15.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 209 / Tagesordnungspunkt 8

Patrick SensburgCDU/CSU - Schutz der Pressefreiheit

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ströbele, ich glaube, wir alle erinnern uns gut an den Fall von netzpolitik.org, an die Veröffentlichungen von Geheim eingestuften Dokumenten. Das waren ja nicht irgendwelche Dokumente; das waren ja eingestufte Dokumente – diese können nach der Geheimschutzordnung verschiedene Stufen haben –, die auch gekennzeichnet sind. Solche Dokumente liegen ja nicht als handgeschriebene Papiere auf einer Parkbank. Vielmehr war offensichtlich und klar, dass die Dokumente, die netzpolitik.org veröffentlich hat, eingestuft sind. Das war also ein Vorfall, den man als derjenige, der diese Dokumente hat, einstuft und klassifiziert, nicht einfach hinnehmen kann. Deswegen ist es auch zu einer Prüfung durch die Staatsanwaltschaft, damals durch den Generalbundesanwalt, gekommen. Ich halte diesen Vorgang für richtig.

Wenn Dokumente, die eingestuft sind, den Raum der Einstufung des Dienstherrn, der sie eingestuft hat, verlassen, muss man auch dafür Sorge tragen, dass nachgeprüft wird: Wer hat die Dokumente, die eingestuft sind, nach draußen gegeben? Denn es ist nicht sinnvoll, dass Dokumente, die in amtlicher Verwahrung sind und einen Einstufungsgrad haben, nach draußen gelangen. Hier zu ermitteln, halte ich also für richtig.

Der Generalbundesanwalt – wir haben in dieser Zeit ja öfter Statements von ihm gehört – hat in alle Richtungen ermittelt, zum Beispiel auch, was die Möglichkeit eines Innentäters betrifft. Es ist ja nicht zwingend, dass der Täter jemand aus dem parlamentarischen Raum gewesen sein muss; es kann ja auch ein Innentäter gewesen sein.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er hat auch gegen Journalisten ermittelt!)

Dass der Blick in alle Richtungen geht, halte ich, wie gesagt, für völlig richtig.

Der einzige Ansatz, den man damals hatte, waren die Journalisten, die die Informationen auf ihrer Plattform netzpolitik.org veröffentlicht haben; das ist ja logisch. Aber dass der Generalbundesanwalt eine Überprüfung anstellt, wenn amtliche Dokumente, die einen Geheimhaltungsgrad haben, in die Öffentlichkeit gelangen, ist richtig. Sonst würden wir ja – so sehe das zumindest ich – die Integrität des Staates überhaupt nicht mehr ernst nehmen, wenn alles, was eingestuft ist, einfach nach draußen gelangen kann. Deswegen war das ein richtiges Vorgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht gegen die Journalisten!)

Lieber Kollege Ströbele, in folgendem Punkt sind wir uns einig: Die Pressefreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes ist eines unserer höchsten Schutzgüter. Sie ist nicht nur ein Abwehrrecht, sondern auch ein Recht, das der Staat verbürgen soll, für das er sich also einsetzen muss. Wir haben in Deutschland eine dezidierte Rechtsprechung und Rechtspraxis, wie das Verhältnis zwischen der Pressefreiheit, wie sie in Artikel 5 Absatz 1 Satz 2, erste Alternative, normiert ist, und den Schutzrechten Dritter abgewogen und austariert werden kann. Denn kein Grundrecht – das wäre wirklich ein fataler Fehler – kann absolut gesehen werden. Man darf nicht sagen – das gilt für jedes Grundrecht –: Die Pressefreiheit geht allem anderen vor. – Man muss immer einen Abwägungsprozess betreiben und ermöglichen, und es gibt Rechte Dritter, privater Dritter, und es gibt auch Rechte des Staates an seiner Integrität, was bedeutet, Veröffentlichungen zurückzuhalten, sodass Dokumente, wenn sie eingestuft sind, nicht nach draußen dringen.

Sie haben gerade kurz einen Punkt Ihres Vorschlags zitiert. Ich habe ihn mir mitgenommen, damit sichergestellt ist, dass wir wirklich vom gleichen Sachverhalt reden. Sie haben gesagt: Dokumente sollen in Zukunft nur noch als Geheim und Streng Geheim eingestuft werden. So steht es in Ihrem Vorschlag. Das würde natürlich zu einer Inflation der Geheim-Einstufungen führen. Sie wissen es aus einer Vielzahl von Ausschüssen, aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium und aus Untersuchungsausschüssen: Dann, wenn es nur noch zwei Einstufungen nach der Geheimschutzordnung geben würde, würden diese auch in den Fällen genutzt, wenn Dokumente vielleicht als VS-NfD oder als VS-Vertraulich eingestuft werden könnten. Wir haben dann also nicht mehr das Spektrum, die Vielzahl der Dokumente entsprechend ihrem Inhalt einzustufen. Ich halte diesen Vorschlag für fatal. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass in Untersuchungsausschüssen fast alles als Geheim eingestuft würde. Das wollen sicherlich auch Sie nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Staatsgeheimnisse, von denen Sie ja immer reden, können auch jetzt schon von Journalisten veröffentlicht werden. Es ist ja nicht so – diesen Eindruck erwecken Sie –, dass Journalisten nicht die Möglichkeit hätten, an sensible Dokumente heranzukommen und diese dann, wenn sie wesentliche Sachverhalte, wie sie eben geschildert worden sind, beinhalten, zu veröffentlichen. Wir haben jetzt schon die Abwägung zwischen dem Veröffentlichungsinteresse auf der einen Seite – bei gravierenden Sachverhalten dürfen Journalisten veröffentlichen; sie müssen auch gar nicht ihre Quellen preisgeben – und auf der anderen Seite dem Geheimhaltungsinteresse des Staates bei entsprechend relevanten Sachverhalten.

Einfach gesagt: Wenn kein hohes Veröffentlichungsinteresse vorliegt, wenn es das reine Abstellen auf eine mögliche Publikation ist, um viele Leser zu bekommen, wenn es ein reißerisches Interesse ist, dann wird dem Interesse des Staates an Geheimhaltung der Vorrang gegeben. Andererseits: Wenn die Veröffentlichungsgründe wesentlich sind, dann dürfen Journalisten veröffentlichen.

Ich habe mich damals etwas geärgert, dass der Generalbundesanwalt bei seiner Prüfung ausgebremst worden ist. Ich glaube, er wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Veröffentlichung von netzpolitik.org keinen Straftatbestand erfüllt hätte. Dazu ist es ja nicht mehr gekommen, weil es eine dementsprechende Weisung gegeben hat.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Von wem kam die Weisung?)

Von daher werden wir schließlich auch nicht wissen, wie sich dieser Sachverhalt beim Generalbundesanwalt weiter entwickelt hätte.

Sie möchten durch Ihren Gesetzentwurf weiterhin Journalisten die Veröffentlichung ermöglichen und es nicht mehr als strafbare Handlung behandelt sehen, wenn durch Nachstellen oder Druck Erkenntnisse erlangt werden, wenn also fast ein Stalking stattfindet. Dazu muss ich ehrlich sagen: Das geht zu weit. Ich habe mit einigen Journalisten im Vorfeld der heutigen Debatte gesprochen. Seriöser Journalismus arbeitet investigativ, das ist richtig. Er setzt auch nach, er recherchiert in die Breite, aber nicht mittels Stalking, Nötigung oder schlichter Bloßstellung von Menschen. So arbeiten seriöse Journalisten nicht. Diese Tatbestände herauszunehmen und ein solches Vorgehen dann für legal zu erachten, das halte ich schon für ein schräges Verhältnis.

(Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das scheint mir ein bisschen ein Schaufensterantrag zu sein. Richtig ist das nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn? Gar nichts!)

Als nächsten Punkt sollte man, glaube ich, erwähnen, dass es möglich ist, an vielen Stellen mit Verschwiegenheit zu arbeiten, mit Dokumenten zu arbeiten, die eingestuft sind. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, zu sehen, dass der Staat ein Interesse an der Wahrung seiner Integrität hat und dass es auch ein Interesse der Bürgerinnen und Bürger gibt, dass Dokumente, die beim Staat liegen, verwahrt bleiben und nicht nach draußen dringen. Das muss ein Abwägungsprozess sein.

Dieser Abwägungsprozess fehlt in Ihrem Antrag völlig. Sie schauen ausschließlich auf die Informationsgewinnung, auf die Journalisten, die dann, im Grunde ohne diesen Abwägungsprozess, jedwede Dokumente nach draußen geben könnten, wären sie nicht eingestuft. Wenn sie als Geheim oder als Streng Geheim eingestuft sind, dann wäre dies im Grunde auch möglich, weil der Abwägungsprozess fehlt. Das wäre ein völliges Nach-draußen-Geben von eingestuften Dokumenten, und das kann eigentlich und im Grunde auch nicht das Ziel von Bündnis 90/Die Grünen und den Linken sein. Denn im Endeffekt heißt das, dass alles, was der Staat in Verwahrung und auch geschützt in Verwahrung hat, in die Öffentlichkeit gegeben werden kann.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Darum geht es überhaupt nicht, Herr Kollege. Da erzählen Sie den Leuten Unsinn!)

– Ja, doch, darum geht es schon, wenn man Ihre Anschuldigungen hört. – Aufklärung heißt zum Beispiel, dass wir im parlamentarischen Raum prüfen können, aber eben nicht, dass das alles nicht mehr unter Strafe gestellt wird und jedes Dokument veröffentlicht werden kann.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das verlangt überhaupt keiner!)

Das kann nicht Ziel eines klugen Antrages sein.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das ist auch nicht das Ziel unseres klugen Antrages, Herr Kollege! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat auch keiner gefordert!)

– Sie können ja gleich Ihren Antrag einmal näher erklären.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten es lesen! Dann verstehen Sie es!)

Wenn man beide Anträge liest – Ihren von den Linken und den von Bündnis 90/Die Grünen; ich habe ja beide mit nach vorne genommen –, dann muss man sagen, dass der Antrag der Fraktion der Linkspartei eigentlich zum Rundumschlag gegen die Sicherheitsbehörden ausholt.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Genau! Jawohl! Nicht gelesen, nur nach vorne mitgenommen!)

Mehr ist es doch eigentlich gar nicht.

Sie wollen im Grunde den Sicherheitsbehörden die Chance nehmen, Dokumente einzustufen – und das vor dem Hintergrund des Terrorismus, den wir zurzeit bei uns erleben. Ich habe den Antrag vor mir liegen, habe ihn gelesen und habe ihn sogar dezidiert bearbeitet. An fast jeden Absatz habe ich ein Fragezeichen geschrieben. Das sollte Ihnen zu denken geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wovon reden Sie denn jetzt?)

Zu den Grünen muss ich ganz ehrlich sagen: Sie haben nicht verstanden, was wir in den letzten Jahren zum Schutz der journalistischen Tätigkeit gemacht haben. Gerade in der letzten Legislaturperiode hat die Union – übrigens mit der FDP – die Rechte von Journalistinnen und Journalisten an vielen Stellen in der Strafprozessordnung intensiv gestärkt. Ich glaube, wir beide haben damals sogar zum Thema Geheimnisträger/Berufsgeheimnisträger geredet. Wir haben viel gemacht.

Aber das, was Sie jetzt machen, dehnt die Rechte aus und führt dazu, dass die Abwägung, die beim Eingriff in die Grundrechte immer getroffen werden muss, aufgegeben wird. Es erfolgt eine einseitige Ausdehnung hin zur Veröffentlichung und Durchstecherei von Dokumenten, und der Schutz staatlicher Interessen und der Schutz Dritter werden nicht mehr beachtet. Das ist ein Ungleichgewicht, dem man so nicht zustimmen kann.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ihre Gesetzesinitiativen sind aus meiner Sicht aus rechtsstaatlichen Gründen kritisch zu bewerten. Ich kann nur empfehlen, dem so nicht zuzustimmen und noch einmal darüber nachzudenken, wie wir beim Thema Weisung klüger weiteragieren können; Sie hatten es angesprochen.

Man kann sicher darüber nachdenken, ob Weisungen bei Staatsanwaltschaften schriftlich zu erfolgen haben. Alles andere ist abzulehnen. Sie empfehlen zum Beispiel, die Parlamente in einem laufenden Strafverfahren zu unterrichten. Ich wage zu bezweifeln, dass Sie als Strafverteidiger das gewollt hätten, und das würde bei den Strafverfahren im Grunde zu einem Chaos führen.

Deswegen sind die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und von der Linken leider nicht ausgegoren, und sie sollten hier heute abgelehnt werden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie hier gerade tun, ist, Fakenews zu verbreiten!)

Vielen Dank, Patrick Sensburg. – Der nächste Redner: Harald Petzold für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7045697
Wahlperiode 18
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Schutz der Pressefreiheit
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