Heribert HirteCDU/CSU - Änderung der Insolvenzordnung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Abend! Herr Kollege, die Aufklärung in Sachen Finanzkasino war daneben.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Gut zuhören, Herr Pitterle!)
Ich kann nur sagen: Was die BaFin gemacht hat, ist richtig. Ich werde das gleich auch erklären. Herr Schäuble braucht auch keinen Grundkurs in Sachen Staatsorganisationsrecht. Auch diese Bemerkung war schlicht daneben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])
Wir reden hier über etwas ganz anderes, nämlich über § 104 Insolvenzordnung, das Close-out Netting. Der Kollege Brunner hat eben schon deutlich gemacht, worum es geht. Close-out heißt, dass bei bestimmten Kreditvertragstypen der Vertrag beendet wird. Er wird zweitens genettet, nämlich aufgerechnet, und zwar in der Weise, dass das Risiko aus verschiedenen Verträgen zusammengefasst wird. Was hier in Rede steht, ist in der Tat ein Riesenvolumen. Der Kollege Christoph Paulus von der Berliner Universität hat uns das in der Anhörung sehr deutlich gemacht: Es geht um ein Gesamtvolumen von 605 Billionen Euro. Davon besteht ein mögliches Insolvenzrisiko in Höhe von 24 Billionen Euro. Es ist richtig, dass wir, weil diese Forderungen und Verbindlichkeiten zusammenhängen, sie dann auf 3,7 Billionen Euro reduzieren.
(Zuruf der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Kollegin Keul, jetzt fragen wir uns: Warum müssen wir das Gesetz reformieren? Da muss man noch einmal gucken, wann das Gesetz in der jetzigen Form geschaffen wurde.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor der Finanzkrise!)
– Sie können gleich darauf erwidern. – Im Jahr 2004 hat nämlich die damalige rot-grüne Koalition die jetzige Norm geschaffen.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Genau!)
Da gab es dann Nachfragen von der Bayerischen Staatsregierung. Die hat Ihnen, der rot-grünen Koalition, Fragen gestellt und damit den Eindruck erweckt, dass die rot-grüne Koalition – so heißt es hier in der Ausschussdrucksache aus dem Jahr 2004 mit der Nummer 15/2584 – „das Großkapital schützen wolle und die kleinen Firmen zugrunde richte“. Dann haben wir alle – leider ohne die Linken, aber das ist nicht so überraschend – zusammengearbeitet und haben gemeinsam mit dem BMJ – wie es damals noch hieß – diesen „bodenlosen Behauptungen“, die Sie jetzt bringen, obwohl Sie damals genau das Gegenteil gesagt haben, „die Grundlage entzogen“.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Dann hat Ihr Vorgänger Jerzy Montag, ein guter Mann, gesagt, die jetzige Fassung diene „dem Schutz des Bankenplatzes Deutschland“ und stelle auch sicher, dass „in der Insolvenz nicht auf Baumaschinen, nicht auf Forderungen und nicht auf andere Gegenstände“ zurückgegriffen werden könne. „ Mit dem Ergebnis des ... Entwurfs“, über dessen Korrektur wir jetzt heute beraten, „könne man sehr zufrieden sein.“
Der Bundesgerichtshof hat sich mit Ihrem Gesetz auseinandergesetzt und festgestellt, dass manches von dem, was Sie damals wollten, nicht funktionierte. Wir korrigieren Ihre Fehler, und Sie sagen jetzt, wir schützten die Banklobby. Ich halte das für daneben; das muss man wirklich sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Man kann dann noch einen Schritt weitergehen und nachfragen. Sie haben das in der Pressemitteilung von gestern so schön gesagt: Die Großbanken kriegen Privilegien gesichert, und deshalb müssten wir eine Sondersitzung abhalten.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben Sie beantragt!)
– Das ist Ihre Pressemitteilung, die ich hier zitiere. – Und deshalb lehnen Sie es ab. – Auch das stimmt nicht. Schauen Sie doch bitte einmal in das Gesetz hinein. Frau Keul, dazu können Sie gleich etwas sagen. § 340 der Insolvenzordnung besagt, dass bei solchen Verträgen das Recht gilt, was vereinbart wurde. Das heißt, man kann der Regelung entfliehen. Es ist also nicht so, dass die Banken dann alle sofort pleitegehen. Sie werden die Verträge ändern, und dann haben wir einen Vertrag nach englischem Recht, der genau das vorsieht, was wir jetzt hier vorschlagen. Ich muss schon sagen: Ich halte es für richtig, dass deutsche Banken auch deutsches Recht nutzen können.
Wir stellen noch einen Punkt im Ausschussbericht klar, der in der Anhörung zweifelhaft war, nämlich dass Erfüllungsansprüche dann gegengerechnet werden können. Das halte ich für wichtig.
Aber ich möchte zu einem weiteren Punkt noch etwas sagen, zur Streitwertgrenze. Ja, die Überlegung, ob die Streitwertgrenze und die Fortschreibung der Streitwertgrenze der richtige Ansatz ist, den Zugang zum Bundesgerichtshof zu kontrollieren, ist zweifelhaft. Herr Kollege Brunner hat es eben schon gesagt: Da müssen wir ein bisschen grundsätzlicher herangehen. Ich habe in der Ausschusssitzung vorgestern genau das gesagt: Wir sind für eine solche weiter gehende Lösung offen.
Wir sind hier in Vorlage gegangen. Wir haben gestern gesagt, dass die Erweiterung des Ansatzes des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ein Punkt ist, an dem wir weitergehen würden und weitergehen können. Das Justizministerium hat inzwischen nachgezogen. Wir finden das gut. Darüber können wir reden. Dann können wir erwägen, ob wir zum Beispiel bei identischen Sachverhalten, die mehrere Personen betreffen, oder bei Streuschäden eine Regelung treffen, dass der Streitwert, der als Grenze des Zugangs zum Bundesgerichtshof dient, herabgesetzt wird. Da gibt es also Reformbedarf. Wir werden darüber reden. Mit dieser Änderung wird die Zeit überbrückt, bis die wesentlichen Änderungen kommen werden.
Der letzte Punkt. Natürlich ist das nicht das Ende der Reformen im Insolvenzrecht. Wir werden das Anfechtungsrecht reformieren. Wir warten auf die Vorschläge und die Antworten der SPD. Wir werden auch das Konzerninsolvenzrecht reformieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Dr. Hirte. – Nächste Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Änderung der Insolvenzordnung |