Peter WeißCDU/CSU - Rentenniveau
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestern hat das Bundeskabinett den Rentenversicherungsbericht 2016 beschlossen. Es ist etwas geschehen, was in den Voraussagen der letzten Jahre nicht enthalten war und was völlig dem widerspricht, was die Linke vorträgt, dass es nämlich einen tiefen Absturz des Rentenniveaus geben werde: Das Rentenniveau ist in diesem Jahr gestiegen. Das Rentenniveau wird voraussichtlich auch im kommenden Jahr steigen, und es wird über mehrere Jahre auf einem hohen Niveau bleiben.
Warum widerspricht diese Nachricht allem was bisher gesagt wurde? Weil die gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und vor allem die zunehmende Anzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse – jeden Monat mehr als im Vormonat – dazu führen, dass nicht nur genügend Geld in die Rentenversicherung fließt, sondern dass das Rentenniveau sogar steigt. Das ist die eigentliche positive Nachricht, die allem widerspricht, was die Linken hier vortragen. Mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung – das ist das Entscheidende – und mit mehr sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung wird die Rente stabilisiert. Das ist das Kernanliegen. Dafür stehen wir, die Große Koalition mit Angela Merkel.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])
Wir wollen durch gutes Wirtschaften und durch gute Beschäftigungspolitik auch in Zukunft für eine sichere Rente in Deutschland sorgen.
Ein weiterer Punkt. Wenn man unbedingt schon jetzt eine rentenpolitische Bilanz der Großen Koalition, mehrere Monate vor der Bundestagswahl, ziehen will, dann muss man feststellen, dass wir mit dem Rentenpaket zu Beginn dieser Legislaturperiode
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rentenkasse geschwächt haben!)
zum ersten Mal seit 30 Jahren im Deutschen Bundestag konkret finanziell spürbare Verbesserungen für die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland geschaffen haben. Diese Große Koalition hat das hinbekommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Da waren wir nicht knauserig, sondern wir haben zum Leidwesen mancher mehr Geld bereitgestellt, zuallererst mit der Mütterrente. Sie beschert uns zwar 6,7 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben im Jahr,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, aus der Rentenkasse, aus Steuergeldern finanziert! – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Absolut richtige Entscheidung!)
bedeutet aber für die Mütter, die Kinder großgezogen haben, eine großartige, zusätzliche Hilfe, wenn sie Rentnerinnen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun kann man, so wie es der Kollege Birkwald gemacht hat, erzählen: Wenn ich mehr in die Rente einzahle, ist mehr in der Rentenkasse. Dann erwerbe ich als Beitragszahler einen Anspruch auf eine höhere künftige Rente. – Gut, das ist das System der Rentenversicherung,
(Beifall des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
wie es mit der dynamischen Rente 1957 von Konrad Adenauer zu Recht eingeführt worden ist und wie es auch weiter Bestand haben soll. Aber Herr Birkwald und auch andere der Linken beantworten uns nie die Frage, wie denn diese Zusage eingehalten wird, dass jeder von uns und von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, die Sie zuhören, dann, wenn er mehr in die Rentenkasse einzahlt, hinterher, wenn er in Rente geht, auch tatsächlich mehr bekommt, dass also die junge Generation diesen Rentenanspruch einlösen wird. Das ist doch die entscheidende Frage.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der LINKEN)
Es war übrigens Norbert Blüm, der sich als erster Arbeits- und Sozialminister in Deutschland durch Prognos in einem Gutachten hat ausrechnen lassen, was es bedeuten würde, wenn am Rentenrecht gar nichts geändert würde, und was es darüber hinaus bedeuten würde, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gingen, die Jahrgänge, die also jetzt noch im Arbeitsleben sind, während nach ihnen relativ wenig junge Menschen ins Arbeitsleben eintreten werden. Dabei kamen Rentenversicherungsbeiträge von deutlich über 30 Prozent heraus.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben Sie schon einmal etwas von Produktivitätsentwicklung gehört?)
Sie müssen sich das vorstellen: Der Rentenversicherungsbeitrag steigt auf 30 Prozent, ein hoher Krankenversicherungsbeitrag, ein hoher Pflegeversicherungsbeitrag und – mit einem steigenden Rentenversicherungsbeitrag steigt auch der Zuschuss aus Steuern – hohe Steuern. Was werden die jungen Leute, die eines Tages dank linker Politik vor diesem Ergebnis stehen, sagen? Sie werden sagen: Entschuldigung, bei dieser Steuer- und Abgabenbelastung lohnt sich Arbeiten schlichtweg nicht mehr.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])
Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Frage oder Bemerkung von Herrn Matthias W. Birkwald?
Ja. Er muss ja seine Redezeit verlängern. Bitte sehr.
Das ist jetzt aber Ihre Redezeit. – Also, Herr Birkwald, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie das klargestellt haben. Das verlängert die Redezeit von Herrn Weiß.
Herr Weiß, ich hätte mich nicht gemeldet, wenn Sie nicht gerade sozusagen nach der Zwischenfrage gegiert hätten. Ich will Ihnen einmal Folgendes erläutern: In Ihren Beiträgen kommen die Begriffe Wirtschaftswachstum und Produktivitätsfortschritt niemals vor.
Jetzt machen wir das einmal ganz konkret; denn ich ahnte schon, dass Sie so etwas sagen würden. Im Jahr 1960 betrug der Durchschnittsverdienst umgerechnet 260 Euro. Damals hatten wir einen Beitragssatz von insgesamt 14 Prozent, also je 7 Prozent für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Beitrag zur Rentenversicherung betrug 18,20 Euro. Wenn man die von dem damaligen Gehalt abzieht, blieben 241,80 Euro übrig.
Jetzt machen wir zwei Schritte: 2016 sind bei einem Gehalt von 3 022 Euro brutto und einem Beitragssatz von 9,35 Prozent 283 Euro als Beitrag zu zahlen. Übrig bleiben 2 739 Euro.
Jetzt gehen wir ins Jahr 2030. Dann wird das Durchschnittseinkommen 4 502 Euro betragen. Wenn man dann einen Beitragssatz von 29 Prozent paritätisch finanziert, bleiben 3 849 Euro übrig.
Anders ausgedrückt: Der Kuchen wächst, und selbst wenn die Beitragssätze steigen, bleibt hinterher für die Beschäftigten wesentlich mehr übrig. Für die Finanzierung brauchen wir nur die Rückkehr zur Parität, dass sich die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber endlich wieder vollständig paritätisch an der Finanzierung der Alterssicherung beteiligen.
(Beifall bei der LINKEN – Sven Volmering [CDU/CSU]: Das ist Quatsch!)
Herr Weiß, bitte.
Herr Kollege Birkwald, Norbert Blüm, seine Nachfolger und auch diejenigen, die den Rentenversicherungsbericht erstellen, haben all das, was Sie vortragen – Produktivitätssteigerungen, Wirtschaftswachstum und Zuwanderung nach Deutschland –, bereits mit eingepreist. Deswegen, Entschuldigung, stimmen Ihre Beispiele alle nicht. Dass auch die Lebenserhaltungskosten steigen usw. usf., kommt bei Ihnen gar nicht vor.
(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Genau!)
Es ist doch selbstverständlich: Jeder Arbeitnehmer heute und genauso in 10, 20 oder 30 Jahren wird die Frage „Ist das, was ich als Lohn verdiene, ausreichend?“ danach beantworten, was ihm nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge übrig bleibt. So wie mich heute junge Leute fragen, die gerade einen neuen Job angetreten haben, ob es richtig ist, dass sie auf jeden Euro, den sie mehr verdienen, so hohe zusätzliche Steuern und Abgaben zahlen, werden auch die jungen Leute in 10, 20 oder 30 Jahren dieselbe Frage stellen. Auf diese Frage können Sie aber keine Antwort geben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Habe ich ja gerade gemacht! Darauf gehen Sie ja nicht ein!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, richtig ist, dass 2001 unter rot-grüner Verantwortung – es war nicht unter der Verantwortung der CDU/CSU – eine Gesetzesreform beschlossen worden ist, die schlichtweg so aussieht, dass sie den jungen Leuten eine Garantie gibt, was die Höhe des Beitrags anbelangt. Bis 2030 darf der Beitrag nicht über 22 Prozent steigen. Wenn man das einhalten will, ist es logisch – das ist einfache Mathematik –, dass das Rentenniveau ein bisschen niedriger ist.
Der Fehler von 2001 ist, dass man nur bis 2030 gerechnet hat. Deswegen möchte ich betonen: Auch aus meiner Sicht ist es dringend notwendig, dass wir als Gesetzgeber auf die Zukunft hin eine klare Festlegung treffen, welches Mindestrentenniveau erreicht werden muss und wo der Höchstbeitrag liegt, der eines Tages für die Rente gezahlt werden soll. Denn die junge Generation fragt zu Recht: Lohnt es sich für mich, noch in dieses System einzuzahlen?
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bei Ihrer Politik nicht!)
Deswegen werden wir nicht umhinkommen, gemeinsam eine solche Festlegung zu treffen. Aber in einer Situation wie zurzeit, in der wir es mit einem steigenden Rentenniveau zu tun haben, ist es verrückt, die Menschen schalu zu machen. Zum anderen haben wir die Zeit, um in Ruhe eine solche Gesetzgebung hinzubekommen, die ich für notwendig halte.
Wir brauchen Mindestsicherungsziele in der Rentenversicherung, sowohl was das Niveau als auch was den Beitrag anbelangt, aber wir können froh sein, dass wir in einer Zeit leben, in der dank starker Wirtschaft und Beschäftigung das Rentenniveau in Deutschland steigt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mit der Reform von 2001 war zudem die Vorstellung verbunden, dass das, was die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland durchaus schon gemacht haben, künftig fest zum Gesamtversorgungsniveau der Rentnerinnen und Rentner gehören muss, nämlich eine Zusatzrente, die nicht umlagefinanziert ist, sondern die jeder für die Zukunft anspart. Das versteht die Linke übrigens überhaupt nicht bzw. will es nicht verstehen. Aber über 85 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreiben – so kann man es dem Altersvorsorgebericht der Bundesregierung entnehmen, der gestern verabschiedet wurde – zusätzliche Altersvorsorge.
(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Aber nicht, weil sie wollen!)
Das ist auch vernünftig. Das Unvernünftigste ist, unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das Richtige tun, das auszureden. Das Gegenteil ist richtig. Sie sollten darin bestärkt werden, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen Sie mal, was bei Riester rauskommt! Das trauen Sie sich nicht! So wenig ist das!)
Wir als Große Koalition werden in dieser Legislaturperiode etwas umsetzen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich das Betriebsrentenstärkungsgesetz, über dessen Entwurf am 14. Dezember im Bundeskabinett beraten werden soll. Dieses Gesetz enthält etwas, was eine echte Revolution des deutschen Sozialrechts darstellt. Bisher sagen gerade viele Geringverdiener: Warum soll ich mir ein zusätzliches Sparvermögen abknapsen und anlegen, wenn am Schluss alles verrechnet wird und dann weg ist, weil ich auf Grundsicherung im Alter angewiesen bin. – Damit haben die Geringverdiener recht. Deswegen werden wir in der Grundsicherung eine Revolution vornehmen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Eine Revolution, Herr Weiß?! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Er hat das böse Wort gesagt!)
Künftig werden mindestens 100 Euro bzw. maximal 200 Euro als zusätzliches Alterseinkommen nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Andersherum ausgedrückt: Ich muss mir zuerst Mühe geben und mich anstrengen, um zusätzlich etwas für das Alter anzusparen, weil ich weiß, dass das nicht mehr verrechnet wird, sondern auf die Grundsicherung obendrauf kommt. Das ist eine wirklich starke Ansage an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Es ist richtig: Wer wenig verdient, hat wenig übrig, um zusätzlich etwas für das Alter anzusparen. Deswegen werden wir im Betriebsrentenrecht eine zusätzliche Förderung in Höhe von 480 Euro jährlich
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Jährlich?)
für Geringverdiener einführen. Auch das ist ein starkes Zeichen. Wer wenig verdient, bekommt von uns zusätzliche Hilfe, damit er eine zusätzliche Altersversorgung ansparen kann, die ihm nachher bei der Grundsicherung nicht angerechnet wird. Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz machen wir deutlich: Ja, wir wissen, dass wir für die Zukunft der Altersversorgung mehr brauchen als die gesetzliche Rente. Damit alle mitmachen wollen, stellen wir die Stellschrauben so, dass es sich sowohl für die Unternehmen als auch für die Arbeitnehmer lohnt, in die betriebliche Altersversorgung zu investieren. Dank des Freibetrags lohnt es sich für jeden, zusätzlich Altersversorgung zu betreiben; denn freigestellt werden bei der Grundsicherung nicht nur die betriebliche Altersversorgung, sondern zum Beispiel auch das Riester-Sparen, das Rürup-Sparen und Lebensversicherungen.
Unsere Botschaft an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lautet: Wir stärken die Altersversorgung durch zusätzliche Anreize. Wir wollen durch ein starkes Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung dafür sorgen, dass das Rentenniveau auch in Zukunft stabil bleibt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Peter Weiß. – Nächster Redner: Markus Kurth für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7038558 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Rentenniveau |