Sören BartolSPD - Verkehrswegepolitik
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Leidig, wer Ihre Rede gehört hat, wird sagen: Sie sollten erst einmal an Ihrem Demokratieverständnis arbeiten. Wenn etwas Demokratie ist, dann die Beratung und die Beschlussfassung in diesem Hohen Hause.
(Zurufe von der LINKEN)
So zu tun, als ob das nichts mit Demokratie zu tun hat, das ist wirklich eine Unverschämtheit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Deutschland braucht gute Straßen, Schienen- und Wasserwege. Sie sichern unsere Mobilität. Sie sorgen dafür, dass Mittelstand und Industrie wachsen können. Sie sorgen für persönliche Freiheit und gute Arbeit in den Unternehmen. Ein Land, das im Stau steht, bleibt zurück. Ein Land, das baut, bleibt in Fahrt.
(Gustav Herzog [SPD]: Sehr gut!)
In dieser Woche treffen wir wichtige verkehrspolitische Entscheidungen. Gestern Abend haben wir bereits die Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen beschlossen. Dadurch werden 2018 bis zu 2 Milliarden Euro Mauteinnahmen erwirtschaftet, die wir wieder in die Straßen investieren wollen. Heute werden wir darüber entscheiden, in welchen Bereichen wir das Geld der Steuer- und Mautzahler investieren wollen und welche Prioritäten wir setzen. Wir werden für ganz Deutschland festlegen, welche Ausbauprojekte in den kommenden 15 Jahren gebaut werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben gemeinsam intensiv über die drei Ausbaugesetze für die Straße, die Schiene und die Wasserstraße diskutiert. Zu keinem Gesetz haben wir in dieser Legislaturperiode so viele Fachexpertinnen und Fachexperten gehört wie hierzu. Zu keinem Gesetz haben in den letzten drei Jahren so viele Sitzungen der Fachausschüsse stattgefunden wie hierzu. Dabei haben wir Kurs gehalten. Die Wünsche aller einzelnen Wahlkreisabgeordneten waren groß. Aber die Summe aller Wünsche macht in der Gesamtheit keinen guten Plan. Wir haben uns an die Grundsätze gehalten, die wir zuvor in der Koalition vereinbart hatten.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das sind die falschen!)
Wir investieren vorrangig in das bestehende Netz. Wir werden über 70 Prozent aller Mittel in die bestehenden Verkehrswege investieren und sie sanieren. Wir denken Bedarf und Finanzierung zusammen. „ Wünsch dir was“ gibt es nicht!
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jedes Projekt, dessen Bedarf als prioritär festgelegt worden ist, hat eine Chance, bis 2030 gebaut zu werden.
Wir setzen auf die überregionalen Projekte
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen Hunderte von Umgehungsstraßen!)
und bauen dort, wo Pendlerinnen und Pendler tagtäglich im Stau stehen. Das Bauen nach Himmelsrichtungen gehört der Vergangenheit an.
Klar ist: Kein Gesetz geht so aus dem Bundestag heraus, wie es hineingekommen ist.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht schlecht rein und kommt noch schlechter raus!)
Nach den Diskussionen mit den Fachexpertinnen und -experten hat der Verkehrsausschuss bei einzelnen Projekten die Prioritäten verändert. Anders, als es die Kommentierung mancher in diesem Hause vermuten lässt, sind bei nur 1 Prozent der Projekte Veränderungen vorgenommen worden. Sie sind fachlich sinnvoll. Politisch halten wir damit Maß und Mitte.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser Stelle auf einen Punkt eingehen, der oft negativ diskutiert und kommentiert wird: den Bau von Ortsumgehungen. Offensichtlich verstehen Abgeordnete mit einem klaren Wahlkreisbezug besser, welche Bedeutung Ortsumgehungen haben. Sie sorgen dafür, dass die Anwohner nicht mehr den Eindruck haben, dass die Lkw nachts quer durch ihr Wohnzimmer fahren. Teilweise kommen die Leute nachts vor Erschütterungen nicht mehr in den Schlaf. Die Kaffeetassen vibrieren im Wohnzimmerschrank. Die Laster verpesten die Innenstädte und Dörfer mit schlechter Luft. Häufig wohnen genau dort die Menschen, die sich woanders keine Wohnung leisten können.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ignorieren die Bedürfnisse der Anwohnerinnen und Anwohner vor Ort.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie bauen doch Straßen, die vor Ort keiner wollte!)
Außerdem – ich muss das so sagen, auch wenn ich selbst betroffen bin – ist Ihre Kritik doppelzüngig: Den alten Bundesverkehrswegeplan haben wir als SPD und Grüne gemeinsam verabschiedet. Damals waren es über 700 Ortsumgehungen. Jetzt haben wir die Anzahl auf 500 reduziert. Damit wird auch klar: Wir setzen neue Prioritäten, ohne den Bedarf in den Regionen zu vernachlässigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Deutschland nicht im Stau stecken bleiben will, brauchen wir am Ende mehr Verkehr auf der Schiene. Unser Ziel ist die Verdopplung der Kapazität im Schienennetz bis 2030. Wir haben erreicht, dass das Bundesverkehrsministerium bis Ende 2017 für alle bisher nicht gerechneten Projekte die Kosten-Nutzen-Rechnung vorlegen wird. Projekte, bei denen der Nutzen am Ende größer als die Kosten ist, werden wir entsprechend einstufen und bauen.
(Beifall bei der SPD)
Klar ist: Der Ausbau der Schiene wird nur mit einer starken Bürgerbeteiligung und mehr Lärmschutz gehen.
(Beifall bei der SPD)
Daher wollen wir den Dialog, der mit der Erarbeitung des Bundesverkehrswegeplans begonnen wurde, bei jedem einzelnen Projekt fortführen. Alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollten sich an diesem Dialog beteiligen. Wir sollten uns dabei aber auch daran erinnern, dass wir heute fraktionsübergreifend und einvernehmlich den weiteren Ausbau der Schiene fordern. Denn – ich sage das einmal deutlich – wir können nicht hier in Berlin immer die Verkehrswende fordern und dann vor Ort zur Speerspitze der Bürgerproteste werden.
(Beifall bei der SPD)
Unsere Aufgabe ist es, Kompromisse zwischen Ausbaunotwendigkeit und Lärmschutz zu finden und dann am Ende im Bundestag gemeinsam die Mehrkosten auch für den Lärmschutz bereitzustellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gemeinsam haben wir einen großen Konsens erreicht, der von vielen in unserem Lande mitgetragen wird. Das war nur möglich, weil wir seit über einem Jahr in der Koalition sehr vertrauensvoll an diesem wichtigsten verkehrspolitischen Projekt in dieser Legislaturperiode gearbeitet haben. Dies wurde vor allem auch durch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ermöglicht. Dafür herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Entscheidend ist jedoch, was der Deutsche Bundestag am Ende beschließt.
Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die in den letzten Wochen sehr intensiv an den Ausbaugesetzen gearbeitet haben. Dazu gehören insbesondere die Kollegin Kirsten Lühmann, die Kollegen Vaatz, Lange, Gustav Herzog und Patrick Schnieder. Vielen Dank für die Mühe, die Sie sich gemacht haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Außerdem freue ich mich besonders, dass Landesverkehrsminister Christian Pegel aus Mecklenburg-Vorpommern heute hier anwesend ist und auch zum Bundesverkehrswegeplan reden wird. Er hat uns als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz der Länder konstruktiv begleitet, als wir gemeinsam den neuen und modernen Bundesverkehrswegeplan erarbeitet haben. Vielen Dank dafür.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt entscheiden wir, welche Projekte bis 2030 gebaut werden sollen. Und dann heißt es am Ende: planen, planen, planen. Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten, dass die Planungen schnell, vielleicht auch ein bisschen schneller als bisher vorankommen, damit am Ende die Bauwirtschaft in Deutschland ordentlich etwas zu tun hat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie beschließen das!)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun die Kollegin Valerie Wilms das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7039093 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 207 |
Tagesordnungspunkt | Verkehrswegepolitik |