14.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 208 / Zusatzpunkt 1

Dorothee SchlegelSPD - Aktuelle Stunde zu den Terroranschlägen vom vergangenen Wochenende

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Das sagte Willy Brandt, als er 1971 den Friedensnobelpreis für seine Ostpolitik entgegennahm. Frieden ist – so Brandt – kein Urzustand, sondern muss immer wieder von Menschen geschaffen werden, heute wieder mehr denn je. Wir müssen Frieden aktiv gestalten und verteidigen, nach innen wie nach außen. Wir alle in diesem Hohen Haus bedauern die feigen, menschenverachtenden Anschläge vom vergangenen Wochenende. Ob in der Türkei, in Syrien, in Ägypten oder anderswo, Terror und Gewalt müssen ein Ende haben, gleichgültig von welcher Seite. Die Anschläge etwa in Istanbul dürfen jedoch nicht instrumentalisiert und als Rechtfertigung für Rachefeldzüge missbraucht werden. Im Gegenteil: Die Gewaltspirale muss endlich beendet werden. Die Einsetzung eines internationalen Vermittlers für die Beziehungen zwischen den türkischen Kurden und der Regierung könnte ein hilfreicher erster Schritt sein.

Wir leben in einer Welt, die alles andere als friedlich ist. Sie ist vielmehr geprägt von Konflikten und zunehmend von Hass. Daher wächst der Bedarf an humanitärer Unterstützung, diplomatischem Geschick und innenpolitischer Besonnenheit. In einer solchen Zeit, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, stellen Sie die doppelte Staatsbürgerschaft infrage und sprechen von „derartigen Staatsangehörigkeiten“. Seit dem Putschversuch in der Türkei und jetzt nach den verheerenden Anschlägen nicht nur in Istanbul wächst die Verunsicherung der vielen türkischen und türkischstämmigen Menschen in Deutschland. Auch hier gilt es, Frieden zu stiften und keine unnötigen Konflikte zu schüren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Doppelstaatlichkeit ist bei uns millionenfach gelebte Realität. Sie ist eine gute Lösung und steht der Integration nicht im Weg.

Vor 45 Jahren skizzierte Willy Brandt einen europäischen Friedenspakt. Viele seiner Vorschläge wurden inzwischen umgesetzt und führten schließlich zur Gründung der Europäischen Union. In dieser Tradition stehen wir als Sozialdemokratie. Wir wollen Europa. Wir wollen mehr Europa. Viele Menschen setzen im Zuge der EU-Erweiterung ihre Hoffnung auf die europäische Perspektive. Dieses Europa hat auch Fehler. Aber dieses Europa ist unser Friedensgarant seit Jahrzehnten. Wir wollen ein soziales und solidarisches Europa. Gestern haben wir als Fraktion ein Positionspapier zum sozialen Europa beschlossen, weil soziale Gerechtigkeit eine entscheidende Grundlage für den Frieden ist. Wie Willy Brandt sagte: „Materielle Not ist konkrete Unfreiheit.“

Als SPD-Fraktion positionieren wir uns klar gegen die Euro-Skeptiker und Europaskeptiker. Unser Ziel ist, die europäische Idee für die Menschen wieder sichtbar zu machen. Mehr denn je ist in der Flüchtlingsfrage Einigkeit notwendig und auch, dass die EU mit einer Stimme spricht; denn Solidarität ist das Gebot der Stunde. Darum befürworte ich das Paket für kurzfristige Schuldenerleichterungen zugunsten von Griechenland. Wir alle profitieren davon, wenn es auf EU-Ebene keine „Kurz-Schlüsse“ und keine kleinen Gruppen von Willigen oder Unwilligen mehr gibt. Nur vereint kann es Europa besser gelingen, international zu vermitteln, Krisen zu bewältigen, Konflikte beizulegen und den Frieden zu fördern.

Wir müssen aber selbstkritisch bleiben: Funktionieren denn unsere Maßnahmen? Sind unsere Wege erfolgreich? Haben wir die richtigen Gesprächspartner und Gesprächsplattformen, um friedliche Lösungen zu erarbeiten? Schätzen wir die Handlungsweisen und Sorgen unseres Gegenübers immer richtig ein? Wir sollten bei aller Kritik an der türkischen Regierung deren proeuropäischen Signale nicht überhören.

(Zurufe von der CDU/CSU: Welche denn?)

Auch wenn wir uns in vielem uneinig sind, lud uns erst heute Morgen der türkische EU-Minister Ömer Celik – Kollegen und Kolleginnen der CDU/CSU waren ebenfalls dabei – bei einem Treffen dazu ein, über die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU im Gespräch zu bleiben.

Eigenverantwortung ist das Schlüsselwort im kleinen Einmaleins des Friedens. Alle sind gefordert, Demokratie und Menschenwürde im Alltag zu leben. Der 10. Dezember, an dem Willy Brandt vor 45 Jahren den Nobelpreis erhielt, ist heute der Internationale Tag der Menschenrechte. Er mahnt uns, die einfachen Wahrheiten nicht zu vergessen. Frieden, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte sind internationale Werte und im Interesse jedes und jeder Einzelnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Dorothee Schlegel. – Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen schönen Tag von mir. – Nächste Rednerin: Sevim Dağdelen für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7044801
Wahlperiode 18
Sitzung 208
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Terroranschlägen vom vergangenen Wochenende
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