Georg NüßleinCDU/CSU - Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es stimmt natürlich schon: Gemeinsam mit dem noch ausstehenden Endlagersuchgesetz ist das heute der Schlusspunkt einer lange währenden, heftigen, strittigen Debatte, die wir hier im Bundestag, aber auch außerhalb politisch geführt haben. Ich meine, das passt gut in die Vorweihnachtszeit.
Ich will auch unterstreichen, dass meiner festen Überzeugung nach eine Kommission noch nie so erfolgreich war und so viel Sinn gemacht hat wie diese Kommission. Das muss man in aller Klarheit sagen, auch wenn ich dem Kollegen Fuchs insofern recht gebe, als auch ich ursprünglich mit Blick auf die Besetzung meine Bedenken hatte. Aber ich habe gehofft, dass es uns hilft, dass die Einigung am Schluss tatsächlich gesellschaftlich fundiert und der Konsens breit genug ist. Nach dem, was die Kollegin Bulling-Schröter gerade hier von sich gegeben hat, bin ich mir nicht mehr so sicher. Dass die Linke an der Stelle ausschert, ist klar; das war uns von vornherein klar. Deshalb haben wir sie auch nicht mittun lassen; das muss man in der Klarheit auch mal sagen. Wir von der Union machen nichts mit ganz rechts, und wir machen auch nichts mit ganz links, und zwar aus gutem Grund. Das muss man an dieser Stelle mal deutlich machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sind doch selber ganz rechts!)
Wenn ich mir anhöre, was hier in der Debatte von der linken Seite bisher an Unqualifiziertem und Populistischem gekommen ist, dann will ich schon sagen, dass das ziemlich verantwortungslos ist. Den Vergleich mit dem Flughafen, Frau Bulling-Schröter, würde ich mir angesichts der eigenen Verantwortung der Linken an dieser Stelle noch mal gut überlegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)
Nun gab es etliche Kollegen, die hier die Chronologie der Kernkraftgegnerschaft vorgebracht haben, von Gewinnern und Verlierern gesprochen haben. Ich will an dem Siegestaumel gar nicht rühren, weil ich glaube, dass er uns zum Teil zu diesem Konsens verholfen hat, so wie es auch der Kollege Trittin ganz maßgeblich getan hat, den ich aber an dieser Stelle nicht noch mal loben möchte, weil ich glaube, dass ihm das Lob von unserer Seite in den eigenen Reihen schadet. Aber er hat es klasse gemacht; das muss man schon ganz deutlich sagen.
Diesen Konsens, meine Damen und Herren, sollten wir in Zukunft natürlich auch bei der Endlagerfrage suchen, deren Lösung – da hat der Bundeswirtschaftsminister vollständig recht – schwer genug wird, aber auch bei der Frage der Energiewende. Wir von der Union haben ja nicht aus Lobbyismuserwägungen so lange an der Kernenergie festgehalten, sondern deshalb, weil uns klar war, dass diese Energiewende mehr kostet als eine Kugel Eis. Die Kosten der Energiewende werden uns noch manchen Schweißtropfen auf die Stirn treiben. Wir werden uns noch an mancher Stelle überlegen müssen, wie wir damit umgehen, insbesondere dann, wenn wir sehen, wie schwer sich unsere Industrie, unser Gewerbe mittlerweile tut und wie sehr die EU geneigt ist, uns politisch ständig in den Arm zu fallen.
Nichtsdestotrotz: Wir haben an dieser Stelle das Verursacherprinzip, Frau Kotting-Uhl, klar gewahrt. Ich habe eigentlich gedacht, dass wenigstens das jetzt nach dem Kompromiss nicht mehr umstritten ist. Bei der Debatte um die Kernenergie wurde immer so getan, als ob das, was im Atomrecht klar geregelt ist, dass nämlich die Endlagerung zulasten der Verursacher geht, gar nicht zutreffen würde. Heute stellen wir fest: Erstens ist es so, und zweitens schaffen wir die Regeln dafür, dass die Endlagerung in Zukunft ökonomisch gesichert und frei von privatwirtschaftlichen Risiken ist. Ich hätte erwartet, dass Sie das an der Stelle formulieren. 23,3 Milliarden Euro sind kein Schnäppchen. Denn 23,3 Milliarden Euro zahlen zu müssen, das ist kein Weihnachtsgeschenk, auch nicht für die Konzerne, die angesichts der weggebrochenen Geschäftsmodelle mittlerweile schwer gebeutelt sind. Das muss man ganz klar sagen.
Und Herr Zdebel: Das Geld ist nicht weg – das stimmt so nicht –, sondern es wird gezahlt. Sie haben gesagt, die Forderung der Linken sei es, statt auf Rückstellungen auf Rücklagen zu setzen. Na ja, bilanziell ist das schon ein gewisser Unterschied: Das eine ist Fremdkapital, das andere ist Eigenkapital.
(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Schulden sind das!)
Nur: Angelegt, Herr Zdebel, wird das Geld trotzdem auf der Aktivseite.
(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Erst mal auf der Passivseite! Das wissen Sie doch ganz genau!)
Das heißt, es wird damit nicht abgesichert, und es ändert sich also nichts. Ich bitte Sie, ein bisschen nachzudenken, wenn Sie über solche bilanziellen Zusammenhänge reden.
(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das hat ihm aber jemand von den Attac-Leuten aufgeschrieben!)
Das Einzige, was sich ändern würde, wäre die steuerliche Konsequenz, aber sonst ändert sich gar nichts.
(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Doch!)
Sicher sind die Gelder nicht, ob das jetzt Eigenkapital oder Fremdkapital ist.
(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Zweckgebunden eingestellt wäre es gesichert gewesen!)
Wenn ein Unternehmen pleitegeht, ist das Eigenkapital genauso weg wie das Fremdkapital, das am Schluss nicht mehr bedient wird. Das mag im Sozialismus anders sein, aber in unserer Wirtschaft ist das so.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Das ist doch billig!)
An dieser Stelle hat der Staat einen Auftrag, nämlich das Geld, das wir bekommen, ordentlich anzulegen, gerne auch nachhaltig. Wir müssen es jedenfalls so anlegen, dass gute Renditen erwirtschaftet werden. Außerdem haben wir den Auftrag, politische Kosten zu vermeiden – das ist das einzige Risiko, das wir den Konzernen an dieser Stelle abnehmen –, die zu produzieren wir bei jeder Gelegenheit geneigt sind, insbesondere auch im Endlagersuchprozess. Darüber sollten wir bei den anstehenden Entscheidungen genau nachdenken.
Das heißt erstens: Der Schacht Konrad muss schnellstmöglich in Betrieb gehen, und der Rückbau der Kernkraftwerke muss zügig vorangebracht werden. Das heißt zweitens: Wir müssen vermeiden, dass die Standortzwischenlager Endlager werden, jedenfalls gefühlt Endlager werden. Denn eines ist klar: Mit dem Abschalten der Kernkraftwerke wird sich die Haltung der Bevölkerung noch einmal deutlich ändern. Bisher haben die Menschen am Standort die Zwischenlagerung hingenommen, aber sie werden sie in der Sekunde, in der es dort keine Arbeitsplätze mehr gibt und nichts mehr betrieben wird, nicht mehr so akzeptieren. Deshalb müssen wir den Menschen ganz klar sagen: Der Staat wird dafür sorgen, dass die Zwischenlager nicht zum Endlager deklariert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das heißt aber auch: Wir müssen zügig weitere Schritte bei der Suche nach einem Endlager machen, und zwar unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Sicherheit. Und bevor jetzt Frau Kotting-Uhl wieder eine Zwischenfrage stellt, sage ich Ihnen ganz klar: Ich halte von der Einbeziehung von Kristallin als Wirtsgestein gar nichts – und das hat gar nichts mit meiner Herkunft zu tun; Sie können mir höchstens vorhalten, dass ich als Bayer ein bisschen besser weiß, wie die Geologie dort aussieht –; denn Kristallin ist zerklüftet, und das ist ein geologisches Faktum, an dem wir nicht rütteln können.
Ich halte die Bewertung der geologischen Barriere, der die Hauptlast bei der Isolation der Abfälle zukommt, für wichtig, und deshalb halte ich das Konzept des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs für planbarer, verständlicher und nachvollziehbarer. Daran sollte man sich orientieren. Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich, sich mit einem ebenfalls von Kollegen Trittin eingerichteten „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“, kurz AK End, auseinanderzusetzen. Im Jahr 2002 hat dieser AK End das genauso unter dem Aspekt der Sicherheit definiert. Sie behaupten, ich würde manchmal Ideologie und Geologie verwechseln, aber das würde dann ja für den AK End, den Sie selber eingerichtet haben, auch gelten. Das glaube ich nun nicht, meine Damen und Herren.
Denken wir also darüber nach, wie wir den Menschen vermitteln können, dass wir ein sicheres Endlager suchen. Wir tun das, ohne politische Kosten zu produzieren, die am Schluss tatsächlich der Steuerzahler zu tragen hätte. Wir tun das mit Blick darauf, dass auch die Zeit eine Rolle spielt. Deswegen wollen wir den Prozess in absehbarer Zeit einer Lösung zuführen.
In diesem Sinne bedanke ich mich sehr herzlich für die Aufmerksamkeit und wünsche eine schöne Weihnachtszeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich erteile das Wort der Kollegin Ute Vogt für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045496 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung |