Svenja StadlerSPD - Einflussmöglichkeiten auf politische Willensbildung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich spreche heute zu Ihnen als engagementpolitische Sprecherin meiner Fraktion.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wow, so etwas gibt es?)
– Wow, ja, bei der SPD schon;
(Zuruf von der CDU/CSU: Klasse!)
denn wir schätzen das Ehrenamt wert.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In meinem Wahlkreis gibt es unter anderem zwei soziale Kaufhäuser in zwei verschiedenen Orten. Beide haben denselben Träger, und beide haben dasselbe Profil und dasselbe Ziel, nämlich sie wollen bedürftigen Menschen die Möglichkeit geben, für wenig Geld etwas mehr als nur das Allernotwendigste zu kaufen.
Doch eines unterscheidet die beiden Häuser: Für sie sind unterschiedliche Finanzämter zuständig. So kommt es, dass das eine alle drei Jahre um die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit fürchten muss. Bisher ist alles gut gegangen, doch wenn ich einmal über meinen Wahlkreis hinausschaue, dann sehe ich, dass das nicht überall der Fall ist. Deshalb müssen wir die Regeln für Gemeinnützigkeit in unserem Land dringend verbessern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bürgerschaftliches Engagement ist ein Grundpfeiler für eine moderne und demokratische Gesellschaft. Diejenigen, die sich freiwillig, unentgeltlich und uneigennützig für andere Menschen einsetzen, stärken unsere Demokratie besonders.
(Beifall bei der SPD)
Unsere demokratische Gesellschaft braucht sie, um die nötige Widerstandsfähigkeit zu entwickeln – gegen Ausgrenzung, Egoismus und Menschenfeindlichkeit, und ich werde nicht müde, das in diesem Hause immer wieder zu betonen.
Doch wir müssen mehr tun, als das nur zu betonen und zu wiederholen. Wir müssen den engagierten Bürgerinnen und Bürgern die Rahmenbedingungen bieten, die sie brauchen. Dazu gehört an allererster Stelle Planungssicherheit. Um das zu erreichen, müssen wir beispielsweise dafür sorgen, dass die Zuständigkeit der einzelnen Finanzämter nicht mehr zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Auslegungen von Gemeinnützigkeit führt;
(Beifall bei der SPD)
denn eine Situation wie die der beschriebenen Sozialkaufhäuser in meinem Wahlkreis ist Gift für bürgerschaftliches Engagement. Sie führt zu Unsicherheit unter den Engagierten und zu Unverständnis gegenüber der Ungleichbehandlung. Im schlimmsten Fall führen Frustration und das Ohnmachtsgefühl zum Ende des Engagements. Wollen wir das?
(Willi Brase [SPD]: Nein, wollen wir nicht!)
Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, können nicht ohne die aktive Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen bewältigt werden. Das Gemeinnützigkeits- und Vereinsrecht muss Beteiligung ermöglichen und fördern und darf ihr keine Steine in den Weg legen.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb unterstützen wir als SPD-Bundestagsfraktion eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts,
(Beifall bei der SPD)
eine Modernisierung, die den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahre und Jahrzehnte auch im Steuerrecht widerspiegelt; eine Modernisierung, die anerkennt, dass Zivilgesellschaft heute mehr ist als das „Ehrenamt“ von früher; eine Modernisierung, die zur Entbürokratisierung beiträgt.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer anpackt, will auch mitbestimmen. Engagement ist mehr als nur die karitative Wohlfahrtspflege. Es ist längst Ausdruck eines aktiven Mitgestaltungsanspruchs der Zivilgesellschaft, einer Zivilgesellschaft, die aktiv zur politischen Willensbildung beiträgt, unsere Demokratie bereichert, gestaltet und stärkt.
Das bürgerschaftliche Engagement befindet sich im Wandel. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass die Regeln, denen es unterliegt, mit diesem Wandel Schritt halten können. Reden wir nicht nur, packen wir es endlich an!
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7045977 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 209 |
Tagesordnungspunkt | Einflussmöglichkeiten auf politische Willensbildung |