Steffen KanitzCDU/CSU - Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Legislaturperiode kann in die Geschichtsbücher eingehen als eine Periode, in der wir, nachdem wir 2011 den Ausstieg beschlossen haben, auch den finanziellen und organisatorischen Rahmen für den Ausstieg besprochen haben. Es ist gut, dass die KFK nach sehr kurzer Zeit zu einem Abschluss gekommen ist. Wir haben in der KFK den finanziellen Rahmen für den Ausstieg gesetzt und gleichzeitig in der Endlagerkommission mit Blick auf den organisatorischen Rahmen ein sehr gutes Ergebnis gefunden.
Lieber Kollege Zdebel, ich kann Ihnen Folgendes sagen: Sie waren als Vertreter der Linken Mitglied der Endlagerkommission. Am Ende des Tages haben Sie sich dem Kommissionsbericht widersetzt. Sie haben dagegen gesprochen, trotz aller Angebote, die wir, die Vertreter von Grünen, CDU, SPD, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, Ihnen gemacht haben. Das zeigt doch, dass Sie am Ende nicht an einem Konsens interessiert sind, sondern dagegen sind. Demokratie heißt aber, auch Abstriche zu machen und die eigene Meinung nicht als absolut anzusehen.
(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Sie wissen ganz genau, warum wir ein Sondervotum gemacht haben!)
Es geht darum, mit anderen demokratischen Parteien einen Konsens zu finden. Insofern war es richtig, dass Sie in der KFK nicht dabei waren. Wir haben im Rahmen der KFK einen guten Beschluss gefasst.
(Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Gorleben! Asse!)
Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. Dezember ein Urteil gefasst, das genau zur rechten Zeit kommt. Es bestätigt uns in dem Ansinnen, dass der Ausstieg verfassungskonform war, aber es sagt uns als Gesetzgeber eben auch, dass wir solche Entscheidungen nicht im rechtsfreien Raum treffen können. Investitionen brauchen Planungssicherheit. Deswegen kann dieses Urteil für uns auch Leitlinie für die Bewertung zukünftiger Technologien zur Erzeugung von Energie sein. Es wird uns auch in der Hinsicht Leitlinie sein, dass wir bei unseren Entscheidungen berücksichtigen müssen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen sie auf Unternehmen haben.
Über das Verursacherprinzip ist schon viel gesprochen worden und wurde auch im Vorfeld der heutigen Debatte viel diskutiert. Verursacherprinzip bedeutet, dass die Energieversorgungsunternehmen für die durch sie verursachten Kosten finanziell einstehen. Das sind die Kosten für den Rückbau, für die Stilllegung, für die Verpackung der Abfälle, für die Zwischen- und auch die Endlagerung. Diese sind ja durch die Rückstellungen gedeckt. So haben das auch externe Wirtschaftsprüfer und die KFK-Kommission beschieden.
Zusätzlich vereinbaren wir einen Risikopuffer von 6 Milliarden Euro, für den die Konzerne aufkommen müssen. Wer sich die Bilanzen anschaut, wer sich Bilanzpressekonferenzen der Versorger anschaut, der weiß, dass 6 Milliarden Euro eine ganze Menge Geld sind. Das bringt einzelne Unternehmen an die Grenze der Leistungsfähigkeit.
Das Verursacherprinzip gilt aber eben auch nicht schrankenlos. Das ist wichtig. Die Energieversorgungsunternehmen können nicht für jede willkürliche Handlung der Politik zur Rechenschaft gezogen werden. Deswegen sieht das Atomgesetz eine klare Beschränkung auf den notwendigen Aufwand vor. Ich kann nur an alle appellieren – ich gehe davon aus, dass wir uns gleich dafür beglückwünschen können –, dass wir diesen KFK-Beschluss bzw. den Gesetzentwurf heute verabschieden. Denn wollen wir ernsthaft die Debatte führen, ob ein sicheres Endlager oder ein bestmögliches Endlager zum notwendigen Aufwand gehört? Diese Debatte wollen wir doch nicht ernsthaft führen. Wir sind mit dem KFK-Gesetz um eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Frage, was eigentlich notwendiger Aufwand ist und was die Konzerne am Ende von diesen Sonderschleifen, die wir drehen – sie sind gesellschaftspolitisch vernünftig und notwendig; das ist gar nicht der Punkt –, mitfinanzieren müssen, herumgekommen. Insofern ist es ein guter Beschluss.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Über die Haftung der Kommunen wurde in den vergangenen Tagen noch einmal heiß diskutiert. RWE und EnBW haben kommunale Anteilseigner. Die Frage war, inwiefern sie enthaftet werden oder nicht. Ich glaube, man muss da eines sagen: Ohne das Gesetz ist es so, dass die Konzerne und auch die Energieversorgungsunternehmen bis zu dem Zeitpunkt haften, zu dem wir ein Endlager haben, also gebaut haben, befüllt haben, versiegelt haben. Das dauert mindestens bis zum Jahr 2100; davon können wir jedenfalls ausgehen. Nach dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf enthaften wir die Konzerne und damit auch die Anteilseigner für den Bereich der Zwischen- und Endlagerung ab dem Zeitpunkt, zu dem sie den gesamten Anteil zuzüglich des Risikozuschlages in den Fonds eingezahlt haben. Wir können im Moment davon ausgehen, dass das bis spätestens Juli 2017 der Fall ist. Es ist also eine gute Lösung für die Kommunen. Auch hier zeigen wir, dass wir ein Herz für die kommunale Seite haben.
Ich möchte eine Spezialproblematik ansprechen, über die wir uns in Zukunft noch einmal verständigen müssen. Das ist das Thema Deponie und sofortiger Rückbau. Wir vereinbaren mit dem KFK-Gesetz, dass wir gemeinsam die Verpflichtung haben, die Kernkraftwerke sofort zurückzubauen. In der Vergangenheit gab es auch die Möglichkeit, Kernkraftwerke für eine gewisse Zeit einzumotten, die Radioaktivität abklingen zu lassen und dann nach einem Zeitraum von beispielsweise 25 Jahren erst in den Rückbau einzusteigen. Wir wissen allerdings nicht, ob wir in 25 Jahren noch über das notwendige Fachpersonal verfügen, um diese anspruchsvolle Aufgabe zu bewerkstelligen. Insofern ist es richtig, dass wir uns für den sofortigen Rückbau als einzige Option aussprechen.
Das heißt aber auch, dass wir Entsorgungswege für die konventionellen Abfälle offenhalten müssen. 95 Prozent der Abfälle von Kernkraftwerken sind konventionelle Abfälle, die dann im Straßenbau verwendet werden oder, wenn es sich um ganz leicht kontaminierte Abfälle handelt, auf Deponien gebracht werden. Was heißt „ganz leicht kontaminiert“? Wir haben in Deutschland im Strahlenschutz einen 10-Mikrosievert-Grenzwert vereinbart, der nicht überschritten werden darf. Einmal zur Einordnung: Wenn Sie nach San Francisco fliegen, dann bekommen Sie eine Strahlung von etwa 110 Mikrosievert. Wenn Sie eine normale Röntgenaufnahme Ihres Brustkorbs machen lassen, dann liegen Sie bei 200 Mikrosievert. Es handelt sich also nicht ansatzweise um gefährliche Abfälle.
Ich bitte alle darum, unsere Lokalpolitiker, die Bürgermeister, bei der Aufklärung vor Ort sehr zu unterstützen und nicht Gefahren herbeizureden, die nicht existieren. Wir müssen da Transparenz schaffen, damit uns die Menschen auch vertrauen. Dazu gibt es vor Ort viele gute Initiativen, beispielsweise Messwerte online einzustellen, sodass alles nachvollzogen werden kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ich will noch ganz kurz zu Ihrem Entschließungsantrag Stellung nehmen, den Sie zu dem Gesetzentwurf einbringen. Diesen Antrag können wir selbstverständlich nur ablehnen. Sie gaukeln in Ihrem Antrag den Bürgern mehr Sicherheit dadurch vor, dass Sie den Energieversorgungsunternehmen vermeintlich 23,5 Milliarden Euro nehmen – übrigens, folgende Anmerkung sei mir schon erlaubt: so ganz schlecht können wir ja nicht verhandelt haben, wenn Sie diese 23,5 Milliarden Euro schon einmal einstreichen wollen –,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Das waren die Rücklagen! Das habe ich doch gesagt!)
zusätzlich aber die Unternehmen unbegrenzt haften lassen wollen. Das ist ja in etwa so, als würden Sie einen Bauern enteignen und ihn dann dafür verantwortlich machen, dass in 50 Jahren die Ernte nicht so gut ausfällt, wie Sie sich das vorher vorgestellt haben. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein; das können wir nicht mitmachen. Deswegen müssen wir das ablehnen.
Wir bringen mit dem KFK-Gesetz endlich Handlungs- und Finanzierungsverantwortung zusammen; dies haben Kollege Fuchs und Kollege Nüßlein ja auch ausgeführt. Davon erhoffen wir uns erhebliche Beschleunigungspotenziale.
Sie suggerieren mit Ihrem Antrag mehr Sicherheit. Sie schaffen aber mehr Unsicherheit: für die Beschäftigten, weil diese nicht wissen, wie lange sie eigentlich gemäß Ihrem Antrag noch zuständig sind; für die Eigentümer, weil sie nicht wissen, wann sie enthaftet werden und ab wann sie die notwendigen Gelder auch für andere alternative Technologien zur Verfügung stellen können. Sie schaffen aber mit Sicherheit eines, nämlich dass wir in Deutschland kein Endlager finden. Das wollen wir nicht; wir wollen ein Endlager in Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sage zum Abschluss, was wir meines Erachtens nicht machen dürfen. Sie schreiben in Ihrem Antrag von Bad Banks der Energieversorgungsunternehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie diffamieren damit diese technologisch hoch anspruchsvolle Aufgabe, Rückbau zu betreiben. Wir müssen doch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Konzerne und ihrer Tochtergesellschaften, die für Rückbau zuständig sind, dankbar sein, dass sie sich dieser Aufgabe annehmen. Wir sollten sie nicht beschimpfen. Wir brauchen ganz im Gegenteil eine groß angelegte Werbekampagne, adressiert an junge Leute, sich dieser Aufgabe zu verschreiben.
Wir sind im Bereich Rückbau Technologieführer. Ich war vor kurzem auf einer Konferenz in Wien, wo wir über dieses Thema gesprochen und diskutiert haben. Dort hat sich bestätigt: Deutschland ist Technologieführer in diesem Bereich. Und mein Wunsch ist es, dass wir das auch bleiben und unsere Kompetenz, unser Know-how, auch unseren internationalen Partnern zur Verfügung stellen, um den Rückbau auch dort verantwortungsvoll und sicher zu gestalten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bitte um Zustimmung zu unserem wirklich guten Gesetz.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045501 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung |