01.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 206 / Tagesordnungspunkt 5

Katja MastSPD - Rentenniveau

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 15 Jahre nach der letzten Rentenreform hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles letzten Freitag ein Gesamtkonzept zur Alterssicherung vorgelegt. Dieses Konzept ist mutig, vorausschauend und bereitet den Weg für eine zukunftsfeste und verlässliche Alterssicherung, und zwar weit über das Jahr 2030 hinaus – mit klaren, doppelten Haltelinien: für ein dauerhaft garantiertes Rentenniveau von mindestens 46 Prozent, für einen maximalen Beitragssatz von 22 Prozent bis 2030 und 25 Prozent bis 2045 und für eine politische Ziellinie von 48 Prozent Rentenniveau und maximal 24 Prozent Rentenbeitrag.

An der Stelle will ich meinem Kollegen Peter Weiß zurufen: Peter, wenn die CDU/CSU bereit ist, Leitplanken beim Rentenniveau und bei Beitragssätzen einzuziehen, warum haben wir das im Koalitionsausschuss nicht hinbekommen?

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja gar nicht Thema, sagt der Herr Kauder! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Muss man das nicht sogar Gabriel fragen?)

Ich habe das Gefühl, dass deine Kanzlerin und dein Ministerpräsident aus Bayern deiner Haltung an der Stelle nicht ganz gefolgt sind.

Außerdem ist in dem Rentenkonzept auch noch viel drin, was das Thema „Kampf gegen Altersarmut“ angeht, von dem ich finde, dass es in der Debatte gerade teilweise nicht so stark war. Wir haben die Punkte Solidarrente – das heißt, dass diejenigen, die lang gearbeitet und einbezahlt haben, mehr haben sollen als andere –, Versicherungspflicht für Selbstständige, die heute besonders von Altersarmut betroffen sind, Verbesserungen für die Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner und Freibeträge, über die auch schon gesprochen worden ist, aufgegriffen. Gesamtkonzept heißt also nicht, dass eine Sache isoliert angeschaut wird; vielmehr wird die gesamte Altersvorsorge in den Blick genommen, und man nimmt auch den Kampf gegen die Altersarmut auf.

Keine andere hier vertretene Partei hat ein Konzept vorgelegt, das so mutig ist wie das, das Bundesministerin Andrea Nahles vorgelegt hat.

(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die einen sagen so, die anderen sagen so!)

Niemand hier im Raum – keine andere Partei – schaut bis zum Jahr 2045 –

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist „hochseriös“! – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Haben Sie in die Glaskugel geschaut?)

da können Sie dazwischenrufen, was Sie wollen –; bei niemandem von Ihnen steht dazu irgendetwas aufgeschrieben.

Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Man hätte sich auch einen schlanken Fuß machen können. Auch Bundesarbeitsministerin Nahles hätte das tun können – einige hier tun das auch –; denn die Zahlen bis 2030 sind noch ganz akzeptabel. Deshalb ist es einfach, nur bis 2030 zu rechnen. Danach gehen aber die letzten Babyboomer-Jahrgänge in Rente.

Frau Mast, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen. – Dann haben wir in der Rentenversicherung keinen Demografieberg vor uns, wie viele behaupten, sondern ein richtiges Demografieplateau.

Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbrochen habe. – Erlauben Sie eine Bemerkung – das ist nämlich auch möglich – oder eine Zwischenfrage des Kollegen Kurth?

Wenn er gerne möchte.

(Heiterkeit)

Das scheint so; sonst hätte er ja nicht darum gebeten.

Genau. Ich möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. – Danke, dass Sie sie zulassen, Frau Mast.

Sie haben gerade gesagt, dass niemand in der Rentenpolitik so mutig wie die SPD ist.

Niemand ist so mutig wie Andrea Nahles.

Moment, den Fragesteller müssen Sie schon ausreden lassen.

Jetzt stelle ich mir die Frage – Sie haben gerade davon gesprochen, die SPD plane eine Solidarrente –: Wo hat Sie der Mut verlassen, als Sie eine Woche vor dem Rentengipfel die sogenannte solidarische Lebensleistungsrente schlichtweg beerdigt haben, die doch schon im Koalitionsvertrag vereinbart war? Wieso verkündet die SPD jetzt eigentlich eine Solidarrente, und warum machen Sie sich nicht daran, einfach eine Absicherung für langjährig Arbeitende, deren Rente unter dem Grundsicherungsniveau ist, einzuführen? Dafür hätten Sie doch als Grundlage sowohl eine im Koalitionsvertrag festgehaltene Vereinbarung als auch eine satte Mehrheit hier im Parlament. Wo bleibt denn da der Mut?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kurth, für diese Zwischenfrage. Sie macht es mir noch einmal möglich, den Unterschied zwischen einer Solidarrente und der sogenannten solidarischen Lebensleistungsrente zu erklären.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage war eine andere! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, wo ist der Mut, wollte ich ja wissen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum eine solidarische Mindestrente?)

– Nur durch den Unterschied wird klar, warum man manche Dinge nicht umsetzt: weil man damit Themen verbrennt. Das weiß Herr Kurth genauso gut wie ich, und deshalb möchte ich das Ganze gern erklären, indem ich den Unterschied aufzeige.

Die SPD ist, übrigens schon im letzten Wahlkampf, angetreten mit dem Vorhaben, die Zahlung einer Solidarrente an das langjährige Einzahlen in die Rentenversicherung – mindestens 35 Jahre – zu koppeln. – Unser Koalitionspartner, angetrieben auch durch die frühere Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, die ja eine Lebensleistungsrente einführen wollte, will unbedingt eine Kopplung an die private Altersvorsorge. Genau an diesem Punkt wird es schwierig; denn diejenigen Menschen, die wenig verdienen, sorgen in der Regel auch nicht privat vor.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wovon denn auch?)

– Ja, klar. – Deshalb ist diese Kopplung mit einem weiteren Faktor zu einem großen Ausschlusskriterium für Menschen geworden, die lange eingezahlt haben. Daher sagen wir: Es ist sinnvoll, nicht etwas Schlechtes für die Menschen umzusetzen, sondern in diesem Fall tatsächlich etwas Gutes, das viele Menschen betrifft und nicht nur wenige. Deshalb sagen wir an dieser Stelle: Nein zur solidarischen Lebensleistungsrente, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart ist, und Ja zur steuerfinanzierten Solidarrente. –Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war mutig, ja!)

Aus meiner Sicht ist die zentrale Zukunftsfrage: Wie geht es in der Rentenversicherung nach 2030 generationengerecht weiter? Sie von der Linken werfen uns von der SPD – ich zitiere – „Beitragsdogmatismus“ vor.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ja! Mit was? Mit Recht!)

Das ist zumindest intellektuell unredlich; denn uns geht es doch gerade um zwei Dinge, nicht nur um eine Sache: auf der einen Seite das Rentenniveau zu sichern und auf der anderen Seite auch eine klare Beitragssatzzusage zu machen. Da kommt noch etwas hinzu. Beim Thema Beitragssätze dürfen Sie auch nicht vergessen: Wir dürfen über die Beiträge zur Rentenversicherung nicht isoliert diskutieren. Die Frage, wie sich die Beitragssätze in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung entwickeln, muss auch gesamtgesellschaftlich eine Rolle spielen.

Ich fände es viel spannender, mit Ihnen darüber zu diskutieren, ob wir neben einem vorausschauenden Rentenversicherungsbericht – den haben wir ja in der Bundesrepublik Deutschland – nicht endlich auch zu einem vorausschauenden Bericht bei der Kranken- und Pflegeversicherung kommen könnten. Denn dann könnten wir an der Stelle eine echte Belastung des Faktors Arbeit diskutieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da Demografie aber nicht nur eine Frage von Beitragssätzen und Rentenniveau ist, schlagen wir einen steuerfinanzierten Demografiezuschuss in der gesetzlichen Rentenversicherung vor, den alle bezahlen, und nicht nur die abhängig Beschäftigten und ihre Arbeitgeber. Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass die Linke heute hier sagt: Jawohl, die SPD schlägt mehr Steuermittel für die Rentenversicherung vor; da gehen wir mit. – Das habe ich aber leider nicht gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eigentlich ist Ihre Redezeit seit geraumer Zeit zu Ende.

Noch einen Schlusssatz. – Ich will an die Bürgerinnen und Bürger appellieren, in der Rentendebatte, die wir in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich munter führen werden, genau zuzuhören. Hören Sie nicht nur immer auf die einfachen Antworten; denn die sind in der Rentenversicherung meistens nicht umsetzbar – und wenn doch, dann sind sie extrem teuer.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein letzter Satz! Das war mehr als ein Satz! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Schauen Sie mal nach Österreich!)

Schauen Sie einfach, wer Ihnen echte Zahlen bis 2045 vorlegt, und dann diskutieren Sie darüber mit Ihren Abgeordneten und anderen Akteuren. Ich freue mich auf diese Debatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Fragen Sie mal, warum wir es nicht so wie Österreich machen!)

Danke, Frau Kollegin Mast.

Ich bitte Sie wirklich, tendenziell die Redezeit einzuhalten. Wir sind zwar in der Adventszeit, aber auch unglaublich weit im Zeitplan zurück. Ich bitte Sie, das Blinken am Redepult ernst zu nehmen. Sonst wird den anderen Kollegen Zeit abgezogen.

Der nächste Redner ist Stephan Stracke für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7038573
Wahlperiode 18
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Rentenniveau
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