02.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 207 / Tagesordnungspunkt 8

Ulrike BahrSPD - Familienpolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kein Kind darf verloren gehen. – Das ist unser sozialdemokratisches Leitbild. Dazu gehört natürlich auch die wirtschaftliche Absicherung von Familien, und zwar von allen Familien. Dazu gehören auch Alleinerziehende, Patchworkfamilien und alle, die Sie genannt haben. Aber aus meiner beruflichen Erfahrung heraus weiß ich, dass die Investition in direkte Unterstützungsleistungen nicht ausreicht und nicht immer der beste Weg ist, um Kinder zu fördern, um ihnen Bildung und echte Teilhabe zu eröffnen. Teilhabe braucht zweifellos Geld, aber darüber hinaus noch viel mehr. Wir brauchen Geld, Zeit und Infrastruktur und müssen immer vom Kind aus denken, egal wie es im Geldbeutel der Eltern aussieht.

(Beifall bei der SPD)

Neben direkten finanziellen Hilfen müssen wir strukturell ansetzen, um Armutskarrieren zu durchbrechen und die soziale Spaltung der Gesellschaft nicht weiter voranzutreiben. Die Armut in zweiter, dritter und vierter Generation ist es, die in allen Berichten über Familienarmut vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband bis hin zur Bertelsmann-Stiftung besonders alarmierend wirkt. Gegen solche über Generationen hinweg verfestigte Armut brauchen wir an allererster Stelle nach meiner Überzeugung von klein an gute und kostenfreie Angebote für Bildung, Kultur und Sport.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich in ihrem Zukunftsprojekt für beitragsfreie Ganztagskitas ausgesprochen. Dies fördert und integriert Kinder und entlastet gleichzeitig Eltern und besonders Alleinerziehende enorm, weil sie dann auch Zeit für Arbeit oder Aus- und Weiterbildung haben, und zwar ohne entwürdigende Antragstellung und Bedürftigkeitsprüfung. Einige sozialdemokratisch geführte Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Berlin gehen hier mit gutem Beispiel voran. In meinem Heimatland Bayern ist man davon leider noch weit entfernt.

In dieser Wahlperiode haben wir eine ganze Reihe von Anstrengungen unternommen, um in der frühen Bildung auch qualitativ gute Angebote zu schaffen, zum Beispiel, wie erwähnt, mit dem Ausbau der erfolgreichen Sprachkitas, in denen Kinder mit Schwierigkeiten in der Schlüsselkompetenz Sprache die nötige Unterstützung erhalten, ohne dass die Eltern etwas beantragen müssen; denn Sprache ist der Schlüssel zu jeder Form von Bildung und damit zur Selbstermächtigung, neudeutsch: „Empowerment“.

(Beifall bei der SPD)

Zur Stärkung von Kindern und ihren Eltern gehört in jedem Fall eine gute niedrigschwellige Beratung über Unterstützungsansprüche wie zum Beispiel den Kinderzuschlag, aber auch über die Bildungs- und Unterstützungsangebote vor Ort. Die Zivilgesellschaft engagiert sich hier zahlreich in Initiativen, die wir unterstützen sollten. Auch viele Mehrgenerationenhäuser leisten in der Beratung und in der Vernetzung von Familienangeboten eine hervorragende Arbeit. Auch sie haben wir mit unseren letzten Haushaltsbeschlüssen gestärkt. Denn gerade Familien mit wenig Geld, Eltern wie Kinder, profitieren besonders von kostenfreien Treffpunkten, Vernetzung, Tauschbörsen, offenen Angeboten und den damit verbundenen Kontakten.

Zur Stärkung von Familien gehört es auch, wenn Kinder, Jugendliche und Eltern einen Anspruch auf gute und einfache Lösungen bei Konflikten haben. In unserer geplanten SGB-VIII-Reform müssen wir deshalb auch unabhängige Ombudsstellen verankern. Sie unterstützen Kinder, Jugendliche und ihre Familien dabei, Probleme mit den Jugendämtern und Trägern zu klären und auszuräumen.

Und schließlich: Zum Anspruch „Kein Kind zurücklassen!“ gehören auch Teilhabeangebote und Unterstützung für Kinder, die bisher vollkommen durchs Raster fallen und die, wie ich finde, Helden des Alltags sind. Betroffen sind geschätzt 2 bis 3 Millionen. Ich meine, wie schon erwähnt, Kinder psychisch kranker Eltern oder Kinder, deren Eltern im Strafvollzug sitzen. Hier haben wir noch viel Arbeit und sollten uns möglichst pragmatisch und fraktionsübergreifend auf die Suche nach tragfähigen Lösungen mit aufsuchenden Beratungsstrukturen und vernetzten Hilfen machen. Unsere Kinder haben einen Anspruch darauf.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Mit Ausnahme der Passage über Bayern war es passabel!)

Sönke Rix hat als letzter Redner in dieser Aussprache das Wort.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7039317
Wahlperiode 18
Sitzung 207
Tagesordnungspunkt Familienpolitik
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