15.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 209 / Tagesordnungspunkt 8

Alexander HoffmannCDU/CSU - Schutz der Pressefreiheit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat haben die Ermittlungen gegen netzpolitik.org zu einer heftigen und breiten Debatte geführt. Es wurde gefragt, ob wir den Schutz der Journalisten in unserem Land verbessern müssen und ob wir nicht generell eine Reform der Tatbestände der §§ 93 ff. StGB – Geheimnisverrat und Landesverrat – brauchen. Aber der Reihe nach.

Bei uns sind Journalistinnen und Journalisten zunächst einmal grundrechtlich geschützt durch Artikel 5 des Grundgesetzes. Dieses Grundrecht findet eine Schranke in den Straftatbeständen der §§ 93 ff. StGB. Interessant dabei ist: Das Schutzgut ist die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Ich finde es ein Stück weit bedenklich, dass wir heute eine rechtspolitische Debatte über die Frage führen, ob wir diese Tatbestände reformieren, und niemand von Ihnen, weder Sie, Kollege Petzold, noch Sie, Kollege Ströbele, sich einmal die Mühe gemacht hat, dieses Rechtsgut in Inhalt und Ausmaß zu beleuchten.

Zwei Dinge hat netzpolitik.org damals online gestellt – ich glaube, auch da sollten wir einmal etwas konkreter werden; Sie, Herr Petzold, haben das sehr oberflächlich in den Raum gestellt –: zum einen Teile des Wirtschaftsplans des BfV, zum anderen Teile des Konzepts „Erweiterte Fachunterstützung Internet“. Ich empfehle Ihnen, zu der Bewertung des Inhalts die Ausführungen von Professor Dr. Jan-Hendrik Dietrich, Hochschule des Bundes, zu lesen. Das ist just der Gutachter, den der damalige Generalbundesanwalt als externen Gutachter beauftragt hatte. Dieses Gutachten ist sehr viel differenzierter als das interne Gutachten, das das Bundesamt für Verfassungsschutz damals in Auftrag gegeben hat. Professor Dietrich kommt – so einfach scheint es nicht zu sein, Kollege Fechner – zunächst einmal zu der Einschätzung, dass die Information über das EFI-Konzept ein Staatsgeheimnis gewesen ist, da das Konzept Rückschlüsse auf das Leistungspotenzial des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Cyberbereich zulässt. Das EFI-Konzept legt offen, welche organisatorischen und technischen Defizite im Bundesamt für Verfassungsschutz im Bereich Cyberbekämpfung vorherrschen, und beschreibt die Methoden, wie in diesem Haus Informationen gewonnen werden.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Und das darf die Öffentlichkeit nicht wissen?)

Jetzt sagen Sie, die Öffentlichkeit müsse informiert werden. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Da haben sich mir die Nackenhaare aufgestellt. Kollege Petzold, wir leben im Zeitalter der Cyberkriminalität, im Zeitalter der Hackerattacken.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Eben!)

Und für Sie ist es in Ordnung, dass ein Konzept offengelegt wird, das Rückschlüsse auf die Cyberkompetenz

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Auf die Defizite!)

des Bundesamts für Verfassungsschutz zulässt. Auf Deutsch gesagt: Dieses Konzept zeigt, wo die Bundesrepublik Deutschland auf dem Cyberweg verwundbar ist, und das im Zeitalter der Hackerattacken. Und für Sie ist die Veröffentlichung vollkommen in Ordnung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Traurig! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten die Journalisten verurteilt werden sollen?)

Ich finde es erschreckend, dass Sie tatsächlich gesetzlichen Handlungsbedarf anmahnen, sich aber mit dem Inhalt des Gutachtens offensichtlich kaum beschäftigt haben,

(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)

zumal – auch das muss man sagen – das Schutzgut der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, der Schutz der Bundesrepublik Deutschland und seiner Behörden und Einrichtungen vor Hackerangriffen, alles andere als ein niedrigschwelliges Rechtsgut ist.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Wir dürfen das nicht erfahren vom Bundesamt für Verfassungsschutz? Wo leben wir denn? – Gegenruf des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Das ganze Geschrei hilft gar nichts!)

Ich sage Ihnen: Bei der Lektüre Ihrer Anträge nimmt man wahr, dass Sie an dieser Stelle Ihre Ideologie offensichtlich ganz nach oben stellen. Sie wollen möglichst viel Beinfreiheit für Journalisten und nehmen dafür im Notfall eine Gefährdung der Bundesrepublik Deutschland in Kauf.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: So ein Unsinn!)

Genau deshalb werden wir diese Anträge ablehnen. Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung, in einem Zeitalter, in dem sich in jeder Lebenslage akut und spontan Informationen in die Welt hinaussenden lassen. Wenn die Information einmal in der Welt ist, sekundenschnell, ist sie ganz schwer rückholbar. Wir wollen in diesem Zeitalter keinen leichtfertigen Umgang mit Staatsgeheimnissen. Wir wollen eben nicht, dass der äußere Schutz der Bundesrepublik Deutschland zur Disposition Einzelner gestellt wird.

Herr Hoffmann, erlauben Sie eine Bemerkung oder Frage von Christian Ströbele?

Aber mit großem Vergnügen, Frau Präsidentin.

Danke schön.

Herr Kollege, darf ich Sie so verstehen, dass Sie im Ergebnis der Meinung sind, man hätte die beiden Journalisten doch anklagen und möglicherweise verurteilen sollen?

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Genau!)

So verstehe ich Sie jetzt. Sie haben offenbar noch nicht verstanden, dass das eine die Person oder die Stelle ist, die eine Information aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz nach draußen gegeben hat – darüber reden wir hier gar nicht –, das andere die Journalisten sind, die diese Information bekommen und veröffentlichen. Wir sind der Meinung, dass ein Journalist, wenn er so etwas in die Hand bekommt, gerade in einer Zeit, in der wir über die Internetüberwachung diskutieren – ich rede jetzt nicht von dem möglichen Verfassungsschützer oder wer auch immer das war –, sagen können muss: Das interessiert die Öffentlichkeit jetzt aber sehr. Also veröffentliche ich das.

Danke für die Frage. – Das ist doch genau der Punkt: In dem Moment, wo man das in die Hände eines Journalisten gibt, legt man das erhebliche Rechtsgut „äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ in die Hände eines Einzelnen und stellt es zu seiner Disposition. Ich habe eigentlich gedacht – deswegen war ich eingangs Ihrer Frage etwas irritiert –, dass Sie als Strafverteidiger sehr wohl die Frage, ob Anklage erhoben wird, ob ermittelt wird, und die Frage, ob jemand verurteilt wird, auseinanderhalten können. Ich glaube, dass es voll und ganz gerechtfertigt gewesen ist, in diesem Fall Ermittlungen einzuleiten.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen die Journalisten!)

Es scheint ja nicht so eindeutig gewesen zu sein, wie der Kollege Fechner vorhin geschildert hat. Immerhin hat das Bundesjustizministerium ein Gutachten in Auftrag gegeben. Jeder Straftäter in Deutschland muss sich nach den Ermittlungen unter Umständen einem Strafprozess stellen, in dem es dann um die Frage geht, ob Vorsatz oder Absicht, wie es das Gesetz erfordert, vorgelegen hat. Daher verstehe ich nicht, warum wir uns diese Zeit nicht hätten nehmen sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Journalisten wägen doch ab!)

Generell erlebe ich diese Debatte – da will ich ehrlich sein – als sehr ideologisch. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich persönlich behaupte, dass Sie von den Grünen und auch Sie von den Linken diese Ermittlungen nicht zum Anlass für Reformüberlegungen genommen hätten, wenn es zum Beispiel Ermittlungen gegen ein sehr konservatives Medienblatt, wie zum Beispiel den Tagesspiegel, gegeben hätte.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der war gut!)

Ich bin aber – auch das will ich ganz ehrlich sagen – mit der Aufarbeitung dieser Thematik im Bundesjustizministerium – insofern bin ich dankbar, dass Sie da sind, Herr Minister – nicht wirklich zufrieden. Wir täten uns in der Debatte durchaus leichter, wenn auch Sie mehr zur Aufklärung der damaligen Chronologie beitragen würden. Sie sagen: Es hat keine Weisung gegeben. Ich habe nie das Wort „Weisung“ verwandt. – Ich habe im Rechtsausschuss gefragt, ob Sie ausschließen können, dass das, was Sie gesagt haben, als Weisung hätte verstanden werden können. Dazu gab es keine Auskunft. Sie haben auch die Existenz des Aktenvermerks nicht wirklich erklären können, und sie ließen das externe Gutachten stoppen. – Das sind die Erkenntnisse, die ich eingangs skizziert habe. Auf die Frage, warum sie es an diesem Montag, am Tag der Weisung, haben stoppen lassen, sagen sie: Es war einfach keine Zeit mehr zu verlieren. – Es ärgert mich als Parlamentarier, wenn ich über das Fernsehmagazin Kontraste die Information bekomme, dass der Gutachter selbst sagt, dass das Gutachten an diesem Tag so gut wie fertig gewesen ist. Mit der Beantwortung dieser Fragen täten wir uns in der Debatte leichter.

Ich will am Ende meiner Rede noch ein paar Sätze zum Schutz von Hinweisgebern verlieren; auch das ist immer wieder ein Thema in den Debatten gewesen. Ich bin schon dafür, dass wir das Ganze weitaus differenzierter sehen, als es der Kollege Petzold vorhin getan hat oder als Sie es immer tun, Kollege Ströbele. Mir ist schon wichtig, dass wir gesellschaftspolitisch den Akzent darauf setzen, dass Hinweisgeber nicht in eine Ecke mit Denunzianten gestellt werden dürfen. Ich glaube schon, dass wir uns trotz Edward Snowden die Zeit nehmen sollten, einmal zu überlegen: Wo besteht denn überhaupt Regelungsbedarf? Wie viele Regelungslücken haben wir? – Sie wissen, dass in der juristischen Debatte die Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Mittelpunkt stand. Damals ging es um den berühmt gewordenen Fall der Pflegerin, die Missstände in einem Pflegeheim veröffentlicht hatte. Die wesentlichen Erkenntnisse aus dieser Entscheidung sind:

Erstens. Es geht um Grundrechtsschutz. Es ist eine Abwägungsentscheidung zu treffen zwischen der Meinungsfreiheit und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit auf der einen Seite und dem Vertraulichkeitsinteresse des Unternehmens auf der anderen Seite.

Zweitens. Diese Abwägung muss im Einzelfall von einem Gericht vorgenommen werden, auch wenn wir einzelgesetzlich etwas verändern. Auch rechtliche Konsequenzen – wie eine Abfindung, die es in diesem Fall gab – müssen im Einzelfall geprüft werden; das ist heute schon so.

Ich bin der Meinung, dass wir schauen müssen, wie die Strukturen in diesem Bereich, zumindest im Hinblick auf das Arbeitsrecht, sind und ob es Änderungsbedarf gibt. Ein solcher Bedarf ist jedenfalls nicht in dem Umfang, wie Sie heute hier glauben machen wollen, vorhanden. Deswegen lehnen wir Ihre Anträge ab.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Alexander Hoffmann. – Der letzte Redner in der Debatte: Dr. Matthias Bartke für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7045716
Wahlperiode 18
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Schutz der Pressefreiheit
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