Josip JuratovicSPD - NATO-Beitritt Montenegros
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern früh kam die parlamentarische Freundschaftsgruppe für Südosteuropa zusammen. Zu Gast waren Forscher und Aktivisten aus dem Bereich der Pressefreiheit. Unser Thema war die Freiheit der Medien auf dem Westbalkan. Das Urteil der Experten fiel sehr schlecht aus. Das ist kein gutes Zeichen.
Gestern Nachmittag saß ich im Gesprächskreis Südosteuropa. Der Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Pristina und ein Wissenschaftler aus dem Kosovo berichteten über den zunehmenden Einfluss der Türkei auf dem Westbalkan. Das ist ebenfalls kein gutes Zeichen.
Dieser Tage durfte ich auch mit oppositionellen Abgeordneten aus Podgorica sprechen. Dabei musste ich feststellen, dass die Bedeutung der repräsentativen Demokratie und der Respekt vor der parlamentarischen Arbeit dort von unserem Verständnis leider um einiges entfernt sind. Auch dies ist für mich kein gutes Zeichen.
Vor einer Stunde kamen wir mit dem montenegrinischen Staatssekretär für Europa zusammen. Seine Vision – eine Annäherung an die EU – wird in der Praxis leider nicht so umgesetzt, wie wir uns das wünschen würden. Ein viertes Mal muss ich sagen: Kein gutes Zeichen.
Kolleginnen und Kollegen, der Deutsche Bundestag wird heute darüber entscheiden, ob wir unsere europäischen Nachbarn aus Montenegro in die nordatlantische Gemeinschaft der NATO aufnehmen wollen. Die soeben beschriebenen Gespräche hinterlassen bei mir eine gemischte Gefühlslage. Ich frage mich: Ist es wirklich richtig, Montenegro angesichts der immer noch vorhandenen Herausforderungen in die NATO aufzunehmen?
Warum werben wir für die Mitgliedschaft eines nicht immer einfachen Partners in einem Bündnis, das selbst bei nicht allen von uns unumstritten ist? Jenen, die sich hierbei angesprochen fühlen, möchte ich drei Antworten mit auf den Weg geben: Es geht um uns. Genauer gesagt, es geht um unsere guten sicherheitspolitischen Erfahrungen mit dem Bündnis NATO, um die strategischen Interessen unseres Landes und vor allem um die Werte der deutschen Außenpolitik. Kolleginnen und Kollegen, unsere Erfahrung zeigt uns: Deutschland und die anderen NATO-Mitglieder profitieren seit über einem halben Jahrhundert vom gegenseitigen Beistand. Die NATO ist eine jener Organisationen, die uns neben der EU seit 70 Jahren Frieden sichert, genau jenen Frieden, den Deutschland und Europa davor über Generationen nicht hatten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Die NATO hat das Leben ihrer aktuell 920 Millionen Einwohner sicherer gemacht. Sicherheit im Frieden ist das wichtigste Gut, das wir haben.
Wenn wir Montenegro in die NATO aufnehmen, ist dies ein Weg, unsere ureigenen Interessen zu verfolgen. Zu unseren Interessen gehört zunächst die eben beschriebene Sicherheit. Zu unseren Interessen gehört aber auch ein zusammenhängendes Bündnisgebiet. Wir wollen Partner einbinden, die sich sonst womöglich für andere Wege entscheiden. Um es deutlich zu sagen: Der Westbalkan ist bereits Spielball unterschiedlicher globaler und regionaler Mächte – auf einem Spielfeld direkt vor unserer Tür. Wir wollen jene Staaten in unsere sicherheitspolitischen Bündnisse einbeziehen, die sich ohnehin auf den Weg Richtung EU gemacht haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Denn zu unseren Interessen gehört auch ein starkes Europa. Wenn wir ein Europa haben möchten, das auf globaler Ebene auf Augenhöhe agieren kann, müssen wir geschlossen sein. Wenn wir geschlossen sein wollen, können wir uns keine Insel der Instabilität mitten in Europa leisten. Instabilität macht Europa angreifbar. In der Gesetzesbegründung heißt es:
Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass der NATO-Beitritt Montenegros einen Beitrag zu Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum leisten wird.
Genau diese Überzeugung teilen wir Sozialdemokraten.
Bei allen Zwängen und sicherheitspolitischen Notwendigkeiten basiert unsere Außenpolitik vor allem auf Werten. Dabei ist das Nordatlantische Bündnis einerseits Wert an sich, weil es für Kooperation steht. Darüber hinaus geht es um die großen demokratischen Werte. Es ist richtig: Gewaltenteilung, aber auch Pressefreiheit sind in Montenegro noch sehr ausbaufähig. Doch Montenegro ist bereits im Prozess des Beitritts zur EU. Die dazugehörige Demokratisierung kann sich in Montenegro umso besser entwickeln, wenn sich das Land der schwarzen Berge im Rahmen der NATO sicher fühlen kann. Das gemeinsame Sicherheitssystem erleichtert Demokratisierung und EU-Annäherung. Es stimmt: Montenegro ist kein lupenreiner demokratischer Staat. Aber um es mit den Worten eines großen Sozialdemokraten zu sagen: Wir wollen den Wandel durch Annäherung.
(Beifall bei der SPD)
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehen auf dem Westbalkan die Chance, in unserer Nachbarschaft Frieden und Stabilität zu bewahren. Das ist im Interesse der Menschen vor Ort und in unserem eigenen Interesse. Wichtig ist auch: Wir sind 25 Jahre nach dem Zerfall Jugoslawiens. Irgendwann – am besten so bald wie möglich – müssen die geschundenen Völker des Westbalkans ihre Ruhe bekommen. Sie sollen sich zugehörig fühlen. Keine gute Entwicklung wäre es, weiterhin ohne feste Perspektive zwischen unterschiedlichen globalen und regionalen Einflüssen hin- und hergerissen zu sein.
Der Westbalkan gehört in die NATO, weil der Westbalkan zu Europa gehört. Der Beitritt Montenegros zur NATO ist ein weiterer Schritt bei der Heranführung des Westbalkans an Europa. Daher bitte ich um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächster Redner hat Dr. Alexander Neu für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7039324 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 207 |
Tagesordnungspunkt | NATO-Beitritt Montenegros |