Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal: Ich habe gerade das Wort „Karrierekampf“ gehört. Natürlich gibt es in manchen Familien auch Väter oder Mütter, denen die Karriere das Wichtigste ist; aber bei den Allermeisten ist dieser sogenannte Karrierekampf der Kampf ums Überleben, sage ich einmal etwas überspitzt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist der Kampf, um die finanzielle Versorgung der Familie zu sichern. Um heutzutage die Familie vernünftig ausstatten zu können, muss man teilweise mehreren Jobs nachgehen und müssen Vater und Mutter arbeiten. Es geht hier also nicht in erster Linie um einen Karrierekampf, sondern darum, dass die Menschen arbeiten müssen . Daneben geht es auch darum, dass sie arbeiten wollen. Wir können nicht wollen, dass jemand, der seiner Arbeit nachgehen möchte, während er Familie hat, seine Familie vernachlässigen muss. Das ist auf keinen Fall so. Familie und Beruf müssen miteinander vereinbar sein, und das sollte Ziel unserer Politik sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich bringe morgens meinen Sohn zur Grundschule. Dort gibt es neuerdings ein Müsli-Buffet, damit sich die Kinder, die von zu Hause kein Frühstücksbrot mitbekommen oder mitbekommen können, morgens erst einmal mit einem Müsli versorgen können. Ich danke in erster Linie denjenigen, die dieses Problem erkannt haben und sich vor Ort darum kümmern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ihnen gilt unser Dank. Leider ist es notwendig, dass es so etwas gibt. Es ist wichtig, die Zivilgesellschaft zu stärken, um auch präventiv gegen die Kinderarmut vorzugehen.
Es wurden in der Debatte schon mehrere Gründe für Kinderarmut genannt; wir streiten darüber, ab wann Kinderarmut vorliegt und was das Wichtigste zur Bekämpfung von Kinderarmut ist. Ich glaube aber, wir sollten das nicht gegeneinander ausspielen: Die Situation der Eltern, die berufstätig sind, ist von Bedeutung. Arbeit ist mit der wichtigste Faktor, wenn es darum geht, dass die Familien Geld haben und für ihren Unterhalt sorgen können. Deshalb ist es auch wichtig, dass Arbeit gut bezahlt wird. Es waren wir in der Großen Koalition, die den Mindestlohn eingeführt haben,
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Und den Niedriglohnsektor!)
und es waren wir diejenigen, die die Tarifbindung gestärkt haben. Das dient besseren Löhnen, besserer Bezahlung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Auch die Regulierung von prekären Arbeitsverhältnissen haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Nicht umsonst haben wir bei Werkverträgen und Zeitarbeit eine stärkere Regulierung beschlossen. Auch das dient dazu, Familien finanziell besser abzusichern, damit gute Arbeit auch gut bezahlt wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben noch einiges auf der Tagesordnung, was dazu beiträgt, Familien finanziell besserzustellen. Dabei geht es um die Situation von Frauen in Arbeit. Wir haben noch zwei Gesetzentwürfe – das sage ich in Richtung des Koalitionspartners – in der Schwebe. Zum einen geht es um die Pflegeberufe. Wir wollen die Pflegeberufe aufwerten. In diesen Berufen sind überwiegend Frauen tätig, die schlecht bezahlt werden. Sie erhalten keine vernünftige Anerkennung. Deshalb brauchen wir hier dringend eine Reform. Der erste Schritt wäre, die Generalistik in der Pflege einzuführen. Ich bitte Sie darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir diesen ersten Schritt gehen.
(Beifall bei der SPD)
Zum anderen geht es um die Frage der Lohngerechtigkeit. Frauen sollen generell besser bezahlt werden, und diese Vorgabe soll gesetzlich festgeschrieben werden. Das Lohngerechtigkeitsgesetz wird noch im Kabinett beraten; wir hoffen, dass es bald ins Parlament eingebracht wird. Es dient dazu, dass Frauen bei gleicher Arbeit das Gleiche verdienen wie ihre Kollegen. Wo Ungerechtigkeit herrscht, müssen wir dagegen angehen können; aber dazu muss die Ungerechtigkeit bekannt sein. Deshalb brauchen wir mehr Transparenz, und deshalb brauchen wir das Lohngerechtigkeitsgesetz.
(Beifall bei der SPD)
Vorhin wurde der Satz geprägt: Armut wird vererbt. Ich weiß nicht genau, wer das gesagt hat; ich habe das so mitgenommen. Man muss aber auch einmal deutlich sagen: Auch Reichtum wird vererbt.
(Beifall bei der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ich sage nur: Vermögensteuer! – Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Erbschaftsteuer!)
Wir haben es bei der Vorstellung des Armuts- und Reichtumsbericht mitbekommen: Die großen Vermögen sind nicht so sehr durch Arbeit entstanden, sondern mehr durch Erbschaften oder durch Maximierung von Kapitalgewinnen. Deshalb halten wir es als Sozialdemokraten durchaus für richtig, auch in der Steuerpolitik mehr Gerechtigkeit walten zu lassen. Ich bin ganz dicht bei Ihnen, wenn Sie sagen: Das Ehegattensplitting ist nicht das, was wir uns unter Familienförderung vorstellen. Wir wollen weniger die Förderung der Ehe, sondern mehr die Förderung der Familie. – Das wollen wir auch steuerpolitisch festhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum Unterhaltsvorschuss. Die Debatte darüber haben wir letzte Sitzungswoche schon geführt; wir werden sie wahrscheinlich noch häufiger führen. Ich will aber etwas zur Ausgangslage sagen: Es waren die Ministerpräsidenten aller Länder – auch die Ministerpräsidenten von Thüringen und Baden-Württemberg, schwarz-grüne Regierungen, rot-grüne Regierungen, Große Koalitionen –, die 16 : 0 beschlossen haben, dass zum 1. Januar 2017 die Regelungen zum Unterhaltsvorschuss ausgeweitet werden sollen. Die Ministerpräsidenten haben diesen Beschluss gefasst – nicht Frau Schwesig hat diesen Vorschlag übereilt eingebracht –, die Ministerpräsidenten haben dieses Versprechen gegeben.
(Beifall bei der SPD)
Wir sind diejenigen, die jetzt daran mitwirken sollen, dass das Versprechen auch eingehalten wird.
Ein Wort noch in Richtung Hessen. Der Äußerung von Volker Bouffier, mit der Ausweitung könne man bis 2020 warten, kann ich nur entgegenhalten: Es geht nicht an, innerhalb von ein paar Monaten das eigene Versprechen zu brechen.
(Beifall bei der SPD)
Damit ist niemandem geholfen, weder den Alleinerziehenden noch der Glaubwürdigkeit von Politik. Dieser Unterhaltsvorschuss muss so schnell wie möglich kommen. Deshalb bitte ich alle hier im Raum, mit unseren Ministerpräsidenten, egal welcher Farbe, zu reden und zu sagen: Wenn ihr ein Versprechen gebt, dann seht auch zu, dass ihr euch auf die Finanzierung einigt.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045537 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Kindern und Familien vor Armut |