15.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 209 / Tagesordnungspunkt 13

Sven-Christian KindlerDIE GRÜNEN - Nachtragshaushaltsgesetz 2016

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie müssen nach meiner Rede bewerten, ob das eingetreten ist.

Ich will mit etwas Positivem anfangen. Auch wir finden es gut, dass jetzt 3,5 Milliarden Euro für marode Schulen zur Verfügung gestellt werden. Wir unterstützen auch den kommunalen Investitionsfonds und den Finanzschlüssel, den es für die Kommunen in dieser Hinsicht gibt. Von daher begrüßen wir das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist schon mal eine gute Rede! – Johannes Kahrs [SPD]: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung!)

– Bringen wir uns einmal positiv ein. Ich hoffe, die SPD wird auch weiterhin bei meiner Rede klatschen. Man muss trotzdem ein bisschen Wasser in den Wein gießen.

Es war nicht die Bundesregierung, die in den Haushaltsberatungen 3,5 Milliarden Euro für marode Schulen vorgesehen hat. Wir haben das beantragt. In den Haushaltsberatungen hat die Bundesregierung noch abgelehnt, mehr für marode Schulen zur Verfügung zu stellen. Es waren nachher die Bundesländer mit ganz vielen Regierungen, an denen die Grünen beteiligt sind, die in den Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen dafür gesorgt haben, dass dieses Geld jetzt fließen wird. Das begrüßen wir. Das möchte ich deutlich feststellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Welche Grünen? Die baden-württembergischen, die hessischen, die bayerischen?)

Man muss auch noch einmal darstellen – auch das wurde schon gesagt –, dass das KfW-Kommunalpanel festgestellt hat, dass der Investitionsstau in den Kommunen in der Größenordnung von circa 34 Millionen Euro liegt. Da sagen wir auch klar: 3,5 Milliarden Euro können und dürfen nur der Anfang sein. Wir brauchen deutlich mehr, um bröckelnde und marode Schulen in Deutschland zu sanieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frage ist: Warum hat die Bundesregierung das eigentlich nicht viel früher gemacht? Das liegt auch daran, dass gerade der Unionsteil der Bundesregierung, insbesondere Herr Schäuble, lange geleugnet hat, dass es überhaupt ein Investitionsdefizit in Deutschland gibt. Auf der Grundlage einer mangelhaften Analyse kann man aber auch keine gute Investitionsstrategie aufbauen.

Wenn man sich den Haushalt anschaut, dann sieht man, dass Investitionen gesteigert wurden. Wenn es aber mehr Geld gab, war dies eher dem Prinzip Zufall zu verdanken. Wenn es niedrige Zinsen und hohe Steuereinnahmen gab, wurden Investitionsprogramme aufgelegt. Aber wenn man sich den Finanzplan anschaut, stellt man fest, dass das nicht nachhaltig und dauerhaft ist. Die Investitionsquote stürzt bis 2020 auf 8,8 Prozent ab. Wir sagen: Wir müssen dauerhaft mehr in Deutschland investieren, wir müssen eine dauerhafte und sinnvolle Investitionsstrategie für Deutschland entwickeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Investitionspolitik nach Kassenlage ist auch problematisch für die Kommunen. Wir sehen, dass die Investitionsprogramme sehr kurzfristig aufgelegt wurden, ohne Plan, ohne Strategie. Gerade für finanzschwache Kommunen ist das ein Problem, weil die eben nicht die Planungen zum Beispiel für Schulsanierungen in der Schublade haben. Um das einmal konkret zu machen: Eine komplette Schulsanierung inklusive Planung braucht bis zu fünf Jahre. Gerade finanzschwache Kommunen haben häufig nicht die Ressourcen und haben nicht die Pläne in der Schublade, um die Sanierung sofort umzusetzen. Deswegen fordern wir Sie auf: Hören Sie auf mit dieser Zickzackinvestitionspolitik. Wir brauchen eine dauerhafte und verlässliche Investitionspolitik für unsere Kommunen in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])

Grundlegende Probleme werden mit dem Bund-Länder-Finanzkompromiss leider auch nicht angegangen. Lösungen wurden von der Bundesregierung nicht in die Verhandlungen eingebracht. Wenn wir uns strukturschwache Kommunen in Deutschland anschauen, dann sehen wir, dass die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderklafft.

(Johannes Kahrs [SPD]: Der baden-württembergische Ministerpräsident war der größte Blockierer!)

– Ich sage gleich etwas dazu, Kollege Kahrs. Nicht so aufregen!

Wenn man sich anschaut, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland weiter aufgeht, die Kommunen einen Investitionsstau von 136 Milliarden Euro haben, und wenn wir sehen, dass es Kassenkredite von 50 Milliarden Euro gibt und die Soziallasten der Kommunen immer größer werden, dann sehen wir ein, dass wir strukturelle Lösungen brauchen.

Wir haben vorgeschlagen, dass der Soli nicht abgeschafft wird, wie die Unionsfraktion das plant, sondern dass es eine Altschuldenhilfe für überschuldete Kommunen gibt, man den Soli erhält, neu begründet und ausrichtet und damit finanzschwache Kommunen unterstützt. Wir brauchen strukturelle und dauerhafte Lösungen, um finanzschwache Kommunen zu unterstützen. Das ist wichtig für die Kommunen und für unsere Demokratie in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Warum sind die Grünen dann dagegen?)

Ich will Ihnen noch etwas sagen: Wichtig ist, dass man das Kooperationsverbot endlich fallen lässt. Es ist völlig klar, dass wir mehr Bildungsinfrastruktur in Deutschland brauchen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Aber warum sind die Grünen denn dagegen?)

Wir brauchen ein Kooperationsgebot, eine Abschaffung des Kooperationsverbots in Deutschland.

(Johannes Kahrs [SPD]: Aber die Grünen sind doch dagegen in Baden-Württemberg!)

– Ich sage Ihnen auch gerne etwas zu Baden-Württemberg und zu Herrn Kretschmann. Herr Kretschmann sperrt sich nicht dagegen, dass es mehr Geld für die Kommunen in Deutschland gibt, um das einmal klarzustellen.

(Zuruf des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU])

– Ich würde etwas ruhig sein, liebe Union und liebe SPD. – Es gibt Konflikte in allen Parteien über das Thema Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern.

Ich will noch einmal daran erinnern, wer das Kooperationsverbot in die Verfassung geschrieben hat.

(Johannes Kahrs [SPD]: Entschuldigung, die Grünen haben sich doch geweigert! Warum wollen Sie es denn nicht ändern?)

Das waren nicht die Grünen. Kollege Kahrs, wer hat das Kooperationsverbot in die Verfassung geschrieben? Das waren die SPD-Bundestagsfraktion und die Unionsbundestagsfraktion. Ich würde lieber einmal ein bisschen Demut zeigen. Für das Kooperationsverbot in Deutschland ist die Große Koalition verantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Aber warum wollt ihr das denn nicht ändern? Ihr blockiert das doch!)

– Wir wollen das ändern; ihr habt es eingeführt. Ehrlich gesagt, wünsche ich mir, dass die SPD mit uns an einem Strang zieht und hier keine billige Parteipolemik austrägt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Aber warum ist Kretschmann dagegen, dass die Länder und Kommunen Geld bekommen?)

Ich finde, in dieser Frage muss sie vom hohen Ross herunterkommen.

Durch die Große Koalition wurde mit dem Haushalt nicht das Problem strukturschwacher Kommunen gelöst. Es gibt keine gute Investitionsstrategie. Die Investitionen stürzen bis 2020 ab. Ich würde dazu raten, an der Lösung dieser Probleme zu arbeiten, liebe Große Koalition. Das wäre besser, als hier polemische Reden zu halten, Kollege Kahrs.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Die Grünen waren doch dagegen, dass Geld in die Kommunen kommt!)

Herr Kindler, da Sie mich ohne Not ausdrücklich zu einer Bewertung aufgefordert haben: Es fing weihnachtlicher an, als es geendet hat,

(Heiterkeit und Beifall)

was aber verfassungsrechtlich ausdrücklich zulässig ist.

Jetzt ist der Kollege Rehberg an der Reihe.

(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Jetzt schwebt der Weihnachtsengel ein!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7045987
Wahlperiode 18
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Nachtragshaushaltsgesetz 2016
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