01.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 206 / Tagesordnungspunkt 5

Jana SchimkeCDU/CSU - Rentenniveau

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wurde kürzlich von einem Schülerpraktikanten der neunten Klasse gefragt, wie ich bei meiner politischen Arbeit für Generationengerechtigkeit sorge. Schließlich sei das, so sagte er, angesichts so mancher Vorschläge, aber auch Entscheidungen der Vergangenheit ja nicht so leicht. In meiner Antwort machte ich dann deutlich, dass es natürlich darauf ankomme, bei Gesetzgebungsvorhaben die richtigen politischen Entscheidungen zu treffen. Ich sagte ihm aber auch, dass die Sicherstellung von Generationengerechtigkeit auch bedeute, hier im Deutschen Bundestag einen täglichen politischen Abwehrkampf zu fechten.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

Wogegen?

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wogegen?)

Gegen jene politischen Kräfte, die den durch tiefgreifende Reformen erarbeiteten Wohlstand schlichtweg verfrühstücken wollen

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit der Mütterrente und ihrer Beitragsfinanzierung, oder was? – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Da, bei der Linken, da sitzen sie! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo sollen die sein, die Kräfte? Wer soll das sein? Ist doch keiner da!)

und unseren Sozialstaat als Selbstbedienungsladen verstehen, oder – um es kurz zu machen – gegen Anträge wie jenen, der hier heute diskutiert wird. Da heißt es: „Zeit für einen Kurswechsel“.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja!)

Allerdings stelle ich mir unter einem Kurswechsel etwas anderes vor, als Politik von gestern und auf Kosten künftiger Generationen zu machen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zugunsten künftiger Generationen! Sie haben es nicht verstanden!)

Die Linke fordert in ihrem Antrag, jene Faktoren, die die Rente bisher bezahlbar machen, zugunsten eines hohen Rentenniveaus aufzugeben. Konkret soll dazu die im Gesetz festgeschriebene Deckelung des Beitragssatzes aufgehoben werden. Das bedeutet aber, der von den Arbeitnehmern zu erbringende Beitrag zur Rentenversicherung könnte beliebig steigen, um die Renten auf einem bestimmten Niveau zu halten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Für die Arbeitgeber auch!)

Dass aber ein umlagefinanziertes System, das von den Beiträgen der Beschäftigten lebt,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und der Arbeitgeber!)

immer auch Solidarität in beide Richtungen erfordert, genau aus dem Grunde, dass es sonst die Gesellschaft nicht mitträgt, lassen Sie dabei außer Acht.

Es ist erschreckend, meine Damen und Herren, für wie selbstverständlich die Linke die Beiträge und die Leistungen jener erachtet, die unseren Sozialstaat tragen.

(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])

Wenn wir Generationengerechtigkeit wollen und den Generationenvertrag achten, dann müssen wir auch jene im Blick behalten, die dafür heute mit ihren Beiträgen geradestehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich gehe mit Ihnen mal auf ein Podium! Dann probieren wir das mal aus!)

Der willkürliche Umgang mit dem Beitragssatz lässt das Vertrauen in unseren Sozialstaat und seine Akzeptanz schwinden. Solche Forderungen lassen sich nur damit erklären, dass man entweder die demografische Entwicklung in unserem Land vollends ignoriert und die gesetzliche Rente in der Zukunft mit noch mehr Steuergeldern bezuschussen, also die gute Haushaltspolitik der letzten Jahre über Bord werfen will, oder die Steuerzahler mit noch höheren Beiträgen zur Rentenversicherung belasten will.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Falsch! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie doch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie machen Politik auf Kosten anderer, auf Kosten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die haben dann mehr in der Tasche!)

und insbesondere der jungen Menschen in unserem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie werden nach Ihren Plänen künftig

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mehr in der Tasche haben!)

exorbitant mehr zahlen und am Ende weniger Netto in der Tasche haben.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mehr in der Tasche! – Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Jeder zusätzliche Prozentpunkt bei den Beiträgen zur Sozialversicherung kostet aber Jobs und Geld. „ Herzlichen Glückwunsch!“ kann man dazu nur sagen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mehr in der Tasche!)

Mit der Forderung nach Abschaffung des Nachhaltigkeitsfaktors legen Sie auch die Axt an jenes Element bei der Rente, das jüngeren Generationen einen natürlichen Schutz vor den Begehrlichkeiten auch der Politik bietet. Der Nachhaltigkeitsfaktor ist deshalb so wichtig, meine Damen und Herren, weil er bei der jährlichen Rentenanpassung das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern berücksichtigt. Dort rangehen zu wollen, bestätigt, dass Sie schlichtweg keine anderen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft haben. Sie schieben Probleme vor sich her und vergrößern sie damit zusätzlich.

Wir reden ja viel von Nachhaltigkeit – in der Umwelt, in der Bildung und in der Wirtschaft. In der Renten- und Sozialpolitik aber erhält Nachhaltigkeit eine existenzielle Bedeutung. Das muss man können und wollen. Sie, verehrte Kollegen der Linken, können und wollen es nicht.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Was Sie alles wissen!)

Deshalb ist es gut, dass Sie im Bund nicht über die Geschicke unseres Landes bestimmen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir brauchen andere Lösungen. Fakt ist auch: In Zeiten einer älter werdenden Gesellschaft kann die Antwort eben nicht lauten, dass die gesetzliche Rente allein es schon richten wird. Ich würde behaupten, dass die Mehrzahl der Menschen in meiner Generation das auch so sieht. Wir müssen deswegen den Menschen vielmehr die Möglichkeit geben, ihre Rente noch stärker auch durch das eigene Erwerbsverhalten zu beeinflussen. Genau das berücksichtigen die Beschlüsse und Maßnahmen der vergangenen Monate.

Mit der Einführung der Flexirente, die heute schon mehrfach angesprochen wurde, haben wir Anreize dafür gesetzt, dass sich längeres Arbeiten lohnt, für Arbeitnehmer, aber auch für Arbeitgeber. Wir schaffen dadurch mehr Flexibilität und mehr Freiheit, und wir stärken die Eigenverantwortung der Menschen. Wir müssen den Menschen aber auch den Raum lassen und die Möglichkeit geben, mit ihrem Einkommen in alternative Anlageformen zu investieren. Niedrige Steuern und angemessene Sozialbeiträge sind dafür zunächst die Voraussetzung.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Höhere Löhne wären auch nicht schlecht!)

Darauf aufbauend wollen wir künftig wieder den Erwerb von Grundeigentum unterstützen; denn Grundeigentum ist Garant für soziale Stabilität, vor allen Dingen im Alter.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Uckermark, was? – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da ist es günstiger, Markus!)

Doch die Niedrigzinsphase führt nicht nur dazu, dass traditionelle Anlageprodukte immer weniger attraktiv sind, sie führt auch dazu, dass junge Familien mit einem durchschnittlichen Einkommen sich infolge steigender Grundstücks- und Baupreise eben kein Eigenheim mehr leisten können. Das Budget ist oftmals schon mit dem Erwerb des Grundstücks aufgebraucht. Deshalb ist es wichtig, in diesem Bereich mehr politische Unterstützung zu geben.

Und: Wir wollen auch die zweite und dritte Säule in unserem Vorsorgesystem stärken; das wurde heute auch schon mehrfach angesprochen. Die Linke würde das alles am liebsten abschaffen,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?)

aber wir halten daran fest, weil es sich bewährt hat. Gut die Hälfte der heutigen Rentner haben Einkommen aus betrieblicher und privater Vorsorge. In Deutschland gibt es mehr als 20 Millionen aktive Anwartschaften aus der betrieblichen Altersvorsorge.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viele davon sind Entgeltumwandlung oder haben doppelte Krankenversicherungsbeiträge? Die Leute werden dann weinen, wenn sie das sehen!)

Mehr als 70 Prozent der heutigen Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf eine Zusatzrente. Diese Zahlen zeigen, meine Damen und Herren, dass die Menschen in unserem Land erkannt haben, dass für eine auskömmliche Altersvorsorge Zusatzrenten wichtig und richtig sind.

Dazu – um einen letzten Gedanken zu äußern – liegt mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz ein Vorschlag auf dem Tisch, den wir in den kommenden Wochen beraten werden. Die größte Herausforderung ist dabei zweifelsohne, herauszufinden, wie es uns gelingen kann, mit dem Gesetz eben nicht nur tarifgebundene Unternehmen zu erreichen. Unser Ziel ist und bleibt, Politik für alle Menschen in Deutschland zu machen, und dazu zählt der größte Teil der Unternehmen in unserem Land, ebenjene, die nicht tarifgebunden sind und keinen Tarifvertrag anwenden.

Einen wahrlichen Kurswechsel im Vorschlag zur betrieblichen Altersvorsorge stellt auch der Übergang zu einer Zielrente bzw. einer reinen Beitragszusage dar. Diese hat sich bereits im europäischen Ausland bewährt, und damit gäbe es in der Tat eine denkbare Alternative zur Garantierente, die immer weniger für die Versicherten abwirft und Unternehmen in die Haftung nimmt. Betriebliche Altersvorsorge könnte damit auch künftig auf andere Anlageformen zurückgreifen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zocken mit den Beiträgen der Arbeitnehmer!)

Meine Damen und Herren, wir neigen in vielen Bereichen der Politik dazu, Freiheit und Eigenverantwortung zugunsten von Sicherheit und Garantien zu opfern. Damit entgehen uns aber auch Chancen, die wir angesichts demografischer Veränderungen und der Ausgestaltung der europäischen Zinspolitik angehalten sind zu nutzen.

Lassen Sie uns über den Tellerrand hinwegschauen. Unsere Kinder und späteren Enkel werden es uns danken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Jana Schimke. – Nächster Redner: Ralf Kapschack für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7038582
Wahlperiode 18
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Rentenniveau
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