Thorsten FreiCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 40 Jahre nach Ausbruch von Krieg und Bürgerkrieg in Afghanistan und ziemlich genau 15 Jahre, nachdem wir uns das erste Mal im Land engagiert haben, diskutieren wir heute über Afghanistan. Es ist ja in der Debatte schon deutlich geworden, dass in Afghanistan Licht und Schatten eng beieinander liegen.
Wenn wir in einer solchen Debatte über die Verlängerung des RSM-Mandates diskutieren, dann, glaube ich, ist es richtig, auch klar zu benennen, wo die Errungenschaften und wo die Probleme dieses Einsatzes liegen. Ich könnte das wahrscheinlich nicht besser tun, als es die Frau Kollegin Beck in ihrer Kurzintervention gemacht hat. Natürlich hat sich die Gesundheitsversorgung massiv verbessert. Natürlich wurden auch die Infrastruktur und die Bildungsinfrastruktur im Land massiv verbessert. Die Erfolge sind unbestreitbar.
Es ist aber auch richtig, dass wir im Bereich der Sicherheit mit Licht und Schatten zu kämpfen haben. Natürlich wissen wir, dass Aufständische Kunduz 2015 überrannt und eingenommen haben. Natürlich wissen wir, dass Aufständische ein Attentat auf unser Generalkonsulat in Masar-i-Scharif verübt haben. Natürlich kennen wir die Tatsache, dass auf eine schiitische Moschee in Kabul vor wenigen Wochen ein Attentat mit 32 Toten und 85 Verletzten verübt wurde. All das wissen wir.
Wir haben aber beispielsweise auch den SIGAR-Bericht, der in diesem Sommer veröffentlicht wurde. Von daher wissen wir ganz genau, wenn wir über die Frage diskutieren, inwieweit Afghanistan sicher ist oder nicht, wie es sich tatsächlich verhält. In diesem Bericht steht klipp und klar, dass 62 Prozent der Flächen sicher sind und zwei Drittel der Menschen in Sicherheit leben.
(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU])
Die Unterschiede zwischen den Provinzen sind natürlich groß. Von den etwa 407 Distrikten in Afghanistan sind 268 sicher.
(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU])
36 sind in den Händen der Aufständischen, und 104 sind in Gefahr.
(Zurufe von der LINKEN)
Das ist eine Erkenntnis aus dem SIGAR-Bericht des US-Senates. Wenn Sie dem Bericht nicht glauben, dann verhilft vielleicht ein Interview des Chefs von IOM, William Lacy Swing, das er heute Morgen in den deutschen Medien gegeben hat, dazu. Er hat beispielsweise darauf hingewiesen, dass weite Teile Afghanistans hinreichend sicher sind, sodass es durchaus möglich ist, nicht nur Afghanen dorthin zurückzuführen, sondern dass wir tatsächlich sagen können: Die Transition, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung auf die Afghanen, war und ist schwierig und langwierig, aber sie ist durchaus schon ein Stück weit gelungen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, tatsächlich verhält es sich doch so: Seit dem Ende von ISAF sind von 140 000 internationalen Soldaten in Afghanistan noch 13 000 da. Das bringt eine gewaltige Herausforderung für die afghanischen Sicherheitskräfte mit sich. Ich glaube, diese Zahl ist heute schon genannt worden: Im vergangenen Jahr sind 7 000 afghanische Soldaten und Polizisten gefallen, 14 000 wurden verletzt. Dass das natürlich eine Zerreißprobe für die Sicherheitskräfte in Afghanistan darstellt, ist völlig offensichtlich; das ist doch ganz klar. Genau deshalb brauchen wir neben dem bilateralen Einsatz der Amerikaner eben auch unser RSM-Mandat, auf dessen Grundlage wir die afghanischen Sicherheitsbehörden trainieren, unterstützen und ihnen assistieren können. Darum geht es. Das diskutieren wir heute im Deutschen Bundestag, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch eines sagen. Es ist heute Morgen in einer anderen Debatte über eine Mandatsverlängerung aus dem linken Teil des Hauses geradezu abschätzig gesagt worden: Sie wollen dort ja deutsche Interessen durchsetzen.
(Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])
Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich empfinde das nicht als schändlich. Wir sind Vertreter des deutschen Volkes und vertreten deshalb auch deutsche Interessen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In Afghanistan tun wir etwas für die afghanischen Interessen. Das ist absolut richtig. Wir dürfen nicht vergessen, dass auf der Brüsseler Konferenz erreicht werden konnte, dass der Tokio-Prozess fortgesetzt wird: 75 Staaten, 26 internationale Organisationen haben gemeinsam beschlossen, bis 2020 zusätzlich 15,2 Milliarden Euro an ziviler Hilfe für Afghanistan bereitzustellen. Übrigens ist Deutschland der zweitgrößte Geber.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, und?)
Wir geben bis 2020 jedes Jahr 430 Millionen Euro für zivile Aufbauhilfe, 80 Millionen Euro jedes Jahr zur Unterstützung der Armee, 70 Millionen Euro jedes Jahr zur Unterstützung der afghanischen Polizei. Das tun wir für die afghanische Bevölkerung, um Zukunftsperspektiven zu schaffen. Das ist richtig und vernünftig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir vertreten dabei auch deutsche Interessen. Wir tun etwas, um Fluchtursachen zu bekämpfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Deswegen ist mal ein Bundespräsident zurückgetreten! Fragen Sie mal Herrn Köhler!)
Wir schützen darüber hinaus – lassen Sie mich auch das an dieser Stelle sagen – unsere Interessen auch dadurch, dass wir durch mehr Sicherheit letztlich auch Zukunftsperspektiven, wirtschaftliche Perspektiven eröffnen und damit beispielsweise verhindern, dass Afghanistan weiterhin Rückzugsort für den internationalen Terrorismus ist und bleibt.
Man muss sich mit Blick auf internationale Kriminalität auch vor Augen führen, dass Afghanistan der weltgrößte Produzent und Exporteur von Cannabis, von Opiaten, von Heroin ist. Allein die Taliban haben im Jahr 2009 mit Drogengeschäften 155 Millionen Euro verdient. Heute sind es 500 Millionen Euro . Genau an diesem Punkt müssen wir ansetzen. Damit dienen wir auch unseren Interessen und vertreten sie dort unmittelbar vor Ort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb müssen wir diesen Einsatz fortsetzen. Es ist wichtig, dass wir unsere Mission weiter vorantreiben. Ich will an dieser Stelle sagen: Oberstes Gebot für uns als Deutscher Bundestag muss sein, das Mandat so auszustatten, wie es zum Schutz der deutschen Soldaten notwendig ist. Wir müssen es so ausstatten, wie es nötig ist, um den Auftrag, den wir der Bundeswehr erteilen, tatsächlich umsetzen zu können. Dabei ist es wichtig, dass wir uns nicht an irgendwelchen Stichtagen orientieren, sondern den Auftrag so erledigen, wie es notwendig ist. Ich wünsche mir zuletzt, dass das auch in Zukunft die Maxime der amerikanischen Politik bleibt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Kollege Thorsten Frei. – Die letzte Rednerin in der Debatte, der Sie bitte Aufmerksamkeit schenken mögen – Aufmerksamkeit geht so, dass man einfach aufhört, miteinander zu reden, und stattdessen zuhört –,
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nur ein Teil von Aufmerksamkeit!)
ist Julia Obermeier für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045745 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan |