15.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 209 / Zusatzpunkt 4

Fritz GüntzlerCDU/CSU - Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gambke hat die 10 Milliarden Euro angesprochen, die den Haushalten jährlich verloren gehen sollen. Ich möchte gern darauf Bezug nehmen. Wenn Sie an der Anhörung teilgenommen haben,

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich!)

dann wissen Sie, dass wir den Bundesrechnungshof gefragt haben, wie er auf die 10 Milliarden Euro komme. Es kam keine konkrete Antwort, sondern nur der Hinweis, man habe eine Stichprobe bei 40 oder 47 Unternehmen gemacht. Man glaubt also, auf dieser Grundlage die Summe hochrechnen zu können. Von daher: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

Ich würde auch davor warnen, hier den Eindruck zu erwecken, dass alle Unternehmer, die eine Kasse führen, per se Steuerhinterzieher sind.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nein, nein! – Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat keiner gesagt! – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen die Ehrlichen schützen!)

Es gibt die Fälle, aber man muss diese auch einordnen. Von daher ist es klug, einen Kompromiss zu finden – wie dieser aussieht, hat Uwe Feiler ja vorhin sehr deutlich dargestellt –, damit man den Steuerehrlichen nicht noch bestraft und mit zusätzlicher Bürokratie belastet. Man muss vielmehr einen vernünftigen Ausgleich hinbekommen, sodass man das Ziel, über das wir uns alle einig sind, erreicht, ohne die Belastung der ehrlichen Steuerpflichtigen zu stark zu erhöhen. Ich glaube, das bekommen wir hier gut hin.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nur die Gauner sind im Verdacht!)

Es ist richtig, dass wir Manipulationen verhindern müssen. Die Dinge, die uns geschildert worden sind, sind wirklich abenteuerlich. Schauen Sie sich die Manipulationssoftware Phantomware an: Sie müssen Tetris spielen, danach kommen Sie auf eine andere Ebene, und dann werden Ihnen die Umsätze und Materialaufwendungen auf Wunsch geschmeidig gemacht, sage ich einmal, also angepasst. – Das kann nicht funktionieren. Da müssen wir eine Lösung finden. Die haben wir jetzt auch gefunden.

Wir haben eine technologieoffene Lösung, was ich gut finde. Wir haben eine herstellerunabhängige Lösung und eine kostengünstigere Lösung als das INSIKA-Verfahren. So jedenfalls heißt es in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung. Und wir suchen ein sichereres Verfahren, in das sich nicht jeder reinhacken kann. All das war mit INSIKA nicht gegeben. Daher glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind.

Wir müssen auch beachten, welchen Umfang dieses Gesetz annimmt, wen wir alles damit treffen. Wir haben in Deutschland ungefähr 400 000 Einzelhandelsbetriebe und ungefähr 250 000 gastronomische Betriebe. Die müssen wir im Blick haben. Ich habe das vorhin schon einmal erwähnt. Von daher ist es richtig, keine generelle Registrierkassenpflicht einzuführen. Das klingt per se ganz gut, aber wir treffen eben auch viele Kleine. Ich will nicht nur die Sportvereine nennen. Der Deutsche Fußball-Bund war ja bei der Anhörung anwesend und sagte, dass der Verkauf auf dem Sportplatz ein Problem sei. Bei einem Volksfest oder einem Stiftungsfest, das ein Verein veranstaltet, kommt man schnell über die Umsatzgrenzen hinaus, die mal diskutiert worden sind. Dann gibt es das Problem bei den einzelnen Vereinen.

Wir brauchen nur über die Grenze zu schauen. Die Österreicher haben das mit großem Bohei eingeführt. Aber was finden wir jetzt vor? Mittlerweile hat das Schreiben des österreichischen BMF 95 Seiten. Als wir angefangen haben, zu diskutieren, waren es noch 67 Seiten. Weil die Ausnahmen immer mehr werden, ist der Umfang angewachsen. Die Ausnahmen betreffen den Umsatz im Freien, Hüttenumsätze und ganz viele tolle Dinge. Diese Ausnahmetatbestände würden wir auch hier in Deutschland schaffen; denn der politische Druck auf uns alle wäre sehr groß, weil wir Leute in den Vereinen treffen würden, die wir gar nicht treffen wollen.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir machen ja überall Ausnahmen für Kleine und Vereine! Das ist ja überhaupt kein Problem!)

Stattdessen machen wir hier Politik mit Augenmaß und sind froh, dass wir die Sozialdemokraten dazu bringen konnten, diesen Weg mitzugehen und nicht wieder überbordende Bürokratie aufzubauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deutlich muss aber auch sein, dass das Ganze kein Allheilmittel ist. Der Kollege Binding hat ja darauf hingewiesen: Ein großes Problem sind – das muss man ehrlicherweise sagen – Einnahmen, die gar nicht erfasst werden.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Natürlich!)

Egal, wie gut ein Kassensystem ist: Wenn eine Einnahme kassemmäßig gar nicht erfasst wird, ist das ein Problem. Von daher ist es richtig, dass wir jetzt die Kassennachschau einführen und damit der Finanzverwaltung ein Handwerkszeug an die Hand geben. Sie kann von nun an unangekündigt in Räumlichkeiten gehen und sich einzelne Dinge anschauen.

Kritisiert wird, dass diese Regelung erst ab dem 1. Januar 2018 gelten soll. Dass das so ist, hat auch etwas mit den Länderfinanzverwaltungen zu tun, die erst einmal Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen müssen.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber die Prüfer gibt es ja schon! Man braucht ja nur zu sagen: Jetzt dürft ihr gehen!)

Wenn man unbedingt handeln will, Herr Kollege Binding, dann besteht auch jetzt schon die Möglichkeit, das Instrument der Umsatzsteuernachschau anzuwenden. Dort, wo Steuern hinterzogen werden, gibt es oft nämlich auch ein Problem mit der Umsatzsteuer, sodass man auch auf diese Weise das angehen könnte.

Natürlich wird es weiterhin die Möglichkeit geben, eine offene Ladenkasse zu führen. Ich sage Ihnen aber: Das werden die wenigsten tun, weil bei einem zertifizierten System die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit der Kassenaufzeichnung greift. Die sogenannte Beweiskraft der Buchführung ist in § 158 Abgabenordnung verankert. Wenn ein Betriebsprüfer vor Ort ist, versucht er gern, die Buchführung durcheinanderzubringen, indem er sagt: „Sie ist sachlich nicht richtig“, weil er dann nach § 162 Abgabenordnung die Möglichkeit hat, zu schätzen. Das ist das größte Problem. Insofern kann ich jedem Mandanten nur empfehlen – das tue ich auch –, offene Ladenkassen ab- und Registrierkassen anzuschaffen. Das ist vernünftiger, weil man dann auch Sicherheit hinsichtlich der Betriebsprüfung hat.

Übrigens sind die Registrierkassen nicht erfunden worden, weil es den Fiskus gibt, sondern weil Unternehmer sicher sein wollten, dass ihre Mitarbeiter keine eigenen Geschäfte machen.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bürokratieabbau!)

Ich habe einmal nachgelesen: 1879 ist in einem Saloon in Ohio zum ersten Mal eine Registrierkasse benutzt worden.

(Christian Petry [SPD]: Wie lange hat der Wirt gelebt? – Heiterkeit)

– Der Barkeeper war nicht mehr lange beschäftigt. – Es gibt also gute Gründe, die offene Ladenkasse abzuschaffen.

Ich glaube, dass wir hier insgesamt eine sehr praktikable Lösung vorliegen haben. Wir werden gemeinsam Erfolg haben. Wir wollen den Steuerhinterziehern das Handwerk legen. Das werden wir mit diesem Gesetz schaffen, auch wenn Herr Binding noch nicht ganz überzeugt ist.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046014
Wahlperiode 18
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen
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