Jürgen HardtCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gehen mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und der Entscheidung über dieses Mandat in das 16. Jahr. Deswegen sind die Fragen völlig berechtigt: Was hat dieser Einsatz bisher gebracht? Wie weit haben wir uns den Zielen angenähert, die wir formuliert haben? Wohin wird dieser Einsatz führen? Wann können wir ihn beenden?
Wir haben im Zusammenhang mit unserem Einsatz in Afghanistan eine ganze Reihe von Erfahrungen gemacht, die meines Erachtens gut aufbereitet worden sind und die in die RSM-Mission eingeflossen sind. Wir haben vor zwei Jahren entschieden, dass wir nicht mehr an Kampfhandlungen in Afghanistan teilnehmen und dass wir uns auf Beratung, Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Streitkräfte konzentrieren. Das konnten wir deshalb tun, weil wir es in den Jahren zuvor tatsächlich geschafft haben, sowohl bei der Polizei als auch bei der afghanischen Armee einen Ausbildungs- und Ausrüstungsstand zu erreichen, der es den afghanischen Streitkräften erlaubt, die Verantwortung Stück für Stück selbst zu übernehmen.
Blicken wir auf das zurückliegende Jahr zurück und vergleichen wir es mit früheren Monaten. Blicken Sie zum Beispiel auf den neuerlichen Versuch der Taliban, die Stadt Kunduz im Norden von Afghanistan, im Verantwortungsbereich der Bundeswehr im Rahmen des alten ISAF-Mandats, einzunehmen. Dieser Angriff konnte, anders als noch wenige Monate zuvor, erfolgreich zurückgeschlagen werden; außer ein paar Handybildern der Taliban war nichts von einer Besetzung dieser Stadt zu verspüren. Den einheimischen Kräften ist es gelungen, die Sicherheit und Ordnung weitestgehend wiederherzustellen. Das zeigt, dass wir gut vorankommen, wenngleich wir natürlich noch nicht am Ziel sind.
Wir haben alle das Interview des Kommandeurs des deutschen Verbandes gelesen: Die Bevölkerung wünscht sich dieses Engagement der deutschen Bundeswehr und dankt dafür. Wir werden mit offenen Armen empfangen, eben auch, weil die Bundeswehr nicht nur in kaki Uniform und mit der Waffe dort steht, sondern weil die Bundeswehr eben auch zivile Hilfe möglich macht. Was sich im Land an Infrastruktur entwickelt und an Bildungsmöglichkeiten offenbart – darüber hat die Ministerin gesprochen –, ist ganz beachtlich.
Wenn wir auf die konkreten Defizite dieses Einsatzes blicken, müssen wir natürlich auch nüchtern feststellen: Die Zahl der getöteten Zivilisten in Afghanistan in den ersten drei Quartalen dieses Jahres ist im Vergleich zu den ersten drei Quartalen des letzten Jahres leider nicht zurückgegangen. Es sind jeweils rund 2 500 Zivilisten getötet worden. Die Terrorgefahr ist tatsächlich überall präsent, wie wir am Generalkonsulat in Masar schmerzlich erleben mussten. Ich schließe mich ausdrücklich dem Dank der Ministerin an.
Wir Obleute haben alle stündlich verfolgt, wie sich die Situation in Masar entwickelt hat, und wir haben den Eindruck, dass die Bundeswehr und ihre verbündeten Streitkräfte da sehr umfassend und sehr gut reagiert haben. Leider hat es Opfer unter der Zivilbevölkerung und unter den einheimischen Sicherheitskräften gegeben, die natürlich in Zukunft unter allen Umständen verhindert werden müssen.
Es gibt natürlich ein Defizit an Good Governance in der Hauptstadt. Die Regierung mit der Doppelspitze funktioniert nur höchst unvollkommen – ein echter Hemmschuh für eine schnellere und bessere Entwicklung. Wir haben Pakistan, das nach wie vor ein Rückzugsort für die Taliban und terroristische Kräfte ist. Der pakistanische Premierminister muss aus unserer Sicht erst beweisen, dass er ein „terrific guy“ ist. Wir sehen ihn nicht als wirklichen Erfolgsfaktor in der Region an, sondern wir mahnen die pakistanische Regierung an, auch mehr gegen den Terrorismus im eigenen Land zu machen.
Ich bin der Meinung, dass wir uns natürlich mit Blick auf die vielen, insbesondere jungen Afghanen, die gegenwärtig außerhalb Afghanistans leben, die Frage stellen müssen: Was können wir tun, um diese jungen Menschen zu bewegen, in ihr Heimatland zurückzukehren und dort am Aufbau des Landes mitzuwirken? Es macht ja keinen Sinn, wenn die ganzen Jungen und im Zweifel auch die besser Ausgebildeten, zum Beispiel die, die Englisch beherrschen, dann in anderen Ländern, zum Beispiel in Deutschland, wo es 250 000 Afghanen gibt, leben. Wenn wir von denen sprechen, die abgeschoben oder zurückgeführt werden können und müssen, dann sprechen wir nur von einem kleinen Teil. Ich glaube aber, dass es unter den anderen auch viele gibt, die bei entsprechenden Anreizen bereit und in der Lage sind, den Aufbau ihres Landes zu fördern und zu betreiben. Da würde ich mir wünschen, dass wir da noch mehr Fantasie und Kreativität entwickeln, dass mehr von diesen Menschen auch tatsächlich ihr eigenes Land mit aufbauen.
Wir werden in die Beratung dieses Antrags mit großer Sorgfalt einsteigen. Wir werden in den Ausschüssen darüber reden, aber ich habe keinen Zweifel daran, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Ende der Verlängerung des RSM-Mandats auch zustimmen wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Florian Hahn für die CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan |