Jürgen CoßeSPD - Bundeswehreinsatz in Darfur (UNAMID)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist meine erste Rede als Abgeordneter des Deutschen Bundestages.
(Beifall)
Es ist für mich ein Privileg und eine Herausforderung zugleich, eine Herausforderung vor allem deswegen, weil ich vor vier Monaten noch nicht über eine deutsche Beteiligung an Friedensmissionen zu entscheiden hatte.
Hier geht es um eine gemeinsame Friedensmission von Vereinten Nationen und Afrikanischer Union, kurz UNAMID. Und egal was wir gleich hören werden: Niemand meiner Kolleginnen und Kollegen macht sich die Entscheidung über den Einsatz deutscher Soldaten oder Polizisten im Ausland leicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber was ist unsere Herausforderung hier im Vergleich zum Überlebenskampf, den viele Menschen weltweit täglich führen? So auch die Menschen im Westen des Sudan. Die 300 000 Todesopfer des Konflikts in Darfur haben diesen Kampf bereits verloren. Die 2,6 Millionen Binnenvertriebenen führen diesen Kampf immer noch.
Wie sich dieser Überlebenskampf anfühlt, beschreibt ein Binnenvertriebener in Darfur so:
Niemand auf der Welt kümmert es, ob wir überleben, außer Gott und manchmal UNAMID.
Das Zitat beschreibt zum einen, wie weit der Konflikt dem Radar der Weltöffentlichkeit entrückt ist, und zum anderen zeigt es, dass die Blauhelme Zivilisten schützen, aber leider nicht immer und überall; denn diese Friedensmission hat mit besonders schwierigen Bedingungen zu kämpfen. Sie ist eine gemeinsame Aufgabe für die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen. Das heißt, sie muss drei stark gegensätzliche Interessenlagen unter einem Dach vereinen: die des UNO-Sicherheitsrates, die der Afrikanischen Union und die der sudanesischen Regierung.
Die sudanesische Regierung hat die Friedensmission nur widerwillig auf chinesischen Druck hin akzeptiert und tut weiterhin alles, um sie aus dem Land zu drängen. Dafür ist die Verweigerung von Visa nur das harmloseste Mittel; denn die regierungstreuen Milizen greifen nicht nur Zivilisten, sondern auch Blauhelme an. Unter diesen Bedingungen müssen die knapp 17 000 Soldaten und Polizisten ein Gebiet von der Größe Frankreichs beschützen. Zum Vergleich: Im winzigen Kosovo waren es bis zu 40 000 gut ausgebildete Soldaten. Dazu kommt, dass das Gelände in Darfur bergig ist und kaum ausgebaute Straßen vorhanden sind.
Unter diesen äußerst schwierigen Voraussetzungen hat die Friedensmission UNAMID Beachtliches geleistet. Zentral gelegene Lager für Binnenvertriebene können die Blauhelme sehr wohl schützen. Gerade die 2 400 ruandischen Soldaten in der Mission haben oft ihr eigenes Leben riskiert, um Zivilisten gegen Angriffe zu verteidigen. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, UNAMID rettet Menschenleben in Darfur! Wir haben großen Respekt vor der schwierigen Aufgabe dieser Männer und Frauen in Uniform. Die neun deutschen Soldaten, eine Frau und acht Männer, und die vier Landespolizisten leisten unter schwierigen Bedingungen sehr gute Arbeit. Dafür herzlichen Dank!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie uns aber den Blick etwas weiter fassen: Es brodelt überall am Großen Horn von Afrika: In Somalia und im Südsudan – wir haben es eben gehört – herrschen bewaffnete Konflikte. Es gibt den Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea. Und der Krieg im Jemen ist nur 30 Kilometer von Dschibuti und Eritrea entfernt.
Die Golfmonarchien haben die strategische Bedeutung des Horns von Afrika erkannt. Ja, sie nutzen Eritrea als Militärbasis in ihrem Kampf gegen die Huthi-Rebellen im Jemen.
(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Und dafür kriegen sie Waffen aus Deutschland!)
Wir sollten Eritrea aber nicht Saudi-Arabien und Co. überlassen. Was dabei herauskommen kann, kann man an Somalia beispielhaft sehen. Der große Einfluss der saudisch geprägten wahhabitischen Prediger in Somalia hat erst den Boden für al-Schabab bereitet. Auch China ist in der Region wirtschaftlich stark aktiv, und Menschenrechte spielen dabei sicherlich keine Rolle.
Die angespannte Situation am Horn von Afrika könnte sich weiter verschärfen; denn mittlerweile werden durch den Klimawandel noch häufigere und längere Dürreperioden erwartet. Welchen Sprengstoff das birgt, zeigt die gegenwärtige Situation in Äthiopien. Die Unruhen in Äthiopien mögen hauptsächlich ethnisch motiviert sein – und sie sind absolut zu verurteilen –, aber extreme Wasserknappheit und Ernteausfälle verstärken diesen Konflikt. Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss uns klar sein: Die Industrieländer sind vorrangig für den Klimawandel verantwortlich. Deswegen tragen wir auch eine große Verantwortung, die Folgen dieses Wandels zu lindern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auch beim Kampf gegen den Klimawandel selbst dürfen wir nicht zurückstecken, gerade auch deswegen nicht, weil Donald Trump nicht nur die internationalen Beziehungen, sondern auch das Klima unnötig anheizen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da Wassermangel Konflikte verschärft, ist der Kampf gegen den Klimawandel gelebte Krisenprävention. Ja, auch die bewaffneten Auseinandersetzungen in Darfur begannen als Konflikt zwischen Viehzüchtern und Bauern um knapper werdende Wasserressourcen.
Die Bundesregierung trägt der großen Bedeutung von Krisenprävention generell Rechnung. So hat Frank-Walter Steinmeier im Auswärtigen Amt die Abteilung S für Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge eingerichtet. Sein unermüdliches Engagement an vielen Krisenherden der Welt verdient unsere volle Unterstützung.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dieses Engagement soll durch die Leitlinien der Bundesregierung für Krisenmanagement, Konfliktbewältigung und Friedensförderung weiter verstärkt werden. Ja, am besten ist es, wenn Konflikte gar nicht erst entstehen. Aktive Krisenprävention ist angesagt. Sie ist jede Mühe unsererseits wert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Wenn es aber, wie in Darfur, nicht gelingt, den Konflikt im Vorfeld zu entschärfen, dürfen wir doch nicht nur zuschauen; denn wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. Nichts tun würde bedeuten, dass wir der sudanesischen Regierung und den anderen Konfliktparteien freie Hand lassen beim Plündern, Vertreiben und Töten von Zivilisten. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir dort diese Friedensmission. Deswegen müssen wir uns daran beteiligen.
Meine Fraktion stimmt dem Antrag der Bundesregierung zu, weil wir nicht zuschauen, sondern mithelfen wollen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Coße, das war Ihre erste Rede hier im Deutschen Bundestag. Im Namen der Kolleginnen und Kollegen gratuliere ich Ihnen dazu.
(Beifall)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045566 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Darfur (UNAMID) |