Daniela KolbeSPD - Ermittlung von Regelbedarfen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut und entspricht auch dem gesunden Menschenverstand, dass wir uns die Höhe der Leistungssätze regelmäßig anschauen und den tatsächlichen Lebenshaltungskosten anpassen. Es ist logisch: Wenn die Preise steigen, müssen auch die Sozialleistungen steigen. Deswegen wird regelmäßig eine EVS durchgeführt – Herr Strengmann-Kuhn hat ein paar grundsätzliche Dinge dazu gesagt –, die eine statistische Grundlage dafür bietet, sich ein Bild zu machen, was man in Deutschland braucht, um ein würdevolles Leben zu finanzieren und teilhaben zu können.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nehmen aber etwas raus!)
Aber Sie haben völlig recht: Es ist eine normative Entscheidung, es gibt nicht den objektiv richtigen Wert dafür. Deswegen führen wir, wenn wir uns ehrlich machen, diese wichtige und auch schwierige Diskussion miteinander.
Dieses soziokulturelle Minimum ist in Deutschland Gott sei Dank verbrieftes Recht, und zwar nicht nur für die Empfängerinnen und Empfänger von SGB-II- und SGB-XII-Leistungen, sondern auch für diejenigen Menschen in Deutschland, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Dazu möchte ich ein paar Sätze sagen.
Auch nach dem neuen Asylbewerberleistungsgesetz steigen die Leistungen, weil die Preise gestiegen sind. Wenn Sie sich den Gesetzentwurf anschauen, dann werden Sie allerdings feststellen, dass die Auszahlungsbeträge sinken. Das liegt unter anderem daran, dass nach einer Einigung der Koalitionsfraktionen einige Dinge zukünftig als Sachleistungen erbracht werden, die deshalb aus dem Leistungssatz herausgenommen werden. Dazu sage ich gleich noch mehr.
Wir gleichen das Asylbewerberleistungsgesetz an einigen Punkten auch an das SGB XII bzw. das SGB II an. Dadurch gibt es hier eine größere Parallelität; das finde ich auch gut und richtig. Unser System der Sozialgesetzgebung ist sehr kompliziert. Deshalb macht es Sinn, an der einen oder anderen Stelle gleichlaufende Regelungen zu haben.
Ich freue mich sehr, dass wir es endlich hinbekommen haben, eine solche gleichlaufende Regelung im Bereich des Ehrenamtes einzuführen. Zukünftig – ich finde das vollkommen richtig – werden bis zu 200 Euro anrechnungsfrei sein, die ein Geflüchteter, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält, dafür erhält, dass er sich ehrenamtlich einbringt. Das ist genau die gleiche Regelung, die auch schon im SGB XII gilt, und wir freuen uns, dass das jetzt endlich auch für diesen Bereich in Kraft treten wird.
(Beifall bei der SPD)
Wir wertschätzen damit das bürgerschaftliche Engagement von Geflüchteten, das viele von uns auch aus ihren Wahlkreisen kennen. Wir fördern den Optimalfall der Integration und senden das Signal: Liebe Geflüchtete, ihr seid nicht zur Passivität in diesem Land verdammt, sondern wir wollen, dass ihr euch einbringt, dass ihr ein Teil dieser Gesellschaft seid und dass ihr euer Wissen und Können im Sportverein – oder wo immer ihr das mögt – teilt. Das ist die herzliche Einladung, die auch von diesem Gesetzentwurf ausgeht.
(Beifall bei der SPD)
Wir gliedern durch diesen Gesetzentwurf zwei Teile aus und erbringen sie zukünftig als Sachleistungen, und zwar die Leistungen für Strom und für Wohnungsinstandhaltung. Das ist für verschiedenste Konstellationen prinzipiell durchaus sinnvoll, etwa für Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften, die nicht renovieren, wenn sie ausziehen, und wo auch nicht jedes Zimmer einen Stromzähler hat. Diese Ausgliederung steht jetzt im Gesetzentwurf.
Wir haben in der Anhörung aber auch durchaus kritische Stimmen gehört; denn das Leben ist bunt. Es leben eben nicht alle Bezieherinnen und Bezieher in Gemeinschaftsunterkünften, sondern manche leben auch in einer privaten Wohnung. Die Kommunen, die genau das fördern, dass Geflüchtete nämlich in privaten Wohnungen untergebracht werden, fürchten zukünftig einen höheren Verwaltungsaufwand, weil sie Stromrechnungen einsammeln und die Renovierungen klären müssen, und das nehmen wir sehr ernst.
Außerdem müssen die Betroffenen wissen, dass sie zukünftig ein Recht darauf haben, die Stromkosten und die Kosten für die Wohnungsinstandsetzung abzurechnen. Womöglich wäre hier eine Kannregelung sinnvoller gewesen; denn das Leben ist nun einmal bunt.
Wir haben aber etwas anderes getan: Wir werden uns die Regelung und ihre Wirkungen 2018 noch einmal anschauen und genau prüfen, ob wir hiermit den Kommunen einen Gefallen oder ob wir etwas Kontraproduktives tun. Ich denke, wir werden diese Debatte sowieso stets weiterführen, und das werden wir auch an dieser Stelle tun.
Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt loswerden, weil das in der Debatte manchmal ein bisschen schräg anklingt: Wir Sozis glauben nicht, dass man durch Leistungskürzungen Geflüchtete abschrecken
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
oder davon abbringen kann, nach Deutschland zu kommen. Es gibt auch aktuelle Studien, die genau das belegen. Die Leute kommen wegen der Demokratie, wegen der Freiheit und wegen der Rechtsstaatlichkeit hierher.
Wir finden, dass das Bundesverfassungsgericht hier einen wichtigen Rechtsgrundsatz formuliert hat, nämlich, dass die Festlegung des Existenzminimums eben nicht migrationspolitisch motiviert sein darf, und dabei sollte es auch bleiben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Kipping [DIE LINKE]: Da haben aber Ihre Kollegen von der CDU etwas anderes erzählt!)
Vielen Dank. – Als Nächstes hat Professor Dr. Matthias Zimmer für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7038707 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Ermittlung von Regelbedarfen |