Dagmar SchmidtSPD - Grundsicherung für arbeitsuchende Ausländer
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Debatte waren wenigstens noch vier Personen auf den Rängen; jetzt ist leider niemand mehr da.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Ihr habt es geschafft! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das wird im Fernsehen übertragen! Keine Bange!)
Sehr geehrte Damen und Herren, die Idee der europäischen Freizügigkeit ist die Idee, in jedem europäischen Land arbeiten und für seinen Lebensunterhalt sorgen zu können. Es ist nicht die Idee, einfach irgendwo in jedem europäischen Land wohnen zu können. Ich glaube, dass wir an diesem Kern auch nicht rütteln sollten.
Die Rechte, die aus dieser Arbeit entstehen, sind – und das ist viel wert – für jeden in Europa, der Arbeit gefunden hat, dieselben. Wer in Deutschland eine Arbeit aufgenommen hat und seine Sozialabgaben zahlt, hat daraus die gleichen Rechte wie die Deutschen. Dieser Zugang zu Sozialleistungen ist sehr niedrigschwellig. Schon nach einem Jahr Arbeit hat man Zugang zu allen Leistungen nach dem SGB II. Wer weniger als ein Jahr hier gearbeitet hat, hat Anspruch auf ein halbes Jahr Unterstützung, um neue Arbeit zu finden. Das alles ist sehr niedrigschwellig.
Auch der Vorschlag der Grünen löst das Problem, über das wir ganz am Anfang gesprochen haben und aus dem das resultiert, was wir heute diskutieren, nicht. Ich habe zwar große Sympathien dafür; denn wer arbeiten will, gehört nicht in den Geltungsbereich des SGB XII, sondern des SGB II. Aber wenn am Ende des Tages doch keine Arbeit gefunden wurde, dann bleibt es auch nach dem Lösungsvorschlag der Grünen bei dem Problem: Die Betroffenen bekommen zwar keine Leistungen, sind aber nach wie vor in unserem Land, und die sozialen Probleme verlagern sich auf die Städte und Kommunen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht so! Da steht etwas anderes drin!)
Deswegen sind, glaube ich, vor allem drei Dinge notwendig. Wir brauchen erstens ein intensiveres Engagement, um die soziale Integration in Europa voranzutreiben. Wir brauchen europäische Mindeststandards, und wir brauchen – das meine ich sehr ernst – einen kompromisslosen Schutz von Minderheiten.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen zweitens – ich bin froh, dass auch die Sachverständigen in der Anhörung bestätigt haben, dass der Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, eine sehr breite Härtefallregelung beinhaltet – eine Härtefallregelung, die die Probleme löst, die zum Beispiel dadurch entstehen – das sind leider keine Einzelfälle –, dass Menschen, die hier arbeiten, ihren Lohn nicht ausbezahlt bekommen und ihre Rechte einklagen müssen. Auch in der Zeit, in der sie hier sind, um ihre Rechte einzuklagen, brauchen sie Unterstützung.
Es gibt auch Frauen, die mit ihren Familien hierhergekommen sind, deren Mann sich aber von ihnen trennt und woanders Arbeit findet. Oft hat die Familie dann aber schon hier Wurzeln geschlagen, und die Kinder gehen bei uns zur Schule. Auch für diese Fälle brauchen wir Regelungen, vor allem für die Kinder, die hier leben, ihre Ausbildung hier begonnen haben und ihre Heimatländer teilweise gar nicht oder kaum kennen. Für alle die müssen wir eine Härtefallregelung finden.
(Beifall bei der SPD)
Drittens brauchen wir – und das haben wir mit dem Staatssekretärsausschuss und im Nachgang dazu schon gemacht – eine Stärkung der Kommunen. Die Kommunen brauchen mehr Geld, um in den sozialen Brennpunkten und da, wo es nötig ist, Hilfe und Unterstützung leisten zu können.
Wir brauchen die Öffnung der Integrationskurse. Auch das haben wir damals schon beschlossen. Alle wissen, dass wir schon dabei sind und dass es in dieser Situation, in der wir auch die Integration der Flüchtlinge bewältigen müssen, nicht so einfach ist, das alles so schnell zur Verfügung zu stellen, wie es nötig ist. Aber auch daran arbeiten wir.
Die Freizügigkeit in Europa ist eines der größten Geschenke, die wir bekommen haben. Wenn uns Mitte des letzten Jahrhunderts jemand gesagt hätte, dass man heute frei durch Europa reisen und überall arbeiten kann, dann hätten wir das wahrscheinlich nicht geglaubt. Unsere nächste große Aufgabe ist es, –
Das machen wir aber nächstes Mal.
– den sozialen Zusammenhalt in Europa zu stärken.
Glück auf!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist nett, dass die Kollegen der CDU/CSU mitstoppen. Das freut mich sehr.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Intuition!)
Das tun Sie jetzt bitte bei Herrn Zech auch. – Der nächste Redner ist der Kollege Tobias Zech für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7039026 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Grundsicherung für arbeitsuchende Ausländer |