Astrid FreudensteinCDU/CSU - Bundesteilhabegesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen! Meine Herren! Jetzt ist er also fertig, der Entwurf des Bundesteilhabegesetzes. Er hat für heftige Diskussionen gesorgt und sorgt offenbar immer noch dafür. Er hat für manchen Ärger gesorgt, für viel Briefverkehr, für viel Arbeit. Er hat einen ziemlich sperrigen und nicht besonders eleganten Namen, aber das ist bei Gesetzen ja öfter so. Er ist kompliziert und sehr umfangreich. Aber jetzt steht er zur Verabschiedung an, und ich sage aus voller Überzeugung: Das Bundesteilhabegesetz ist ein gutes Gesetz.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich finde interessant, was in den vergangenen Monaten deutlich geworden ist. Frau Kollegin Göring-Eckardt, weil Sie einiges angeprangert haben, möchte ich ein paar Beispiele nennen, die den Unterschied zwischen Ihren Reden und Ihrem Handeln zeigen: Im Bundesrat hat der Freistaat Bayern einen Antrag gestellt, Assistenzleistungen generell von der Zustimmung des Betroffenen abhängig zu machen. Der Antrag wurde abgelehnt mit den Stimmen von sieben Ländern. In sechs dieser sieben Länder regieren die Grünen mit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Hört! Hört!)
Der Freistaat Bayern hat im Bundesrat einen Antrag gestellt, einen zeitlichen Horizont für die völlige Freistellung von Einkommen und Vermögen zu erstellen. Der Antrag wurde mit den Stimmen von sieben Bundesländern abgelehnt. In sechs dieser sieben Bundesländer regieren die Grünen mit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)
So viel zu Ihrem Handeln, zu Ihrem Tun. Ihre konstruktiven Beiträge im Gesetzgebungsverfahren zu diesem Bundesteilhabegesetz waren überschaubar.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber viele haben sehr konstruktiv mitgewirkt. Bei denen möchte ich mich heute als Berichterstatterin der Unionsfraktion ausdrücklich bedanken. Ich möchte mich bedanken bei allen Kollegen und Mitarbeitern aus dem Bundestag, aus meiner Landesgruppe, aus der Unionsfraktion und aus der SPD. Ich möchte mich beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales bedanken: Das war ein wahrer Kraftakt! Ich möchte mich bei den vielen Verbänden bedanken, die sich konstruktiv in dieses Verfahren eingebracht haben, und bei vielen einzelnen Betroffenen, die uns rückgemeldet haben, wo es hakt.
Ich habe schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfs meine Bedenken zum Ausdruck gebracht. Die 68 Änderungsanträge, die wir erarbeitet haben, begegnen nicht nur meinen Bedenken, sondern auch vielen Befürchtungen und Ängsten von Betroffenen. Da war zum einen die viel diskutierte Fünf-aus-neun-Regelung. Sie hat große Ängste ausgelöst, dass manche Menschen keinen Zugang zur Eingliederungshilfe mehr erhalten. Ich habe schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfs gesagt: Auch in Zukunft muss jeder, der Eingliederungshilfe braucht, diese Eingliederungshilfe auch bekommen. – Das wird auch der Fall sein. Wir haben die umstrittene Fünf-aus-neun- oder Drei-aus-neun-Regelung aus dem Gesetzentwurf genommen – das war auch mir persönlich ein wichtiges Anliegen –, nicht, weil wir wissen, dass sie garantiert nicht funktioniert, sondern weil das Misstrauen so groß war. Wir bleiben jetzt erst einmal bei der alten Definition und lassen eine neue Definition erarbeiten. Dafür haben wir Zeit bis 2023. Das ist gut so.
Wir haben bei der Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege nachjustiert. Das ist ein zweiter ganz wichtiger Punkt. Viele Menschen hatten Angst, in Zukunft nur noch Pflegeleistungen zu bekommen. Das war ausdrücklich nicht die Absicht des Gesetzgebers. Wir bleiben bei der heutigen Regelung des Gleichrangs. Das ist gesetzgeberisch etwas unbefriedigend, weil wir die Probleme im Bereich der Schnittstelle nicht lösen, aber wir kommen damit einer Kernforderung der Verbände nach.
Wir haben uns Gedanken über den Pflegekostendeckel in § 43a SGB XI gemacht. Wir stellen sicher, dass es keine Ausweitung auf ambulante Wohnformen geben wird. Wir halten also den Status quo. Es wird aber Aufgabe des neuen Parlaments sein, sich darüber Gedanken zu machen, ob dieser Paragraf heute noch seine Berechtigung hat. Ich persönlich meine, er hat es nicht. Die Schnittstelle der Eingliederungshilfe zur Hilfe zur Pflege haben wir behandelt und einen Vorschlag aus dem Bundesrat aufgegriffen: das Lebenslagenmodell. Kommt also die Hilfe zur Pflege mit der Eingliederungshilfe zusammen, dann profitieren die Menschen, bei denen die Behinderung bis zur Regelaltersgrenze eintritt, von den neuen Anrechnungsmodalitäten. Das ist ein guter Fortschritt.
Ich hatte bereits in der ersten Lesung hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen und Vermögen betont, wie sehr all jene von diesem Gesetz profitieren, die trotz Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt ganz ordentlich verdienen. Diese Verbesserungen sind sehr groß. Mir persönlich war es immer ein Anliegen, dass diejenigen profitieren, die in Werkstätten beschäftigt sind, die nicht komplett für sich selbst sorgen können. Das halte ich für einen der größten Erfolge dieses Gesetzes. Wir verdoppeln das Arbeitsförderungsgeld für die rund 300 000 Werkstattbeschäftigten in Deutschland, und wir verdoppeln den Schonbetrag für Empfänger von Grundsicherung nach dem SGB XII.
Wir haben beim Wunsch- und Wahlrecht nachjustiert. Wenn es um sehr private Bereiche geht, dürfen Leistungen nur noch mit der Zustimmung des Betroffenen gepoolt werden. Wer außerhalb stationärer Einrichtungen wohnen will, der wird in seinen Rechten maßgeblich gestärkt. Der CSU und auch mir persönlich war es ein Bedürfnis, dass die besonders Schutzbedürftigen auch künftig über einen Barbetrag verfügen. Das wird mit diesem Gesetz sichergestellt.
Ich meine, dass dieser Gesetzgebungsprozess manche in die Wirklichkeit zurückgeholt hat. Manche hatten sich ja zu Beginn der Debatte eine Revolution auf die Fahnen geschrieben. Heftig wurde aus der Opposition gegen die Sonderwelten der Werkstätten gewettert. Mitunter wurde deren Abschaffung gefordert. Solche Kritik gab es auch von den Grünen. Ich bin froh, dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man Menschen mit Ideologien nicht helfen kann, dass Inklusion keine Revolution, sondern ein Prozess ist und dass es immer auch Menschen gibt und geben wird, die Schutzräume brauchen und unserer Fürsorge bedürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben mit dem Bundesteilhabegesetz ein gutes Gesetz geschaffen, weil es der Individualität der Menschen gerecht wird, weil es denen mehr Selbstbestimmung gibt, die mehr Selbstbestimmung brauchen, und weil es denen Schutz gewährt, die Schutz brauchen. Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die in den vergangenen Monaten nicht konstruktiv diskutiert und protestiert haben, sondern all ihre Energie darauf verwandt haben, Angst und Aggression zu schüren – ich spreche Sie von den Linken hier ausdrücklich an –,
(Zurufe von der SPD: Grüne auch!)
diesen Schaden wieder in Ordnung bringen. Ich würde mir wünschen, dass die Einrichtungen und Sozialverwaltungen manche Beharrungstendenzen überwinden und dieses Gesetz beherzt aufgreifen und umsetzen. Ich würde mir wünschen, dass die Politik den Weg weitergeht, jeden Menschen mit oder ohne Behinderung den Platz finden zu lassen, den er für sich finden will.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Corinna Rüffer das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7038469 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Bundesteilhabegesetz |