Jürgen HardtCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den Terroranschlägen vom vergangenen Wochenende
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verweise auf die schrecklichen Bilder der Terroranschläge der letzten Tage: In Nigeria rissen Grundschulkinder 17 Menschen in den Tod, weil sie als Selbstmordattentäter von mutmaßlichen Islamisten missbraucht worden waren. In Somalia war die sunnitische Terrormiliz al‑Schabab für mindestens 30 Tote verantwortlich. Außerdem gab es die beiden Anschläge in Istanbul, über die eben schon gesprochen wurde. Hinzu kam der Anschlag in Kairo gegen das Gotteshaus der koptischen Christen und damit gegen die Religionsfreiheit in Ägypten. All das waren schreckliche Ereignisse, die uns immer wieder mahnen, dass der Terrorismus offensichtlich die Geißel des 21. Jahrhunderts ist und dass wir alles dafür tun müssen, um dem Terrorismus und der terroristischen Bedrohung Herr zu werden. Deswegen ist es gut, dass wir heute hier darüber reden.
Die Waffe des Terrors ist die Ausnutzung der Arglosigkeit des Opfers. Jeder Mensch hat das Gefühl, er könnte theoretisch Opfer eines solchen Anschlags werden, egal wo er steht und geht. Deswegen müssen wir viel tun, um unseren Bürgerinnen und Bürgern, den Menschen in Europa und in der ganzen Welt die Angst vor diesem Terror zu nehmen; denn das ist sozusagen die Entwaffnung derjenigen, die Terror ausüben.
Was können wir tun? Ich glaube, wir müssen in erster Linie verstärkt fünf Maßnahmen ergreifen, um Terror einzudämmen und vielleicht sogar zu verhindern:
Erstens. Wir müssen im eigenen Land wachsam sein gegenüber denjenigen, die unter dem Deckmäntelchen religiöser Überzeugung andere Menschen zu radikalen Handlungen verführen wollen. Wenn ich mir anschaue, was in unseren Städten passiert, namentlich in meiner Heimatstadt Wuppertal – dort waren junge Männer als sogenannte Scharia-Polizei unterwegs und lauerten jungen Frauen vor Diskotheken auf, um sie mahnend daran zu erinnern, dass Diskothekenbesucher eigentlich nicht der richtige Umgang für sie sind; diese jungen Männer wurden wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot vor Gericht gestellt; das Gericht hatte offensichtlich keine Handhabe, sie zu verurteilen –, dann stellt sich schon die Frage, ob wir in unserer Rechtsordnung möglicherweise nachsteuern und nachbessern müssen. Ich gehe einmal davon aus, dass die nächste Instanz ein Urteil trifft, durch das die sogenannte Scharia-Polizei auf deutschen Straßen keinen Platz hat, also verboten wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein zweiter Aspekt – ihn hat der Kollege Binninger bereits angesprochen – ist die Intensivierung der Polizei- und Geheimdienstzusammenarbeit. Es geht darum, dass wir uns optimal austauschen mit befreundeten Regierungen, aber auch mit Regierungen von Ländern, mit denen wir nicht so gute und intensive Beziehungen unterhalten, sodass wir uns rechtzeitig warnen können, wenn irgendwo Terroristen unterwegs sind, etwa wenn sich Heimkehrer nach Europa auf den Weg machen oder wenn irgendwelche Schläfer hier in Europa aktiviert werden durch Terrorführer im Ausland. Ich glaube, dass wir da bereits eine Menge tun und dass das insbesondere unter NATO- und EU-Partnern gut funktioniert. Aber wir müssen da sicherlich noch mehr Geld und Kraft hineinstecken.
Wir müssen die Rekrutierung und die Hetze im Netz wirksam unterbinden. Wenn man im Internet unterwegs ist, erlebt man ja selbst, wie undifferenziert, wie unübersichtlich und vor allem wie polemisch und radikal dort argumentiert wird. Das würde niemals in einer öffentlichen Versammlung stattfinden, wo man sein Gesicht zeigen muss. Im Netz fallen offensichtlich alle Hemmungen, und es gibt ein enormes Potenzial an Verhetzung dort. Wir müssen schauen, ob unsere Rechtsordnung wirklich darauf vorbereitet ist.
Sprengstoff gibt es überall in der Welt in großen Mengen. Aber wenn jemand offensichtlich eine ganze Lastwagenladung in einer Großstadt wie Istanbul zusammenkarren kann, um sie dann in einem Terroranschlag zu zünden, dann ist für mich die Frage, ob wir nicht die Möglichkeit intensiver nutzen sollten, zum Beispiel die Verbreitung oder den Vertrieb von Sprengstoff stärker in den Blick zu nehmen, nicht deshalb, weil wir damit das alles vielleicht verhindern, aber deshalb, weil wir damit die Schwelle erhöhen, an solche Stoffe heranzukommen, es ein Stück weit schwerer machen, sich, wie in Istanbul mutmaßlich geschehen, mit 400 Kilogramm Sprengstoff – das ist immerhin die Beladung eines Kleinlasters – auszustatten.
Das Wichtigste ist, dass wir dem Terrorismus den Nährboden entziehen. Omid Nouripour hat es richtig gesagt. Immer dann, wenn Terrorismus sich ausbreiten kann, gibt es irgendeinen Resonanzboden dafür, eine Zivilbevölkerung, die sich benachteiligt fühlt, die sich zurückgesetzt fühlt, die sich gedemütigt fühlt, die vielleicht nicht terroristisch wird, aber den Terroristen Rückzugsorte und Rückzugsgelegenheiten bietet. Das haben wir im Norden des Irak erlebt. Das erleben wir in vielen anderen Regionen, zum Beispiel auch im Norden Malis.
Durch vorausschauende und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik müssen wir einen Beitrag dazu leisten, dass dieser Nährboden ausgetrocknet wird. In diesem Sinne, glaube ich, sollten wir das, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, als Ansporn und Aufforderung nehmen, noch mehr gegen Terrorismus zu tun.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Jürgen Hardt. – Nächste Rednerin: Dr. Franziska Brantner für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7044806 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 208 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Terroranschlägen vom vergangenen Wochenende |