15.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 209 / Tagesordnungspunkt 8

Matthias BartkeSPD - Schutz der Pressefreiheit

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Netzpolitik.org-Affäre aus dem letzten Sommer hat uns die Spiegel- Affäre von 1962 wieder ins Gedächtnis gerufen. Beide Affären stehen für die hohe Bedeutung, die die Pressefreiheit in unserem Land hat. Die Spiegel- Affäre hat die Pressefreiheit in der Gesellschaft wirklich verankert. Die Gesellschaft hat damals begriffen, was Pressefreiheit tatsächlich bedeutet. Seither begleitet der kritische Geist der Presse die Entwicklungen in unserem Land und korrigiert sie, wo sie in die falsche Richtung laufen. Die Pressefreiheit ist damit Garant unserer Demokratie und scheint heute wichtiger denn je, nicht nur in Deutschland.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Spiegel- Urteil von 1966 in aller Deutlichkeit festgestellt:

Die Presse … beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung.

Im selben Urteil hat das Bundesverfassungsgericht auch deutlich gemacht, dass „die Aufdeckung wesentlicher Schwächen … trotz der zunächst damit verbundenen … Nachteile für das Wohl der Bundesrepublik auf lange Sicht wichtiger … als die Geheimhaltung“ sein kann.

Meine Damen und Herren, das ist der Hintergrund, vor dem die Netzpolitik.org-Affäre gesehen werden muss. Es war daher absolut richtig, dass das Justizministerium schon zu einem frühen Zeitpunkt der Affäre besonders sorgsame Arbeit angemahnt hat. Selbst der damalige Generalbundesanwalt Range hatte mit Blick auf die Pressefreiheit Anweisung gegeben, „mögliche Exekutivmaßnahmen“, wie er es nannte, gegen die Journalisten zu stoppen. Damit wird schon sehr deutlich, dass der Staat zu keinem Zeitpunkt kritische Berichte unterdrücken wollte oder gar unterdrückt hat.

Wenn es um Ermittlungen gegen Journalisten geht, steht dieser Verdacht natürlich immer schnell im Raum, und man darf solche Bedenken auch nicht leichtfertig vom Tisch wischen. Das ist im Fall von netzpolitik.org aber ganz sicher nicht geschehen. Nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen explodierte die Berichterstattung zu diesem Thema geradezu. Medien und Presseverbände waren empört und haben sich mit den Bloggern von netzpolitik.org solidarisiert. Ich muss gestehen: Einen eingeschüchterten Eindruck hat das auf mich damals nicht gerade gemacht. Ich finde, das spricht für das Selbstbewusstsein der Presse in unserem Land, und ich sage: Richtig so!

(Beifall bei der SPD)

Liebe Oppositionsfraktionen, in Ihren Anträgen nehmen Sie nicht nur auf die Pressefreiheit, sondern auch auf das Weisungsrecht des Justizministers Bezug und wollen es einschränken. Ja, der Justizminister hat ein externes Weisungsrecht gegenüber dem Generalbundesanwalt. Im vorliegenden Fall hat er davon aber gar keinen Gebrauch gemacht. Es ist ja nun auch nicht so, dass er deswegen schalten und walten kann, wie er will. Die Dienstaufsicht ist an Recht und Gesetz gebunden. Wo das Gesetz keinen Ermessensspielraum zulässt, kommt das Weisungsrecht überhaupt nicht infrage. Justizminister Heiko Maas musste Generalbundesanwalt Range trotzdem in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Nachdem dieser ihm in einer Pressekonferenz vorgeworfen hatte, in die Unabhängigkeit der Justiz einzugreifen, war das unvermeidlich; denn einmal abgesehen davon, dass der Generalbundesanwalt eben gerade nicht unabhängig ist, erschüttert ein solch öffentlich erhobener Vorwurf das Vertrauensverhältnis ohnegleichen. Völlig klar, dass das deutliche Konsequenzen erforderte!

Meine Damen und Herren, ich will in diesem Zusammenhang meinen persönlichen Eindruck schildern. Im Rechtsausschuss hatten wir Herrn Range im August vergangenen Jahres ja bekanntlich geladen. Ich muss wirklich sagen: Einen solch schwachen Auftritt habe ich zuvor selten erlebt.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Tat!)

Die Süddeutsche Zeitung beschrieb Range als „rebel with­out a cause“. Ich finde, das trifft es ziemlich gut.

Sie merken schon: Aus meiner Sicht zeichnet sich nicht der Änderungsbedarf ab, den Sie aus der Affäre gefolgert haben. Das liegt vielleicht auch daran, dass der letzte vergleichbare Fall über ein halbes Jahrhundert zurückliegt. Ich finde: Dringender Handlungsbedarf sieht wirklich anders aus.

Ich danke Ihnen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7045717
Wahlperiode 18
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Schutz der Pressefreiheit
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