01.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 206 / Tagesordnungspunkt 4

Karl LauterbachSPD - Drittes Pflegestärkungsgesetz

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Wir haben in dieser Legislaturperiode in den Bereichen Gesundheit und Rente nach meiner Rechnung bereits 18 Gesetze beschlossen, davon 3 im Bereich Pflege.

In der Pflege haben wir wichtige Verbesserungen erreichen können, auf die wir aus meiner Sicht stolz sein können. Ich danke allen, die teilgenommen haben, und will kurz in Erinnerung rufen, was wir gemacht haben, sodass man das Gesamtbild sieht:

Wir haben mit dem Pflegestärkungsgesetz I die Zahl der Betreuungskräfte in den Pflegeeinrichtungen deutlich erhöht. Ohne Betreuungskräfte kann man selbst bei bester Pflege in einer Pflegeeinrichtung traurig und allein sein. Das gilt insbesondere für diejenigen, die keine Anverwandten haben. Das heißt, den Wert der Betreuungskräfte, die sich um die Betroffenen kümmern, die mit ihnen mal einen kleinen Spaziergang im Park machen oder schlicht und ergreifend mal ein Spiel mit ihnen spielen, darf man nicht unterschätzen. Wir haben zwischen 25 000 und 30 000 zusätzliche Stellen für Betreuungskräfte geschaffen. Das war aus meiner Sicht eine wichtige Initiative zur Vermenschlichung der Pflege.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Zweiten. Mit dem Pflegestärkungsgesetz II haben wir den massiven systematischen Nachteil von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder mit Einschränkungen hinsichtlich der Art und Weise, wie sie die Umwelt wahrnehmen, beseitigt. Wir hätten ohne diese Maßnahme, ohne die Einführung der neuen Pflegegrade in Zukunft eine massive Zweiklassenversorgung bekommen, nicht mit Blick auf den Unterschied zwischen privat und gesetzlich Versicherten, den Sie, Frau Kollegin, zu Recht beklagen, sondern wir hätten massive Unterschiede zwischen denjenigen, die diese Einschränkungen haben, und denjenigen, die sie nicht haben.

Wenn ich diejenigen, die diese Einschränkungen haben, und diejenigen, die sie nicht haben, in dieselbe Pflegestufe einteile und für die Pflege das gleiche Geld gebe, statt unterschiedliche Pflegegrade zu wählen, dann bringt die Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung – das sind diejenigen, die hohe Kosten verursachen – für die Einrichtungen ein Verlustrisiko mit sich, weil ihre Versorgung mit dem gleichen Beitrag abgedeckt wird wie die Versorgung der Menschen ohne psychische Erkrankung. Wir hätten in der Pflege eine Zweiklassenmedizin gehabt, einen Unterschied zwischen denjenigen, die eingeschränkt sind, und denjenigen, die nicht eingeschränkt sind. Das konnten wir abwenden, indem wir bei den Pflegegraden genau diese Unterscheidung getroffen haben.

Das war aus meiner Sicht eine wichtige Initiative, um mit einem Problem umzugehen, das sich jetzt anbahnt. Denn wir stellen fest, dass bei den Menschen, die jetzt neu pflegebedürftig sind, 80 Prozent eine kognitive Einschränkung im Sinne einer Vorstufe der Demenz oder bereits eine Demenz haben. Das war nicht abgebildet. Von daher war das auch aus meiner Sicht ein wesentlicher Erfolg, ein wichtiger Schritt nach vorne.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben in der Pflege Planungsprobleme. Diese Planungsprobleme werden an Bedeutung gewinnen. Denn es gelingt uns seit 2011 nicht mehr, die notwendigen Pflegekräfte zu gewinnen, die wir benötigen. Wir könnten sie sogar bezahlen. Seit 2011 haben wir einen sich aufbauenden Bedarf. Es gibt immer mehr Stellen, die wir besetzen wollen, aber nicht besetzen können. Uns fehlen die Pflegekräfte, und zwar bereits seit einigen Jahren. Langfristig gibt es weniger Betreuung durch Angehörige. Bisher werden zwei Drittel der zu Pflegenden zu Hause betreut. Das könnte ein riesiges Problem werden.

Darum brauchen wir nicht nur eine Stärkung der Finanzierungsbasis der Pflegeversicherung, wie wir sie in dieser Legislaturperiode in den entsprechenden drei Gesetzen beschlossen haben – insgesamt 6 Milliarden Euro mehr für die Pflegeversicherung; das ist ein Aufwuchs von 23 Prozent in einer Legislaturperiode –, sondern wir brauchen auch bessere Arbeitsbedingungen. Diese besseren Arbeitsbedingungen können wir nur erreichen, wenn nach Tarif bezahlt wird. Wir haben bereits erreicht, dass die tarifliche Bezahlung von Pflegekräften bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht gegen die Einrichtung verwendet werden kann. Das Gleiche konnte auch schon bei kirchlichen Trägerschaften erreicht werden. Wir haben dies jetzt zusätzlich für diejenigen erreicht, die gar nicht tariflich gebunden sind. Das sind in den neuen Bundesländern zwei Drittel der Beschäftigten. Zwei Drittel der Beschäftigten werden nicht nach Tarif bezahlt. Wir konnten jetzt erreichen, dass eine Bezahlung bis zum Tarif nicht genutzt werden kann, um einer Einrichtung Unwirtschaftlichkeit vorzuwerfen. Das halte ich für einen großen Schritt nach vorne.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich weiß, dass das dem einen oder anderen in der Unionsfraktion nicht so leicht gefallen ist. Sie haben es trotzdem mitgetragen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bedanken.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Herr Fuchs ist jetzt nicht da! – Erwin Rüddel [CDU/CSU]: Wir haben es erfunden!)

Die Kommunen müssen bei der Planung der Pflege stärker berücksichtigt werden. Das ist mein letzter Punkt; ich bitte noch einmal kurz um Ihre Aufmerksamkeit. Wir wissen, in den skandinavischen Ländern haben die Kommunen eine viel aktivere Rolle bei der Pflegeplanung. Wenn jetzt hier in Deutschland Pflegedienste dichtmachen, weil die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist, weil der Bedarf nicht gedeckt werden kann, dann gibt es keine kommunale Planung für die Pflege. Wir haben diese kommunale Planung nicht nur finanziell gestärkt und möglich gemacht, sondern wir haben auch die Kostenträger, also die Pflegekassen, und die Einrichtungen verpflichtet, an den Planungsgesprächen teilzunehmen und die Ergebnisse bei den Verhandlungen zu den entsprechenden Pflegeverträgen zu berücksichtigen. Das ist für denjenigen, der damit nicht jeden Tag beschäftigt ist, eine technische Kleinigkeit.

Herr Kollege, mit dieser technischen Kleinigkeit müssen Sie jetzt zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin – Ich bestreite, dass es eine technische Kleinigkeit ist.

Sie haben es gesagt.

Ich komme zum Abschluss. – Das war ja gerade mein Punkt. Es handelt sich nicht um eine technische Kleinigkeit, sondern es handelt sich um eine wesentliche Stärkung der Kommunen bei der Pflegeplanung und bei der zukünftigen Bedarfsdeckung.

Ich danke für die Geduld und auch für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nachdem wir es jetzt noch einmal erläutert bekommen haben – die Ironie hinsichtlich der technischen Kleinigkeit hat, glaube ich, jeder verstanden –, kommen wir zur nächsten Rednerin. Elisabeth Scharfenberg hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7038503
Wahlperiode 18
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Drittes Pflegestärkungsgesetz
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