01.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 206 / Tagesordnungspunkt 7

Heinz RiesenhuberCDU/CSU - Steuerliche Verlustrechnung bei Körperschaften

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Es ist sicher nur ein Zufall, dass dieses Gesetz ausgerechnet an meinem Geburtstag beschlossen werden soll. Aber ich gebe zu, dass ich mich freue. Hans, du hast das zusammen mit Philipp Murmann mit großer Herzlichkeit und Beharrlichkeit im Finanzausschuss vorangebracht. Herzlichen Dank an alle unsere Finanzer. Herr Binding, Sie waren mit genau solch einer Entschlossenheit dabei. Sonst wäre es uns nicht gelungen.

In nobler Beiläufigkeit hat Herr Gambke angesprochen, dass die Debatte über die Europatauglichkeit ein bisschen spröde ist. Ich freue mich, dass Sie seit vier Jahren daran arbeiten. Wir haben es vor zwölf Jahren schon einmal versucht.

Damals hatten wir auch eine prachtvolle Große Koalition, mit der wir alle glücklich waren. Steinbrück war Finanzminister. Wir haben das MoRaKG geschrieben, und jeder sagte uns – einschließlich des Finanzministers –: Europafest, europafest! – An Europa ist es aber gescheitert. Jetzt haben wir mithilfe von Michael Meister und Helge Braun und den Staatssekretären des Wirtschaftsministeriums die Sache so hingekriegt, dass uns die Leute sagen: „Das müsste stehen“, und darauf bauen wir.

Einige Dinge werden wir uns in zwei, drei Jahren noch einmal anschauen; dann evaluieren wir die Sache mit dem „Geschäftsbetrieb“. Der Begriff ist zum Glück ziemlich vage. Bei jungen Unternehmen gibt es nun einmal Dynamiken, die nicht ganz leicht juristisch einzufangen sind. Die Juristen unterstützen uns aber, und damit wird die Weisheit zunehmen.

(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Dass diese Sache hier wirklich dauerhaft grundsätzlich ist, haben uns die USA vorgemacht. Die größten Unternehmen der Welt sind sehr jung, vielleicht 20 Jahre alt; manche sind noch jünger: Google, Facebook. Microsoft ist nur wenig älter. Sie können sie durchdeklinieren. Das alles waren Start-ups.

Diese Start-ups sind nicht plötzlich entstanden, weil die Zeit reif war, sondern das war der Erfolg einer langjährigen Arbeit in Richtung einer enormen Innovationskultur, die in den USA entstanden ist, seitdem sie damals – 1958 war es – die SBICs gegründet haben, die Small Business Investment Corporations. Das hat sich entwickelt.

Flankierend hat man dann die Kapitalertragsteuer, die Capital Gains Tax, halbiert, und die Sache blühte und gedieh. Inzwischen haben SBICs in 2 100 Fonds investiert und insgesamt über 166 000 Investments in kleinere Unternehmen getätigt. Das heißt, wir sehen da eine breite Dynamik. Einige sind dann durchgebrochen und sehr erfolgreich gewesen. – Genau diese Landschaft brauchen wir auch für die nächste Runde unserer Arbeit hier.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie müssen nur noch Steuern zahlen!)

Wenn Sie heute über den Campus des MIT gehen, dann sehen Sie, dass die jungen Leute an einem schönen Sommertag da sitzen. Die Jungs quatschen dann natürlich über die Mädchen, und die Mädchen quatschen über die Jungs,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder die Mädchen über die Mädchen!)

aber sie quatschen auch über die Ideen, die sie haben, um einmal reich zu werden. Einige werden auch reich, und wenn sie reich werden, dann ist das ungemein anregend für die anderen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Mädchen wollen reich werden?)

Wenn wir an einigen Stellen wirklich einen Durchbruch erzielen und das Ergebnis vorzeigen können, wird die Welt anders. Als aus dem von Günter Spur geleiteten Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik Mitte der 80er-Jahre hier in Berlin zwei, drei Gründer herauskamen, haben die anderen Kollegen gelächelt. Ein sicheres Beamtenverhältnis, und der Mensch gründet! Sie waren aber erfolgreich. Innerhalb weniger Jahre hatten wir plötzlich anderthalb Dutzend Gründungen, die sich fröhlich im Markt bewegt haben. Das jetzt wieder hinzukriegen, das wird die große Aufgabe sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es wäre faszinierend, wenn Sie mir noch eine Viertelstunde Redezeit geben würden, Frau Präsidentin. Dann würde ich das im Einzelnen erläutern

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und zeigen, wie wir seit dem Programm von 1983 zur Förderung von Technologisch Orientierten Unternehmensgründungen, TOU, systematisch weitere Programme zur finanziellen Beteiligung an jungen Technologieunternehmen aufgebaut haben: BJTU in 1989, BTU in 1995. Der Staat hat sich dabei finanziell immer weiter zurückgezogen: Darlehen statt Zuschüsse, dann Bürgschaften statt Darlehen. Der Staat hat Gründerzentren und Technologieparks gegründet. Es ist damals eine prachtvolle Landschaft entstanden, bis der Neue Markt hier funktioniert hat und ein entsprechendes Segment an der Börse eingerichtet wurde.

Dann platzte im Jahr 2000 die Blase. Seitdem sind die Menschen ein bisschen deprimiert. Aus einer Depression entsteht wenig Dynamik. Es ging darum, wieder Schwung in den Markt zu bringen. Der Staat hat mit vielen Fonds geholfen: EIF/ERP-Dachfonds, ERP-Startfonds, High-Tech Gründerfonds. Er hat auch mit dem Programm EXIST und anderen Programmen geholfen. Das sind wunderbare Sachen, alle in Ordnung. Aber damit konnte man nicht die Zukunft gewinnen. Die Zukunft entsteht aus Wagniskapitalgesellschaften, deren Gründer für ihr eigenes Geld mit einer Innovationskraft und Entschlossenheit kämpfen, die ein Beamter nicht immer aufbringen sollte.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute liegt ein großes Gesetz vor. Ich bin zuversichtlich, dass es auf große Zustimmung stößt.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Na ja!)

In der nächsten Runde wird es dann besser gehen; denn wir haben noch einiges vor uns. Wolfgang Schäuble, ein ungemein dynamischer und innovationsfreudiger Bundesfinanzminister, hat uns angekündigt, in den nächsten zehn Jahren 10 Milliarden Euro an Krediten über einen Tech Growth Fund für Start-ups bereitzustellen. Das ist schon einmal ganz beachtlich. Manche erreichen mit ihrer Firma einen Marktwert von vielleicht 20 Millionen Euro , aber dann fehlt ihnen das Geld für weiteres Wachstum. Wir kommen jetzt mit beachtlichen Beträgen. Ich bin voller Dankbarkeit und Bewunderung für den Finanzminister.

Es gibt auch weitere Themen, um die wir uns kümmern müssen. Die Abschaffung der Umsatzsteuer auf die Management-Fee ist eine Zehnerpotenz weniger als das, was wir heute mit diesem Gesetz beschließen. Trotzdem ist es ein Riesenhebel, weil das Geld direkt in die Kassen der Unternehmer fließt. Wenn jemand die Wahl hat, hier ein Unternehmen zu gründen und damit erfolgreich zu sein oder in Luxemburg zu arbeiten und dort 20 Prozent mehr zu verdienen, dann ist das eine große Versuchung.

Wir müssen zudem sehen, ob wir die Transparenz der Vermögensverwaltung gesetzlich regeln.

Wir haben also noch einiges Schöne vor uns. Aber heute freuen wir uns über das, was uns mit diesem Gesetz gelingt. Es ist ein großer Schritt mit einer breiten Unterstützung dieses dynamischen Parlaments. Auch Herr Gambke will sich nur aus Höflichkeit enthalten.

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Er darf nicht zustimmen!)

Mit diesem Gesetz erreichen wir, dass die Menschen, die etwas selber machen wollen, ein bisschen mehr Luft zum Atmen haben; Menschen, die nicht darauf versessen sind, 38 Stunden in der Woche zu arbeiten, sondern entschlossen sind, mehr zu arbeiten und erfolgreich zu sein.

Die Aufgabe eines stolzen und zugleich demütigen Abgeordneten ist es, dafür zu arbeiten, dass andere glücklich und erfolgreich sind – ohne Rücksicht auf unsere 38-Stunden-Woche.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7038663
Wahlperiode 18
Sitzung 206
Tagesordnungspunkt Steuerliche Verlustrechnung bei Körperschaften
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