Carola ReimannSPD - Bundesteilhabegesetz
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine Gesellschaft, die behinderte Menschen aller Art nicht als natürlichen Teil ihrer selbst zu achten und zu behandeln weiß, spricht sich selbst das Urteil.
Diese Worte sind ein Zitat unseres dritten Bundespräsidenten, Gustav Heinemann, aus dem Jahr 1969. Es stammt aus einer Zeit, in der Familien ihre behinderten Kinder nicht selten vor der Öffentlichkeit versteckt haben, in der es als Schande angesehen wurde, nicht so zu sein wie andere, „normale“. Es stammt aus einer Zeit, als die Gesellschaft sich in vielen Bereichen aufgemacht hat, ihr Leben neu zu gestalten. Erinnern wir uns: Erst seit 1977 dürfen Frauen in Deutschland gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben.
Die Gesellschaft zu verändern, dauert. Wir als Gesetzgeber können wichtige Rahmen setzen. Das Bundesteilhabegesetz ist so ein wichtiger Rahmen. Es wird von uns allen einen neuen Blick auf Menschen mit Behinderungen verlangen: weg davon, zu schauen, was das behinderte Kind des Nachbarn alles nicht kann, hin dazu, zu sehen, was dieses Kind doch alles kann, welche Stärken und Fähigkeiten es hat, und hin dazu, zu erkennen, was wir tun können, damit es besser teilhaben kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Bundesteilhabegesetz muss gelebt werden. Dazu braucht es bei allen Beteiligten größtmögliche Akzeptanz. Daher war das umfangreiche Beteiligungsverfahren der Betroffenen im Vorfeld der Gesetzgebung ebenso notwendig wie vorbildlich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dadurch ist für alle erstmalig offenkundig und auch nachzulesen, welche Herausforderungen noch vor uns liegen, bis eine inklusive Gesellschaft erreicht ist.
Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich an dieser Stelle bei unserer Parlamentarischen Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller ganz herzlich bedanken.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Sie ist die gute Seele dieses Gesetzes. Gabriele, ohne dein Engagement, deine Beharrlichkeit und deine kluge, vermittelnde Art wären wir jetzt nicht an diesem Wendepunkt der Behindertenpolitik.
Ich habe vorhin von einem neuen Blick gesprochen. Dieser neue Blick hat auch die umfangreichen Verhandlungen mit der Union geprägt. Das lösungsorientierte Klima dieser Gespräche war bemerkenswert. Ich denke, jedem von uns war bewusst, dass jetzt der entscheidende Schritt gelingen muss. Das ist sicherlich dem Beteiligungsverfahren und den beharrlichen Hinweisen der Betroffenenverbände darauf zu verdanken, wo noch eine Nachsteuerung nötig war.
Kollegin Rüffer, es ist immer gut, mehr zu wollen. Aber es ist schäbig, das Erreichte schlechtzureden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Den Ländern, in denen Sie mitregieren und Mitverantwortung tragen, muss das wie ein Schlag ins Gesicht erscheinen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir hatten versprochen, dass der Zugang zur Eingliederungshilfe nicht eingeschränkt wird. Das haben wir gehalten und werden wir halten. Der jetzt vorgesehene Weg ist beispiellos. Es wird 2017 eine wissenschaftliche Untersuchung geben. Mit dem Bericht über die Ergebnisse wird sich der Deutsche Bundestag 2018 wieder befassen. Auf dieser Basis werden in allen Bundesländern Modellvorhaben umgesetzt. Die Ergebnisse werden dann wieder dem Bundestag und dem Bundesrat vorgelegt, um dann noch vor 2023 eine abschließende Entscheidung zu treffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es schon in der ersten Lesung gesagt: Auch beim Bundesteilhabegesetz gilt das Struck’sche Gesetz. Die jetzt vorgelegten Änderungsvorschläge belegen dies in aller Deutlichkeit. Wir haben mit der Regierung sehr substanzielle Änderungen vorgenommen. Diese werden dazu beitragen, dass sich das Parlament auch in den nächsten beiden Wahlperioden intensiv mit der Verwirklichung von Teilhabe für behinderte Menschen auseinandersetzen wird. Der heutige Tag ist damit nur ein weiterer, wenn auch ein sehr wichtiger Tag auf dem Weg in Richtung Inklusion.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Uwe Schummer.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7038474 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Bundesteilhabegesetz |