02.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 207 / Tagesordnungspunkt 33

Stephan AlbaniCDU/CSU - Änderung des Gentechnikgesetzes

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ein Forschungspolitiker verirrt sich unter die Landwirte.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir ahnen schon, was kommt!)

– Alles gut. – Den Forschern ist zu eigen, dass sie zwar genauso leidenschaftlich, aber in der Regel wesentlich ruhiger sind.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich möchte an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt im Jahr einen Vorschlag für zwei Unworte machen. Das eine ist „postantibiotisch“, und das andere ist „postfaktisch“.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Um es einmal deutlich zu machen: Wer diese Worte führt, verniedlicht zwei Dinge, die uns große Angst machen sollten. „ Postantibiotisch“ bedeutet, dass wir an dieser Stelle keine Antibiotika, keine Möglichkeiten mehr haben. Wir kapitulieren vor den Resistenzen. Das darf nicht sein.

(Beifall der Abg. Kordula Kovac [CDU/CSU])

Das heißt, an dieser Stelle müssen wir vonseiten der Forschung in Zukunft neue Wirkstoffe entwickeln. Wir haben mit diesem Haushalt erste Schritte in die richtige Richtung gemacht.

Das zweite Wort macht mir viel größere Sorge. „ Postfaktisch“ bedeutet, dass wir uns mehr von Emotionen, mehr von Sorgen und Ängsten leiten lassen als von den Fakten, die wir in aller Gemütsruhe bewerten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Den Gesetzentwurf, der hier vorliegt, fasse ich so zusammen, dass er auf der einen Seite die Gentechnikskepsis innerhalb der Bevölkerung bewertet und berücksichtigt, auf der anderen Seite aber die föderale Zuständigkeit in Deutschland weiterhin wahrt und zu guter Letzt die breiten Ressortkompetenzen der Bundesregierung vom Bundesministerium für Ernährung für Landwirtschaft bis hin zum BMBF mit in die Entscheidung einfließen lässt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Barbara Lanzinger [CDU/CSU]: Das ist wichtig!)

Ob das dann sechs sein müssen oder nicht, darüber kann man diskutieren, aber mir ist es insbesondere wichtig, dass die Forschung mit ihrer Kompetenz in diesem Zusammenhang gewahrt bleibt. Das ist wichtig, und das ist richtig so.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um kommerziellen Anbau und nicht um Forschung!)

Wir wollen auch über die Zukunft der Landwirtschaft und der Pflanzenzüchtung reden. Anders als Rote und Weiße Gentechnik hat die Grüne Gentechnik ein erhebliches Problem; das wissen wir alle nur zu gut. Früher war es bei Innovationen in der Roten Gentechnik ähnlich.

Ein Beispiel aus der Geschichte zeigt ein typisch deutsches Problem: Synthetisch hergestelltes Insulin war in den 1980er- und 1990er-Jahren eine Biotech-Innovation. Frankfurter Forscher entwickelten 1982 die massenproduktionstaugliche Insulinsynthese mit Mikroorganismen. Damals gab es Ressentiments, und zwei Jahre später verbot das hessische Umweltministerium den Betrieb einer ersten Versuchsanlage. Erst 1999 kam das neue Humaninsulin schließlich zum Patienten, allerdings zunächst aus den USA. – Chance verpasst, könnte man an dieser Stelle sagen.

Heute genießt das synthetische Humaninsulin breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Kaum ein Patient würde es ablehnen und auf Rinder- und Schweineinsulin bestehen. Warum? Weil es einen gewaltigen Nutzen hat: Kein Tier muss für die Herstellung sterben, es kommt zu keinen Versorgungsengpässen, es ist verträglicher und bio­identisch zum natürlichen Humaninsulin. Genau darum geht es: GVO-Produkte müssen einen klaren Mehrwert für die Endverbraucher haben.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, es geht nicht um Insulin, es geht um Pflanzen!)

– Das habe ich doch gerade gesagt; hätten Sie einmal den nächsten Satz abgewartet.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entweder Sie haben es gesagt oder nicht!)

Das ist das große Defizit, das wir momentan bei GVO-Innovationen im Bereich der Landwirtschaft haben.

Gentechnik aus Menschenhand als Eingriff in die DNA von Pflanzen und damit von Nahrungsmitteln und Ähnlichem ist nicht prinzipiell ein Eingriff in den göttlichen Bauplan, der etwas Dramatisches darstellt. Pflanzenzüchtungen beruhen auf der Tatsache, dass man spontane Mutationen abwartet, selektiert und beobachtet: Was ist nützlich, was ist risikoarm usw. usf.? Wir provozieren diese Mutationen mit Chemie und mit Strahlung, um auf diese Art und Weise schneller voranzukommen. Und was wir jetzt mit CRISPR/Cas9 und anderen Methoden haben ist gezielt und keine Genomlotterie mehr. Wir können Genome direkt ändern, das heißt aber nicht, dass wir die Risiken an dieser Stelle, wie wir sie im Medikationsbereich und in anderen Bereichen genau im Fokus haben, nicht berücksichtigen müssen. Das ist eine elementare Grundvoraussetzung! Denn: Man sollte es nur tun, wenn wir wissen, was wir tun. Und es ist notwendig, dass wir Forschung dabei berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich schließe mich, wie bereits einer meiner Vorredner, der Meinung von 113 Nobelpreisträgern an – bei mir sind es 113, vielleicht sind es jetzt mehr geworden –, die sagen, dass eine Blockade der Gentechnik auf Dauer nicht sinnvoll ist und die Menschlichkeit an dieser Stelle dahin gehend gewahrt bleiben muss, dass wir die Chancen, die diese Techniken bieten, auch in der Zukunft wahrnehmen können. Es ist unsere Verantwortung, das Verhältnis zwischen Chancen und Risiken, Forschung und Folgenabschätzung, Hoffnung und Sorgen wieder ins Lot zu bringen – auf der Basis von Fakten.

Bei einem Expertengespräch in dieser Woche brachte es Herr Dr. Rehberger vom Forum Grüne Vernunft auf den Punkt, als er die Motivation für sein Engagement für die Gentechnik erläuterte. Er sagte: Nicht für mich als 78-Jährigen wird dies noch Nutzen bringen, aber für die zukünftigen Generationen ist es eine Verpflichtung.

Dieser Verantwortung und dem notwendigen Gleichgewicht wird der Entwurf des Vierten Gentechnikänderungsgesetzes aus meiner Sicht gerecht. Er ermöglicht die Anwendungsforschung, aber auch Anbauverbote, wenn die Risiken zu groß erscheinen oder nicht absehbar sind.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7039378
Wahlperiode 18
Sitzung 207
Tagesordnungspunkt Änderung des Gentechnikgesetzes
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