Ingrid PahlmannCDU/CSU - Familienpolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag ruft ein absolut wichtiges Thema auf die Tagesordnung. Da sind wir uns – davon gehe ich ganz fest aus – nicht nur hier im Hohen Hause einig. Es muss uns gemeinsam gelingen, Kinder vor Armut zu beschützen. Wir als Regierungsfraktionen nehmen dieses Thema ernst; das wurde bereits von meinen Vorrednern deutlich gemacht.
Wir haben viel Geld in die Hand genommen, sowohl für direkte Förderung von Kindern und Familien als auch für die Förderung von Infrastruktur. Die Schlagworte sind und bleiben: die Erhöhung des Kindergeldes, die Erhöhung des Kinderzuschlages, die Erhöhung des Kinderfreibetrags, die Einführung von Elterngeld Plus, weitere Milliarden für den Ausbau der Kinderbetreuung und vor allem auch die Steigerung der Qualität in Kitas.
Aber eins muss uns auch klar sein: Mit Geld allein werden wir unsere Kinder nicht stark machen und vor Armut schützen. Einmal Hand aufs Herz: Wenn Sie in Ihrem Antrag von den Blicken sprechen, die ein Kind zu spüren hat, wenn der Ranzen zu Beginn eines neuen Schuljahres noch der alte vom Vorjahr ist, dann sprechen Sie nicht von zu wenig finanziellen Mittel, sondern von ganz anderen Herausforderungen, die wohl eher in unserem menschlichen Wertesystem zu suchen sind.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber zurück zu Ihrem Antrag mit der scheinbar simplen Gleichung: mehr Geld gleich mehr Gerechtigkeit und starke Familien. So einfach ist es aber nun einmal leider nicht. Es ist vielmehr auch eine gesellschaftliche Haltung notwendig, die klar zeigt: Ja, wir wollen Kinder! Ja, wir wollen Familien dabei unterstützen, ihren Nachwuchs gut ins Leben zu bringen! Man kann an der Stelle immer wieder das afrikanische Sprichwort „Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ zitieren. Wir brauchen eine Gesellschaft, die hinschaut, die sich einmischt, die Kinder und Familien unterstützt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nicht nur bei mir im Wahlkreis haben sich in den vergangenen Jahren engagierte Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, die ihre soziale Verantwortung ernst nehmen, Kirchen und Wohlfahrtsverbände zusammengeschlossen, um ganz gezielt für mehr Gerechtigkeit für unsere Kinder zu sorgen.
Im Jahr 2008 hat sich in meiner Heimatstadt Gifhorn eine Initiative unter dem Motto „Kleine Kinder immer satt“ gebildet. Ihr Ziel war es damals, allen Kindern in den Kindertagesstätten und Ganztagsschulen ein warmes Mittagessen zu ermöglichen. Und richtig, ich sagte: Es war ihr Ziel. – Mittlerweile wurde dieses Ziel auch durch das von Ihnen, liebe Opposition, gerne kritisierte Bildungs- und Teilhabepaket erreicht.
Natürlich kann man sagen: Es ist eine Schande, dass wir in unserem Land überhaupt engagierte Menschen benötigen, um allen Kindern ein warmes Mittagessen ermöglichen. Und ich sage Ihnen als Berichterstatterin meiner Fraktion für bürgerschaftliches Engagement auch, dass wir in unserem Land natürlich nicht jedes Problem über freiwilliges Engagement lösen können und es auch die eine oder andere Tendenz diesbezüglich einzufangen gilt. Doch wir müssen uns auf der anderen Seite auch klarmachen: Der Staat alleine kann nicht alles richten, und er hat auch nicht immer für alles die beste Lösung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Geschichte des Gifhorner Kinderfonds geht nämlich noch weiter. Man hat sich immer neue Ziele gesteckt. Mittlerweile unterstützt man beispielsweise auch den Besuch kultureller Veranstaltungen, ist man in die Hausaufgabenhilfe eingestiegen, bietet man Sportprogramme in Kooperation mit örtlichen Sportvereinen an, setzt man Projekte zur Gewaltprävention und Selbstbewusstseinsförderung der Kinder und vieles mehr um. Kurzum: Aus „Kleine Kinder immer satt“ wurde: Kleine Kinder immer satt hinsichtlich Ernährung, Bildung, Bewegung und sozialer Teilhabe.
Noch viel wichtiger ist: Der Fokus hat sich erweitert. Es profitieren – anders als es nach Ihrem Antrag sein würde – nicht mehr ausschließlich benachteiligte Kinder, sondern alle Kinder völlig unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem sozialen oder finanziellen Hintergrund. Es werden mit dem Projekt alle Kinder gestärkt und nicht mehr einzelne stigmatisiert.
Eine starke Zivilgesellschaft kann mehr leisten, als wir mit jedem neuen Gesetz schaffen können. Vor allem ist sie in der Lage, zielsichere Lösungen zu entwickeln. Allein in meiner Heimat, dem Landkreis Gifhorn, liegt der Anteil von Kindern in SGB-II-Bezug je nach Gemeinde zwischen unter 1 Prozent und über 15 Prozent. Dass pauschale Lösungen hier nicht die besten sind, denke ich, liegt absolut auf der Hand. Eine starke Zivilgesellschaft mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern erzeugt veränderte Blickwinkel, sieht, wo etwas fehlt, setzt neue Anreize und kann Probleme vor Ort anders angehen als wir mit unserer doch immer etwas weit entfernten Sicht der Berliner Politik.
Sie können mir glauben: Ein Austausch mit diesen engagierten Menschen, deren Arbeit ich wirklich sehr schätze, ist immer wieder eine Herausforderung, und, am Rande, kann manchmal ziemlich anstrengend sein. Dennoch profitieren alle von diesen Gesprächen.
Die Mitglieder des Kinderfonds sind zu starken Vertretern der Kinder geworden. Sie fordern beispielsweise – in den ersten Jahren war das wohl auch nicht ganz zu Unrecht – weitere Vereinfachungen bei der Beantragung, Bewilligung und Auszahlung der Leistungen für Bildung und Teilhabe.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau!)
Da hat sich aber in den letzten Jahren einiges verbessert; Klammer auf: auch weil die zuständigen Kommunen mittlerweile ausreichend Zeit hatten und sich gut auf ihre neuen Aufgaben einstellen konnten; Klammer zu.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie es den Kommunen nicht einfacher machen?)
Es gibt selbstverständlich auch bei anderen Programmen immer wieder Möglichkeiten für eine bessere Handhabung der bürokratischen Anforderungen. Darauf müssen wir natürlich achten.
Anders als das in Ihrem Antrag der Fall ist, fordern die Menschen, die sich tagtäglich mit dem Thema auseinandersetzen, nicht ein Mehr an pauschalen Geldleistungen an die Eltern, sondern ein Mehr an Direktzahlungen zum Wohl der Kinder – ohne den Umweg über das Konto der Eltern.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir beim Bildungs- und Teilhabepaket auch!)
Ganz sicher gibt es noch vieles zu verbessern. Gerade bei Alleinerziehenden müssen wir noch mehr tun, um ihr meist unverschuldetes Armutsrisiko zu senken. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist hier ein wichtiger Beitrag, ebenso das „KitaPlus“-Programm; wir haben es schon gehört.
Wie ich in meiner Rede vor ziemlich genau einem Jahr bereits gesagt habe, sind auch Unternehmen in der Pflicht; darauf müssen wir immer wieder hinweisen. Sie müssen Alleinerziehenden flexiblere Arbeitszeitmodelle anbieten. Dafür möchte ich allerdings keine staatlichen Zwangsmaßnahmen. Ich bin der Überzeugung, dass es beim sich abzeichnenden Fachkräftemangel auch im Interesse der Unternehmen ist, Alleinerziehenden gute Rahmenbedingungen und Verdienstmöglichkeiten zu bieten. Damit wäre der Wirtschaft, den Alleinerziehenden, aber vor allen den Kindern geholfen.
Grundsätzlich möchte ich an dieser Stelle einmal ganz klar sagen: Ich finde das Thema zu wichtig, um es parteipolitisch auszureizen. Sie wissen doch ganz genau – anders als Sie es in Ihrem Antrag schreiben –, dass die Unionsfraktion hinter der wichtigen Ausweitung des Unterhaltsvorschusses steht und das Vorhaben in den letzten Monaten auch vorangetrieben hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie wissen aber auch ganz genau, dass eine überstürzte und vor allem schlecht geregelte Umsetzung des Vorhabens unsere Kommunen vor große Probleme stellt, dass die Bundesländer in der Finanzierung mitzureden haben – die stehen zum Teil auf der Bremse – und dass am Ende schlichtweg niemandem geholfen ist und Frust aufgebaut wird, wenn sich die Auszahlung durch diese Probleme womöglich verzögert.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]:Deshalb lieber gar nichts machen! Super!)
– Reden Sie nicht immer alles schlecht – das möchte ich vor allen Dingen an die linke Ecke des Hauses richten –, was wir in diesem Hause anpacken! Sicherlich kann und muss man alles weiterentwickeln; aber das, was wir geschafft haben, darf man auch einmal benennen und als gut anerkennen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Denn das Aufreißen neuer Gräben stärkt nicht die linke Seite dieses Hauses, sondern wird dafür sorgen, dass auf der rechten Seite etwas Einzug hält, was uns allen hier im Haus nicht gefallen wird und was die Schwächsten in unserem Land weiter schwächen würde.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Abschließend bleibt mir noch zu sagen: Wir brauchen kluge, durchdachte Konzepte, um unsere Familien und Kinder wirklich zu stärken. Die finde ich trotz vieler Worte in Ihrem Antrag leider nicht. Deshalb kann ich dem Antrag trotz des guten Ansinnens nicht zustimmen.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müssen Sie heute auch nicht!)
Aber ich freue mich wie viele meiner Kollegen auf gute weitere Beratungen. Dann werden wir auch zu Lösungen kommen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin spricht Ulrike Bahr für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7039143 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 207 |
Tagesordnungspunkt | Familienpolitik |