armutszeugnis für den Bundestag, dass wir uns in diesem Verhandlungssetting immer fertige Ergebnisse vorsetzen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass diese Ergebnisse nicht befriedigend sind, haben Sie hier gestern – sowohl die CDU/CSU als auch die SPD – eingeräumt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich Ihnen: Wenn wir jetzt über die Bund-Länder-Finanzen weiter diskutieren – Sie haben gerade die Punkte angesprochen; ich weiß, Herr Rehberg ist da immer sehr scharf hinterher –, wenn Sie wollen, dass die finanzschwachen Kommunen mit dem neuen Kommunalinvestitionsförderungsfonds gezielt gefördert werden – das sind die zusätzlichen 3,5 Milliarden Euro –, wenn Sie wollen, dass es auch für uns Kontrollrechte gibt, und wenn Sie wollen, dass der Zuweisungsschlüssel so ist, dass nicht vor allen Dingen die wirtschaftsstarken Kommunen die Gelder bekommen, sondern die finanzschwachen Kommunen, in denen die Arbeitslosigkeit hoch ist und die hohe Kassenkredite zu bedienen haben – das sehe ich nicht ganz so kritisch wie der Kollege Rehberg –, dann ist die Reihenfolge richtig, dies erst im Bundestag zu diskutieren und zu beschließen und sich nicht wieder ein fertiges Ergebnis der Ministerpräsidentenkonferenz vorsetzen zu lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD])

Wenn Sie mir hier in die Hand versprechen können, dass Sie uns die Chance geben, darüber zu entscheiden, dann wären wir schon ein ganzes Stück weiter.

(Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: Ja!)

Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben ein Anrecht darauf, dass die verschiedenen Ebenen – Kommunen, Land und Bund – mit Geld anständig ausgestattet sind. Die kann man nicht darauf verweisen, dass es irgendeine Streiterei auf Ministerpräsidentenebene gegeben hat mit dem absurden Ergebnis, dass die jetzt schon Starken mehr Geld bekommen. Da müssen Sie nachsteuern. Wir werden Sie in diese Richtung jedenfalls ordentlich treiben.

Schönen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Dann müssen die Länder an der Haushaltsdebatte auch mal teilnehmen!)

Das Wort erhält nun die Kollegin Kerstin Radomski für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7036134
Wahlperiode 18
Sitzung 204
Tagesordnungspunkt Haushaltsgesetz 2017 (3. Beratung)
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