Michael FuchsCDU/CSU - Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Montag dieser Woche haben wir in einem Pressegespräch gemeinsam die Grundzüge dieses Gesetzes vorgestellt, und zwar Georg Nüßlein, Oliver Krischer, Hubertus Heil und ich. Hinter uns hingen die Logos von Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und natürlich auch der CDU/CSU. Das war für mich – ich muss das zugeben – in gewisser Weise schon ein ungewohntes Gefühl.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es ging! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es überlebt! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es hat nicht wehgetan, oder?)
Denn was eine solche Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen angeht, muss ich eingestehen: Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, dass wir das schon einmal gemacht haben. Aber es hat geklappt, und es war auch sinnvoll; denn besondere Herausforderungen verlangen auch besondere Maßnahmen, und diese besonderen Maßnahmen haben wir getroffen. Ich finde, dass wir das sogar insgesamt ziemlich gut gemacht haben; denn die Kernpunkte dieses Gesetzespaketes sind schon schwierig genug gewesen. Wir haben gemeinsam ausgehandelt:
Erstens. Die Betreiber der Kernkraftwerke bleiben für die Stilllegung und den sicheren Rückbau zur grünen Wiese in der Verantwortung. Sie müssen das bezahlen. Sie haben dafür Rückstellungen in einer Größenordnung von 17,8 Milliarden Euro gebildet, und sie sind anschließend auch in der Verantwortung, die Reste, den Abfall, zu verpacken: sowohl den schwach- und mittelradioaktiven als auch den hochradioaktiven Abfall. Die berühmten Castoren und Polluxe werden doch wieder zum Einsatz kommen.
Zweitens. Für die Zwischen- und Endlagerung übertragen die Energieversorger die Finanzmittel auf einen Fonds des Bundesfinanzministers. Hierfür sind 17,389 Milliarden Euro zurückgestellt worden, in den Bilanzen nachweisbar. Die Kommissionsarbeit hat gezeigt, dass diese Rückstellungen relativ konservativ gerechnet sind. Sie sind eher hoch angesetzt und dementsprechend ausreichend. Daraufhin haben wir in der Kommission aber beschlossen, dass zusätzlich ein Risikozuschlag in einer Größenordnung von 35 Prozent kommt, sodass die Unternehmen insgesamt einen Betrag von rund 23,5 Milliarden Euro an den Bundesfinanzminister überweisen werden, und zwar in relativ kurzer Zeit. Wir gehen davon aus, dass die Notifizierung des Gesetzes schnell geht und dass wir etwa April in der Lage sein werden, das Gesetz fertig zu haben. In dem Moment werden die Unternehmen diesen Betrag überweisen.
Die Gutachter der Bundesregierung, die das neutral beobachtet haben, haben uns bestätigt, dass diese Zahlung auch in der Höhe gerechtfertigt ist und vor allen Dingen ausreichend ist für die längerfristige Sicherstellung der Lagerung. Im Gegenzug werden die Betreiber von einer weiteren Nachschusspflicht freigestellt.
Ich halte diesen Ansatz für richtig. Das Verursacherprinzip, wie es bisher zum Beispiel im Atomgesetz in § 9a Absatz 1 festgelegt ist, wird strikt umgesetzt. Es ist zukunftsfest durch diesen Risikozuschlag, den wir eingerechnet haben. Die langfristig erforderlichen Mittel für Zwischen- und Endlagerung liegen zukünftig nicht mehr bei den Unternehmen, sondern beim Staat. Wenn die Unternehmen beispielsweise veräußert würden, bestünde die Gefahr, dass nicht mehr über diese Mittel verfügt werden könnte.
Umgekehrt gewinnen die Energieversorger Planungssicherheit. So können sie ihre fortbestehenden Rückbauverpflichtungen erfüllen; denn sie müssen ja noch zusätzlich die Kernkraftwerke abbauen. Das letzte Kernkraftwerk wird 2022 vom Netz gehen. Wir gehen davon aus, dass bis 2026, vielleicht auch bis 2028, die meisten Kernkraftwerke abgebaut sein werden.
Am wichtigsten ist für mich die dritte zentrale Weichenstellung des Gesetzes: Die operative finanzielle Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung ist dann beim Bund.
Meine Damen und Herren, diese guten Ergebnisse, die wir in den Verhandlungen erzielt haben, sind nicht vom Himmel gefallen. Das war auch alles andere als einfach. Ein paar Erfolgsfaktoren möchte ich hervorheben. Da ist zunächst diese Kommission, die die Gesetzgebungsarbeiten vorbereitet hat. Ich finde, dass unser Chef des Bundeskanzleramtes, Peter Altmaier, bei der Zusammensetzung dieser Kommission einen guten Job gemacht hat, auch wenn ich im ersten Moment geschluckt habe, als ich gehört habe, wer alles mit dabei ist.
(Ute Vogt [SPD]: Wir auch!)
Ich möchte den drei Vorsitzenden Jürgen Trittin, Ole von Beust und Matthias Platzeck danken, die die Kommission vernünftig geleitet haben. Ihre Arbeit hat dazu geführt, dass wir diese Ergebnisse heute haben.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Den Applaus ist das wirklich wert, Herr Trittin. – Gleichzeitig möchte ich mich bei den Mitarbeitern bedanken, die wirklich sehr viel arbeiten mussten, auch in den letzten Wochen. Das ist nicht selbstverständlich. Hier sind sehr viele Überstunden geleistet worden – in meinem Büro von Herrn Dr. Pohl oder in deinem Büro, Hubertus Heil, von Herrn Langenbruch; viele haben daran mitgearbeitet. Auch das Ministerium unter Federführung von Herrn Herdan hat uns dabei geholfen, dass wir die Ergebnisse heute haben.
Entscheidend war: Wir haben die Kommissionsarbeit im parlamentarischen Verfahren nicht für die Wiederholung der Schlachten der Vergangenheit genutzt, sondern im Gegenteil konstruktiv miteinander zusammengearbeitet und die Sache wirklich sachlich richtig umgesetzt.
Meine Damen und Herren, diese sachlich-konstruktive, verantwortungsvolle Haltung muss auch die weiteren Umsetzungsschritte prägen. Mit dem Gesetzgebungsverfahren ist zwar ein wichtiger Schritt getan, aber weitere Schritte müssen folgen:
Erstens haben wir die Erwartung, dass die Bundesregierung den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Energieversorgern, den wir vereinbart haben, so schnell wie möglich auch abschließt. Das muss zügig geschehen.
Zweitens setzen wir darauf, dass die Unternehmen und die Bundesregierung eine gütliche Verständigung bei den noch offenen Rechtsstreitigkeiten finden werden.
Auch das ist positiv: Es gab 31 Verfahren; bis auf zwei sind alle diese Verfahren jetzt rechtssicher beendet, und die Unternehmen haben uns schriftlich bestätigt, dass sie die Klagen zurückziehen werden.
Drittens. Der wichtigste Punkt ist: „Verantwortungsvoll, zügig und sachorientiert“ muss auch das Motto bei der Realisierung der Zwischen- und Endlagerung sein.
Durch das heute vorliegende Gesetz hat es der Staat in Zukunft allein in der Hand, mit den Geldern für die Zwischen- und Endlager effizient zu wirtschaften. Hier gibt es jetzt auch keine Ausreden mehr. Der BMF ist gefordert, und es ist meiner Meinung nach nötig, dass wir diese Verfahren auch so schnell wie möglich umsetzen; denn je schneller wir eine Lösung für ein Endlager finden, desto sicherer ist, dass die Gelder, die jetzt in den Fonds kommen, auch ausreichen.
Wenn wir aber glauben, wir könnten in jedem Bundesland einmal so eine kleine Probebohrung machen, einen Bohrlochtourismus erzeugend, dann würde es natürlich schwierig werden. Das darf nicht geschehen. Die Politik muss hier auch den Mut zur Entscheidung haben.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber am Ende!)
Ich erwarte, dass sich die zukünftigen Bundestage sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen und dafür sorgen werden, dass schnell eine Endlagermöglichkeit gefunden wird.
Ich will das einmal an dem Beispiel Finnland deutlich machen: Dort hat man zwei Jahre gebraucht, um einen Standort zu finden, und vor einigen Wochen hat man mit der Realisierung dieses Standortes begonnen. 2023 soll alles fertig sein. Ein solch zügiges Verfahren bei uns würde dazu führen, dass der Bundesfinanzminister am Ende des Tages Geld aus diesem Fonds übrig behalten würde.
Die ewige Diskussion um Schacht Konrad muss endlich beendet werden; denn die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle, die ja nicht nur aus den Kernkraftwerken, sondern auch aus medizinischen Anlagen kommen, müssen so schnell wie möglich dorthin verbracht werden. Deswegen erwarte ich auch, dass sich zukünftige Regierungen daran messen lassen müssen, dass sie das schnell hinbekommen. Anders darf es nicht gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich weiß, dass das ein komplexes Verfahren ist. Dieses komplexe Verfahren, das wir jetzt angehen, kann aber auch ein Muster für uns sein, auf das wir uns bei allen in Zukunft anstehenden technologisch schwierigen Grundsatzfragen einigen; denn ob es uns gefällt oder nicht: Jeder technische Fortschritt – von der Digitalisierung bis zur Biotechnologie, vom autonomen Fahren bis zu den Fragen einer modernen Landwirtschaft, die mit der wachsenden Weltbevölkerung Schritt halten muss – geht auch immer mit Risiken einher.
Alle diese Herausforderungen verlangen die Balance aus Sicherheit und technologischen Chancen. Alle diese Themen verbieten ein Spiel mit Ängsten, das wir in diesem Hause und vor allen Dingen auch bei den NGOs schon häufiger erleben durften. Das darf nicht der Fall sein. Mit dem Kernenergiepaket, das wir heute verabschieden, haben wir gezeigt, dass das geht, und wir sollten uns solch schwierige Debatten auch in Zukunft auf diese Art vornehmen.
Ich möchte mich noch einmal bei allen bedanken, freue mich, dass wir das heute verabschieden können, und wünsche allen Kolleginnen und Kollegen eine friedliche Weihnachtszeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Thomas Oppermann [SPD]: Wenn man seine Rede so beendet, kann man immer auf Beifall hoffen!)
Hubertus Zdebel ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045488 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung |