Johannes FechnerSPD - Schutz der Pressefreiheit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Die Pressefreiheit ist eines der wichtigsten Güter unserer Verfassung und eine entscheidende Grundlage für unsere Demokratie. Zur Pressefreiheit gehört, dass keine staatliche Stelle auch nur im Ansatz in irgendeiner Form Einfluss auf journalistische Tätigkeit nimmt. Deshalb darf nicht einmal der Anschein entstehen, eine Behörde würde Druck auf Journalisten ausüben.
Wir in der SPD-Fraktion haben die Art der Strafanzeige des Bundesamtes für Verfassungsschutz für einen Fehler gehalten. Deren Zielrichtung war formal gegen Unbekannt; tatsächlich wurden in der Anzeige Journalisten namentlich genannt, und der Verdacht war damit gegen sie gerichtet. Dabei war es offensichtlich, dass keine Strafbarkeit wegen Landesverrats vorliegt; denn es war ohne größere juristische Prüfung erkennbar, dass schon der für die Verwirklichung des Landesverrattatbestands erforderliche Vorsatz, nämlich die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik, fehlte. Ich halte fest, dass diese Anzeige in dieser Form nie hätte gestellt werden sollen und dass das Bundesinnenministerium dieser Strafanzeige niemals hätte zustimmen dürfen. Das hätte von dort gestoppt werden müssen.
(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD] – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre auch richtig gewesen!)
Im ersten Antrag der Grünen wird behauptet, dass Journalisten immer wieder Ermittlungen von Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt seien. Das kann ich für Deutschland jedenfalls in dem Ausmaß, wie Sie es in Ihrem Antrag darstellen, nicht feststellen. Und es wird eine präzisere Definition gefordert, was ein Staatsgeheimnis ist. Publizistische Veröffentlichungen von Staatsgeheimnissen erfüllen schon heute in der Regel nicht den Straftatbestand des Landesverrates, weil es an der Absicht fehlt, Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen. Das war früher anders. Nach der Spiegel- Affäre haben wir die entsprechende Vorschrift geändert. Damals hätte der einfache Dolus eventualis ausgereicht; seit 1966 bedarf es der Absicht. Wir haben also schon damals Ihrem Anliegen entsprochen.
Ich finde, Ihr Vorschlag ist viel zu unbestimmt. Nach Ihrem Vorschlag soll ein Staatsgeheimnis nicht vorliegen, wenn das öffentliche Interesse am Bekanntwerden der Information „das öffentliche Interesse an deren Geheimhaltung erheblich überwiegt“. Was ist „erheblich“?
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiterlesen! – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Begründung zu lesen, wäre sinnvoll!)
So ungenau sollten wir keine Strafnormen formulieren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Ich finde, die Qualifizierung einer Information als Staatsgeheimnis sollte davon abhängen, ob tatsächlich eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland besteht. Sie schlagen vor, dass Voraussetzung für die Strafbarkeit sein soll, dass die Information als Geheim eingestuft ist. Das könnte dazu führen, dass eine Information die äußere Sicherheit der BRD gefährdet, aber aus irgendwelchen Gründen nicht eingestuft ist. Dieses formale Kriterium halte ich deshalb für schwierig.
Herr Fechner, Entschuldigung. Erlauben Sie eine Frage oder Bemerkung?
Ja klar. Natürlich.
Dann, lieber Christian Ströbele, bitte.
Sie hätten weiterlesen müssen. Der Satz war noch nicht zu Ende. Sie haben zitiert bis „erheblich überwiegt“. Dann geht es weiter:
... wenn sie oder ihre Inhalte
1. gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen,
2. auf Grundrechtsverletzungen oder die Begehung schwerer Straftaten … schließen lassen,
3. gegen zwischenstaatlich vereinbarte Rüstungsbeschränkungen verstoßen.
Nur dann fordern wir das.
(Beifall der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Das haben Sie einfach weggelassen. Sie behaupten, dass nach unserer Definition immer dann keine Staatsgeheimnisse vorliegen, wenn das öffentliche Interesse am Bekanntwerden das öffentliche Interesse an Geheimhaltung erheblich überwiegt. Wir haben die Gründe genau aufgelistet, wann keine Staatsgeheimnisse vorliegen. Dagegen können Sie doch nichts haben.
Aus meiner Sicht ist es nach wie vor zu unbestimmt. Es wird auch durch die Nachsätze, die Sie vorgetragen haben – ich habe das auch in Ihrem Antrag gelesen –, nicht besser. Sie eröffnen eine Diskussion über die Erheblichkeitsschwelle dieser wichtigen Norm. Das alles halte ich für zu unbestimmt. Deswegen bin ich von Ihrem Vorschlag nicht überzeugt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Langer Rede kurzer Sinn: Die Lehre aus der Affäre netzpolitik.org muss sein, dass Sicherheitsbehörden keine offensichtlich haltlosen Strafanzeigen gegen Journalisten stellen. Wo das geplant ist, müssen die Ministerien einschreiten und solche Anzeigen stoppen. Es darf wegen der überragenden Bedeutung der Pressefreiheit in Deutschland nicht einmal der Anschein erweckt werden, dass in Deutschland Sicherheitsbehörden durch Strafanzeigen Druck auf Journalisten ausüben.
Im zweiten Antrag fordern Sie, liebe Kollegen von den Grünen, im Einzelfall das externe Weisungsrecht des Justizministers zu beschränken. Ich halte fest: Sie wollen es nicht abschaffen, wie es der Deutsche Richterbund fordert, sondern Sie wollen es beschränken, und zwar auf „evident rechtsfehlerhafte Entscheidungen“. Auch das ist aus meiner Sicht viel zu unbestimmt. Wie und nach welchen Kriterien wollen Sie das bitte bestimmen? Das Weisungsrecht ist aus meiner Sicht sinnvoll und sollte nicht abgeschafft werden. Der bekannte Rechtsanwalt Gerhard Strate hat es in einem Beitrag für die Zeitschrift für Rechtspolitik 2014, wie ich finde, sehr prägnant zusammengefasst. Er verweist zu Recht darauf, dass das Grundgesetz keine Unabhängigkeit der Justiz, sondern „nur“ die Unabhängigkeit der Richter kennt. Den Staatsanwalt zum Teil der dritten Gewalt zu erklären, wäre – so Strate – der Abschied von dem fein austarierten System unserer rechtsstaatlichen Justiz. Das externe Weisungsrecht, von dem sowieso nie Gebrauch gemacht wird – Herr Maas hat es nicht getan, Kollege Sensburg –, sollte zumindest in der Theorie bestehen. Das ist wichtig, weil ansonsten keinerlei parlamentarische Kontrolle der Ermittlungsarbeit möglich ist. Dass das erforderlich ist, hat der Fall Mollath sehr deutlich gezeigt. Letztlich gibt es Argumente für die Abschaffung des Weisungsrechts, und es gibt Argumente für die Beibehaltung. Aber nach meiner Meinung gibt es keine Argumente für Ihren Mittelweg. Ich halte es für zu schwammig und unbestimmt, zu sagen, nur bei evident bedeutsamen Fehlleistungen solle das Weisungsrecht bestehen. Da ist Rechtsunsicherheit vorprogrammiert.
Zum Antrag der Linken. Er enthält die berechtigte Forderung, Hinweisgeber besser zu schützen. Ja, das stimmt. Die SPD hatte in der letzten Legislaturperiode genau zu diesem Zweck einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Auch wir wollen Hinweisgeber besser schützen. Etwa die Lebensmittelskandale in den letzten Jahren wären niemals aufgeklärt worden, wenn es nicht mutige Arbeitnehmer gegeben hätte, die sich gegen ihre Vorgesetzten gestellt und viele persönliche Nachteile in Kauf genommen hätten. Weil sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern dadurch einen großen Dienst erwiesen und dafür gesorgt haben, dass lebensgefährliche Geschäftspraktiken aufgedeckt und verhindert werden konnten, müssen wir den Schutz solcher Hinweisgeber auf jeden Fall verbessern. Da teilen wir Ihr Ziel.
Die Anträge enthalten viele richtige Ansätze, etwa den besseren Schutz der Whistleblower oder die Idee, das Weisungsrecht nur schriftlich zuzulassen. Aber weil sehr viel unklar ist und weil insbesondere bei den Anträgen der Grünen die zentralen Punkte zu unbestimmt sind, habe ich erhebliche Bedenken gegen Ihre Anträge.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Johannes Fechner. – Nächster Redner: Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045705 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Schutz der Pressefreiheit |