Frank JungeSPD - Einflussmöglichkeiten auf politische Willensbildung
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorausschicken, dass wohl nichts die Werte unserer Gesellschaft besser verkörpert als das gemeinnützige und ehrenamtliche bürgerschaftliche Engagement der Millionen Menschen in unserem Land. Dafür muss man an dieser Stelle zunächst einmal Danke sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dieses Engagement stellt die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger in allen Bereichen der Gesellschaft sicher. Das stärkt die Demokratie. Das erwirtschaftet einen messbaren, milliardenschweren Nutzen für die Allgemeinheit. Ich halte es deshalb für richtig, gut und wichtig, dass wir heute über das übergeordnete Thema Gemeinnützigkeitsrecht sprechen. Ich will es in zwei Punkten etwas näher beleuchten.
Erstens. Bei dem jüngsten Fall Attac, der sich auch in einem Gerichtsurteil niedergeschlagen hat, geht es darum, dass es bei der Aberkennung der Gemeinnützigkeit einen Interpretationsspielraum des Finanzamtes Frankfurt gab, der im folgenden Verfahren vom Finanzgericht in Kassel einkassiert wurde. Insofern wurde dort Recht gesprochen, und zwar zugunsten von Attac. Das ist so in Ordnung. Mit dem Urteil bin ich sehr zufrieden, weil es nach meinem Dafürhalten zeigt, dass sich Attac korrekt verhalten hat.
Wir wollen, dass sich gemeinnützige Organisationen politisch engagieren. Anders könnten sie ihre Satzungszwecke nicht wirksam verfolgen. Klar ist aber auch, dass das politische Handeln gemeinnütziger Organisationen kein Selbstzweck sein kann. Es muss als Mittel zum Erreichen eines anerkannten gemeinnützigen Zwecks erfolgen. Allgemeines politisches Handeln ist hingegen kein anerkannter gemeinnütziger Zweck.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Frank Steffel [CDU/CSU])
Es ist Aufgabe der Parteien, die dem Parteiengesetz unterliegen. Eine klare Abgrenzung zwischen der zweckbestimmten politischen Partizipation, die gemeinnützig sein kann, und dem legitimierten Wirkungskreis von Parteien halte ich daher für zwingend notwendig und richtig.
(Beifall bei der SPD)
Darum ist das Urteil zu Attac in meinen Augen auch eine Bestätigung, dass unsere Regelungen im Gemeinnützigkeitsrecht gut und geeignet sind, die politische Partizipation der Bürgerinnen und Bürger prinzipiell zu fördern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zweitens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sich Menschen schon freiwillig und selbstlos in gemeinnützig tätige Organisationen einbringen und unserer Demokratie und der Gesellschaft so einen unschätzbaren Nutzen erweisen, dann muss es unsere Aufgabe als Parlamentarier sein, die Rahmenbedingungen dafür so unkompliziert wie nur eben möglich zu gestalten. Unter diesem Gesichtspunkt halte ich den vorhandenen Zweckkatalog der Abgabenordnung in der Tat für schon lange nicht mehr zeitgemäß. Ihn müssen wir uns vornehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum einen müssen wir weitere und klug abgewogene Zweckbestimmungen aufnehmen. Denn es kann zum Beispiel nicht sein – da komme ich auf Ihr Beispiel zurück, Frau Jelpke –, dass sich Einrichtungen, die sich für die Rechte von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen einsetzen, andere in der Abgabenordnung gelistete Zwecke zu eigen machen müssen, weil sie für sich selbst nichts finden. Zum anderen müssen wir vorhandene Zweckbestimmungen einfach klarer und präziser formulieren, damit der Interpretationsspielraum für Finanzämter eingeschränkt wird und es über diesen Weg zu mehr Rechtssicherheit kommt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dieser Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir uns fraktionsübergreifend in Kürze annehmen; denn ich bin der festen Überzeugung, dass eine unter diesen Gesichtspunkten angepasste Abgabenordnung noch viel mehr Bürgerinnen und Bürger motiviert, sich für das Allgemeinwohl zu engagieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Frank Steffel.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045975 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Einflussmöglichkeiten auf politische Willensbildung |