Georg NüßleinCDU/CSU - Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Der Ausstieg aus der Kernenergie steht fest. Wir alle erleben momentan auch politisch, wie schwierig es ist, die Kernkraftwerke unter den Restriktionen des Klimaschutzes in einer verlässlichen und kostengünstigen Art und Weise zu ersetzen. Neben dieser Großbaustelle gibt es eine andere mit dem Kernenergieausstieg in Zusammenhang stehende Großbaustelle, nämlich die Frage des Rückbaus, der Zwischenlager und der Endlager. Wie alle meine Vorredner möchte ich betonen, wie wichtig in diesem Zusammenhang der gefundene Konsens ist. Ich spüre schon manchmal – übrigens hat es sich ganz am Anfang der Rede der Kollegin Scheer auch so angedeutet –, wie uns noch die alten Kampflinien beschäftigen.
(Zuruf der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])
– Das gilt für beide Seiten; keine Sorge. Da differenziere ich nicht.
Auch wenn man sich unsere Energiepolitik ansieht, erlebt man, wie stark wir oft nur auf das Thema Strom fixiert sind. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir die Themen Wärme, Verkehr usw. etwas vernachlässigen. Aus der alten Kampfposition heraus haben wir eine Energiedebatte immer unter dem Gesichtspunkt „Strom durch Kernenergienutzung“ geführt. Ich würde mir wünschen, dass wir da bei der Behandlung des Gesamtthemas mit dem heutigen Tag nach und nach herausfinden.
Natürlich ist es schwierig, einen solchen Konsens zu finden. Es gab zwei Dinge, die uns von Anfang an vereint haben, Michael Fuchs: erstens, dass uns allen miteinander in der Kommission klar war, dass das Verursacherprinzip nicht infrage gestellt wird, und, zweitens, dass es darum geht, die Verursacher tatsächlich in die Haftung zu nehmen, und zwar dauerhaft, und durchsetzen zu können, dass der Ausstieg nicht zulasten des Steuerzahlers geht, wie es uns die Linke jetzt an dieser Stelle gern unterjubeln möchte. Ich finde, Ihre Weitsicht, die Sie in wirtschaftspolitischen Fragen sonst nicht so unter Beweis stellen, schon bemerkenswert. Sie stellen sich hierhin und sagen, Sie hätten ganz klare Erkenntnisse, dass die Energieversorger für die Zukunft substanziell ausreichend gut aufgestellt sind. So habe ich Sie jedenfalls verstanden, und so haben Sie es auch formuliert. Das halte ich für falsch. Ich glaube, dass wir hier zu Recht Handlungsbedarf gesehen haben.
(Zuruf von der CDU/CSU: Die können halt keine Bilanzen lesen!)
Nun ist es aber eine komplizierte Materie, und zwar sowohl was den Diskontierungszinssatz angeht – da spielt uns der Herr Draghi manches an Tragik in die Bilanzen, übrigens auch in andere Bilanzen – als auch hinsichtlich der Frage, wie groß so ein Risikoaufschlag ist. Umso bemerkenswerter ist es, dass wir uns – auch wenn das nicht mathematisch genau geht, weil es keine unumstößlichen Dinge gibt – am Schluss auf den Konsens geeinigt haben, der hier so wichtig ist.
Nun ist das in der Tat – das möchte ich betonen – ein Verdienst von Herrn Trittin, auch wenn es sein kann, dass das ein Totalschaden für einen Grünen ist, wenn sich die CSU dem Lob anschließt. Aber Sie haben natürlich sehr integrativ Ihre Seite mit zur Verantwortung gezogen – das fand ich bemerkenswert –, und das kann man in einer solchen Debatte nicht oft genug herausstellen, meine Damen und Herren.
Ich sage Ihnen auch: Für mich hat diese Thematik natürlich auch eine regionale Bedeutung. In meinem Wahlkreis ist nicht nur das Kernkraftwerk Gundremmingen, sondern damit auch ein Zwischenlager. Da könnte ich zu der Rolle von Herrn Trittin seinerzeit etwas anderes, weniger Gutes sagen. Wir haben uns das Zwischenlager an dieser Stelle jedenfalls nicht gewünscht. Ich will nicht sagen, dass das bei mir akzeptiert wird, aber es wird als unvermeidbares Übel hingenommen. Ich sage Ihnen auch – da muss man kein Prophet sein –: Es wird hingenommen, solange das Kernkraftwerk läuft. Ich bin sicher, dass sich die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger mit Blick auf das Zwischenlager in der Sekunde des Abschaltens komplett ändern wird. Deshalb ist es, glaube ich, ein guter Ansatz, dass wir uns nicht nur um das Geld kümmern, sondern auch um die Verantwortlichkeit des Staates und klarmachen: Für dieses Zwischenlager ist am Ende der Staat zuständig, und zwar insbesondere auch für die Sicherheit dieses Zwischenlagers. Das ist, glaube ich, eine vertrauensbildende Maßnahme für die Menschen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] und Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Natürlich haben die Menschen auch die Erwartung, dass das Zwischenlager das ist, was der Name andeutet, nämlich eine Zwischen-, eine Übergangslösung, und nicht ein faktisches Endlager. Deshalb wächst natürlich mit der Übernahme durch den Staat unsere Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass es am Schluss tatsächlich diese Endlagermöglichkeit gibt, noch mehr.
Da bin ich noch einmal beim Verursacherprinzip: Natürlich sind die Konzerne verantwortlich für das, was sie verursacht haben. Aber sie sind nicht dafür verantwortlich zu machen, meine Damen und Herren, wenn es in Zukunft Ränkespiele bei der Thematik Endlagersuche geben sollte. Auch das haben wir bei dem, was wir hier beschließen wollen, sehr weise mit eingeplant: dass die Konzerne nicht für politische Schwierigkeiten zur Verantwortung gezogen werden. Das, meine ich, sollten und dürfen wir unserer Wirtschaft nicht antun.
Ich glaube umgekehrt aber auch, dass wir mit ihnen das Thema Klageverzicht – dazu haben wir heute einiges gehört – durchaus offen und offensiv diskutieren müssen. Natürlich gehört es auch zu einem gemeinsamen Konsens, keine gerichtlichen Auseinandersetzungen von gestern und vorgestern zu führen. Deshalb halte ich es für entscheidend, dass wir in dieses Gesetz die Möglichkeit einbauen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abzuschließen. Das ist auch deshalb wichtig, weil sich die Konzernführungen nach dem Aktienrecht gar nicht so leicht tun, auf Klagen zu verzichten – übrigens auch nicht vor dem Hintergrund einer Gesetzeslage, wie wir sie hier beschließen wollen. Auch hier geht es ja um die Frage, wenn wir ihnen das aufoktroyieren, ob es ihnen möglich ist, einfach zu sagen: Das machen wir nicht. – Es stellt sich die Frage, ob es einen Ansatz gibt, aus der Thematik aktienrechtlich herauszukommen. Ich glaube, da ist der öffentlich-rechtliche Vertrag ein entscheidender Ansatz, um das noch einmal anzugehen.
Ob wir die Anlagestrategie, Frau Kollegin Scheer, also was das Bundesfinanzministerium mit dem ihm zuwachsenden Geld tun soll, schon gemeinschaftlich im Gesetz beschließen müssen: Mir wäre es wichtig, dass das Geld so intelligent angelegt wird, dass der Diskontierungszinssatz in Zukunft tatsächlich etwas mit der Realität zu tun hat. Das ist schwer genug.
Herr Kollege Nüßlein, ich habe verzweifelt auf eine Atempause gewartet, weil die Kollegin Kotting-Uhl Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen möchte. Lassen Sie das zu?
Wenn die Kollegin selber kein Rederecht hatte, dann kann sie jetzt gerne eine Zwischenfrage stellen.
Wunderbar.
Ich werde schon noch dazu reden; keine Sorge. – Der Punkt, zu dem ich Sie etwas fragen möchte, liegt schon ein bisschen zurück, aber Sie haben Ihre Rede noch im Kopf.
Sie haben vorhin gesagt, man dürfe die Konzerne nicht in die finanzielle Verantwortung nehmen, wenn es um politische Schwierigkeiten bei der Endlagersuche geht. Ich habe mir jetzt überlegt, was für politische Schwierigkeiten bei der Endlagersuche Sie denn meinen könnten. Ich möchte Sie daher fragen: Meinen Sie zum Beispiel, dass Bayern, das vorab schon einmal erklärt hat, dass in Bayern überhaupt nichts für ein Endlager infrage kommt, sich weigert, es zu akzeptieren, wenn man bei der Suche in Bayern zu Ergebnissen kommt? „ Politische Schwierigkeiten“, ist das in diesem Sinne gemeint?
Liebe Kollegin, die Einschätzung Bayerns fußt auf einer Würdigung der geologischen Situation, die das aus unserer Sicht an der Stelle unmöglich macht.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)
Was ich mit politischen Ränkespielen gemeint habe, ist das, was wir bei Gorleben schon einmal erlebt haben, nämlich dass es bis zum heutigen Tag und nach hohen Investitionen keine technischen Einwendungen gegen Gorleben gibt, unter anderem Sie aber alles dafür getan haben, Gorleben aus der Endlagersuche komplett herauszuhalten.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wenn Gorleben in Bayern wäre, wäre es anders!)
Das ist das, was ich meine: dass man nicht am Schluss die Konzerne zur Kasse bitten kann, nur weil die einen oder anderen an der einen oder anderen Stelle unwillig sind.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kündigen Sie für Bayern schon mal an! Na gut!)
– Warten Sie doch einmal ab, ob wir mit unserer geologischen Einschätzung an dieser Stelle tatsächlich recht haben. Das wird sich erweisen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7038628 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung |