Jutta EckenbachCDU/CSU - Entlastung Alleinerziehender
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alleinerziehend in Deutschland zu sein, ist nicht mit einem prekären Schicksal am wirtschaftlichen Ende der Gesellschaft gleichzusetzen.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Finde ich schon!)
Es ist zwar richtig, dass Alleinerziehende bestimmte Ausgaben im Zusammenhang mit der Versorgung eines Kindes oder mehrerer Kinder allein zu tragen haben; das liegt nun einmal in der Natur der Sache. Aber man kann doch nicht sagen, dass alle Alleinerziehenden vom SGB‑II-Bezug leben. Ich bin sehr froh, dass ein großer Teil der Alleinerziehenden in Vollzeit oder in Teilzeit ihren Lebensunterhalt bestreiten kann und nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist. Auch an sie sollten wir einmal denken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Förderung von Alleinerziehenden, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, erfolgt im Wesentlichen an drei Stellen; das ist gerade schon genannt worden. Es gibt erst einmal den grundsätzlichen Mehrbedarf. Darüber hinaus werden die Alleinerziehenden im Rahmen der sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft entlastet. Auch werden die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung ermittelt und gegebenenfalls erstattet. Letztendlich bedeutet das, dass Alleinerziehende, die Leistungen nach dem SGB II erhalten, 50 Prozent mehr als Paare bekommen. Wir fördern sie also schon heute. Insofern verstehe ich vieles von dem, was gesagt worden ist, nicht. Es ist nicht so, als würden wir dieses Problem in dieser Legislaturperiode nicht angehen. Wir haben hier einen guten Ansatz, den wir auch bezahlen können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])
Eines ist fragwürdig in der Diskussion, die wir führen – darüber haben wir noch nicht debattiert –: Diese 50 Prozent mehr an Leistungen gehen an die Eltern, die getrennt leben. Bei einem Familienverbund oder bei Lebensgemeinschaften werden diese 50 Prozent an Mehrbedarfskosten nicht gezahlt.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Eben! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben diesen Mehrbedarf auch nicht!)
Wir sollten uns darüber Gedanken machen, dass wir an dieser Stelle eine Ungleichgewichtung haben. Ich wäre eher für die Förderung von Gemeinschaften, als nur auf die Unterstützung von Menschen zu setzen, die eine gewisse Mitverantwortung für ihre Situation tragen, wenn ihre Lebensplanung nicht funktioniert hat.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss man dafür Anreize schaffen!)
Diese Verantwortung kann nicht auf den Staat abgewälzt werden. Auch hier werden wir darauf verweisen können, was wir alles schon gemacht haben.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber darunter dürfen die Kinder doch nicht leiden! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dafür können doch die Kinder nichts! Die Kinder sollen darunter leiden? Was ist das denn für eine Lebensphilosophie?)
Es ist heute von mehreren Rednern schon ausgeführt worden, dass Alleinerziehende im SGB-II-Bezug einen zusätzlichen Anspruch bei Einrichtungsgegenständen für das Kind bei einem temporären Aufenthalt haben. Wir erstatten die zusätzlichen, durch das Umgangsrecht bedingten Fahrtkosten. Wir erstatten höhere Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wenn das Kind zu Besuch ist, plus andere Bedarfe, je nach Besonderheit des Einzelfalls.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns vergegenwärtigen, was der Sinn und Zweck des SGB II ist. Zu unterscheiden ist davon der allgemeine Unterhaltsanspruch aus dem Familienrecht. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein – darauf habe ich schon einmal hingewiesen –, mit einer zusätzlichen Leistung den Streit der Eltern zu befrieden. Das kann nicht unser Anspruch sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gegenwärtig drehen wir uns hier im Kreis, wenn wir immer nur von der Bedürftigkeitssicht der Eltern ausgehen. Mit der Berechnung von Pauschalen, so wie es die Linke fordert, schaffen wir Ungerechtigkeiten gegenüber anderen Bedarfsgemeinschaften mit Kindern. Eine auf den Tag genaue Abrechnung des Regelsatzes für ein Kind führt schon heute zu einem riesigen Verwaltungsaufwand für die Jobcenter vor Ort.
(Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Den wollen wir ja gerade abschaffen! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Deswegen müssen wir weg davon!)
Nicht nur die Mehrkosten für die Berechnung sind unverhältnismäßig, auch die Personalbindung innerhalb der Jobcenter ist enorm.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Deswegen müssen wir weg davon! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb wollen wir das ändern!)
Deswegen haben wir bereits im Rahmen der Beratungen zum 9. SGB-II-Änderungsgesetz einen Vorschlag seitens des BMAS für eine Vereinfachung der Aufteilung des Kinderregelbedarfes diskutiert. Dabei ging es ganz und gar nicht um eine Verringerung des Regelbedarfes, wie es in der Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet worden ist. Das führte schließlich dazu, dass das Bundesministerium einen neuen Regulierungsvorschlag erarbeiten musste. Dieser Regulierungsvorschlag stellte aber im Ergebnis eine erneute finanzielle Bevorteilung für getrennt lebende Eltern dar. Ergebnis: Die bisherige Rechtslage blieb bestehen. Nach meiner persönlichen Ansicht wäre es durchaus wichtig, die Bedarfe für Kinder auch aus deren Sicht zu sehen. Ich denke, das wäre etwas, worüber wir uns wirklich noch einmal unterhalten sollten.
Ansätze, wie sich eine veränderte Sicht auswirken kann, zeigen die Regelungen beim Bildungs- und Teilhabepaket. Allerdings bin ich der Meinung, dass wir hier auch noch einmal über das Bildungs- und Teilhabepaket reden müssen,
(Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Abschaffen!)
damit es noch verbessert werden kann. Aber es folgt dem Ansatz, vom Kind aus zu denken. Ich denke, das ist ein vernünftiger Ansatz, den wir weiter verfolgen sollten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, wie eingangs gesagt, sehe ich auch die Notwendigkeit, Alleinerziehende noch mehr zu entlasten, hier aber nicht nur Alleinerziehende im Leistungsbezug. Wichtig sind für mich vor allem die Väter und Mütter, die morgens allein ihr Kind versorgen, es zur Kita oder zur Schule bringen, dann zur Arbeit hechten, um rechtzeitig fertig zu sein, damit sie wieder fürs Kind da sind, wenn die Kita schließt oder die Schule aus ist. Dabei habe ich noch nicht genannt, dass es auch noch zu pflegende Angehörige geben kann, dass das bisschen Haushalt erledigt werden muss und der eigene Freundeskreis aufrechterhalten werden möchte.
Schwerpunkt unserer politischen Arbeit wird daher weiterhin sein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Ich werde auch nicht müde, immer wieder an die Wirtschaft und an die Unternehmen zu appellieren, dass sie uns dabei unterstützen müssen. Aus meinem eigenen Wahlkreis, aus Essen, weiß ich, dass Evonik hier ganz viel macht und ganz flexibel ist, dass es also auch schon Arbeitgeber gibt, die sich auf diesem Wege befinden. Aber es wird nicht gehen, dass wir Alleinerziehende nur im SGB-II-Bezug unterstützen, sondern wir müssen sie aus der Sozialhilfe herausholen. Wir müssen ganz viele Wege finden, damit uns das gelingt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir als Parlament sollten diese Ansätze unterstützen. So kann ein guter beruflicher Werdegang trotz der Fülle an Aufgaben im Privaten auch für Alleinerziehende ermöglicht werden. Das sollte letztendlich unser Ziel sein, nicht die Spaltung der Gesellschaft, so wie es die Linke mit ihrem Antrag offensichtlich vorhat. Dem können und wollen wir heute nicht zustimmen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Machen wir auch nicht!)
Ich darf Ihnen 1 Minute und 40 Sekunden von meiner Redezeit schenken, einen schönen zweiten Advent wünschen und mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es war ja auch schon alles Wichtige gesagt! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So sind wir!)
Das Wort hat die Kollegin Sigrid Hupach für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7039395 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 207 |
Tagesordnungspunkt | Entlastung Alleinerziehender |