01.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 206 / Tagesordnungspunkt 3

Katja MastSPD - Bundesteilhabegesetz

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute werden wir mit dem Bundesteilhabegesetz die größte Sozialreform seit Inkrafttreten des SGB IX vor 15 Jahren verabschieden.

Ich will zu meiner Vorrednerin, Frau Göring-Eckardt, zwei Dinge sagen. Erstens finde ich es unredlich, wenn Sie den Hauptteil Ihrer Redezeit darauf verwenden, wie das bestehende Gesetz die Dinge regelt, und nicht darauf eingehen, was wir an Verbesserungen auf den Weg bringen oder was für ein Gesetz wir heute überhaupt verabschieden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zweitens will ich Ihren Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg zitieren, der eine Politik der Beteiligung macht

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

und der immer wieder Wert darauf legt, dass es eine „Politik des Gehörtwerdens“, aber nicht des Erhörtwerdens ist.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht, dass man gar nichts macht, Frau Mast!)

Und Sie suggerieren: Wenn man mit Menschen spricht, übernimmt man automatisch ihre Interessen. – Das ist falsch; das tut der Demokratie nicht gut, und das tut uns allen hier nicht gut.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Bundesteilhabegesetz ist ein kompliziertes Gesetz; es ist kein einfaches Gesetz. Und, ja, es betrifft das Leben vieler Menschen mit Behinderung und ihrer Familien. Wir machen ihr Leben besser. Wir sorgen für einen Perspektivwechsel, weg vom Fürsorgesystem der Sozialhilfe, hin zum Teilhabesystem mit Nachsorgeausgleich im SGB IX. Das wollen wir als Koalition gemeinsam.

(Beifall bei der SPD)

Ich will etwas zu Dietmar Bartsch sagen, der hier als Fraktionsvorsitzender geredet hat, aber leider gehen musste, was ich wirklich bedauere. Wer austeilt, muss auch bis zum Schluss zuhören. Nur dann nimmt man die Menschen mit Behinderung ernst.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will sagen: Dieses Gesetz ist kein Spargesetz. Wir nehmen 800 Millionen Euro Jahr für Jahr in die Hand, um das Leben der Menschen mit Behinderung und ihrer Familien zu verbessern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ute Bertram [CDU/CSU])

Da verschwindet, anders als Dietmar Bartsch suggeriert hat, kein Euro im System, sondern wir sorgen für echte Verbesserungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich möchte gern anhand dreier Punkte diese Verbesserungen darstellen:

Erstens. Wir führen das Budget für Arbeit ein; Andrea Nahles hat dazu alles ausgeführt. Das hilft den Menschen in den Werkstätten beim Schritt in den ersten Arbeitsmarkt.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 300 000 in den Werkstätten! 300 000!)

Sie können in den Schutz zurückkehren, wenn es nicht klappt.

Zweitens. Teilhabe an Bildung ist mir besonders wichtig, weil sie Aufstieg bedeutet, auch für die Menschen mit Behinderung. Wir regeln künftig den Übergang auf die weiterführende Schule, wir regeln, dass nach dem Bachelor der Masterstudiengang folgen kann, und wir regeln berufliche Weiterbildungen für Menschen mit Behinderung. In Zeiten der Digitalisierung ist das nicht trivial, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])

Drittens. Dadurch, dass mehr vom Einkommen und Vermögen behalten werden kann, aber vor allen Dingen, weil das Partnereinkommen nicht mehr bei den Leistungen angerechnet werden kann,

(Beifall bei der SPD)

können Menschen mit Behinderung ohne Zwang heiraten, und das ist gut für sie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bernd Rützel [SPD]: Jawohl, genau! Sehr gut!)

Ich will noch einmal betonen: Niemand will mit diesem Gesetz Leistungseinschränkungen oder -ausdehnungen erreichen – niemand in diesem Haus, niemand in der Koalition. Wir haben gemeinsam beschlossen, auf die große Kritik einzugehen: Die einen, diejenigen, die die Eingliederungshilfe bezahlen müssen, sagten, das Gesetz führe zu einer Leistungsausdehnung; die anderen, die Menschen mit Behinderung, sagten, es handele sich um eine Leistungseinschränkung. Deshalb haben wir gesagt: Wir nehmen den § 99 noch einmal mutig in die Hand und werden dafür sorgen, dass die neuen Zugangskriterien bei der Eingliederungshilfe nach einer Überprüfung erst 2023 in Kraft treten, und diese neuen Zugangskriterien müssen noch einmal durch Bundestag und Bundesrat. – Auch das war den Bundesländern wichtig. Ich glaube, es ist ein wichtiges Zeichen für alle Beteiligten, dass wir beim Zugang zur Eingliederungshilfe – gut Ding will Weile haben – Ruhe hineinbringen.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss kommend, will ich sagen: Ich finde es gut, dass sich die Menschen mit Behinderung im Prozess zum Bundesteilhabegesetz zu Beteiligten und Akteuren in der Politik weiterentwickelt haben. Es war gut, dass wir gespürt haben, sie wollen bestimmte Dinge nicht; es war gut, dass sie ihre Interessen vertreten haben. Sie sind mitten in der Gesellschaft; da gehören sie hin. Aber es ist auch gut, dass wir mit unseren Änderungsanträgen dokumentieren: Parlamentarismus, Demokratie und Föderalismus funktionieren. Wir nehmen nicht nur die Punkte der Menschen mit Behinderung auf, sondern auch all das, was wir von den Experten in den Anhörungen im Prozess gemeinsam gelernt haben. Ich will sagen: Es war ein guter Prozess zwischen den Koalitionsfraktionen, in dem es gelungen ist, zehn Monate vor einer Bundestagswahl 68 substanzielle Änderungsanträge zusammen hinzubekommen. Das ist nicht trivial, das ist eine Riesenleistung in unserer Demokratie.

(Thomas Oppermann [SPD]: Ja! Finde ich auch!)

Ich bin allen Beteiligten, allen Abgeordneten, Andrea Nahles und Gabriele Lösekrug-Möller dankbar für diesen hervorragenden Prozess. Ich will auch sagen: Ich bin den Bundesländern dankbar dafür, dass sie den Prozess gut begleitet haben. Das brauchen wir.

Und ich wäre jetzt dankbar, wenn Sie zum Schluss kommen, Frau Kollegin Mast.

Vielen Dank. – Denn die Menschen mit Behinderung gehören mitten in unsere Gesellschaft. Dieses Gesetz verbessert ihr Leben substanziell. Dieses Gesetz ist nicht nur ein Meilenstein. Mit diesem Gesetz legen wir viele Meilensteine in Richtung Teilhabe mitten in der Gesellschaft.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächste Rednerin ist Katrin Werner, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7038466
Wahlperiode 18
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Bundesteilhabegesetz
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