15.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 209 / Tagesordnungspunkt 16

Johannes SelleCDU/CSU - Schutz zahlungsunfähiger Staaten vor Spekulanten

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es kommt nicht oft vor, dass sich die Staaten und die Menschen dieser Welt einig sind, schon gar nicht, wenn es um etwas Grundsätzliches geht. Aber am 1. September letzten Jahres gab es eine solche Sternstunde der Menschheit. 193 Staaten der UNO verabschiedeten den von der Generalversammlung überwiesenen Resolutionsentwurf mit dem Titel „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“.

Die Umsetzung der Agenda 2030 muss jetzt Leitmotiv unserer Politik sein und alle Politikfelder einbeziehen. Eine ganz wesentliche Aufgabe wird darin bestehen, die Finanzierung für diese Ziele zu beschaffen und die Finanzierungen so zu gestalten, dass sie geeignet sind, den Weg zu Arbeitsplätzen, zu Infrastruktur, Bildung und Gesundheit zu beschreiten. In unserer Anhörung zum Stand der Umsetzung der Agenda 2030 am 30. November 2016 mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass die Finanzierungen gerade ihre Institutionen in den Ländern verlieren, in denen sie am dringlichsten gebraucht werden, zum Beispiel in Afrika. Wenn man Geldströme, Investitionen und auch Staatsfinanzierungen nicht mehr organisieren kann, dann werden wir die Ziele der Agenda 2030 verfehlen. Deshalb muss man wohl abgewogen und sensibel vorgehen.

Wir werden aber diese Ziele auch verfehlen, wenn sich Geschäftsmodelle ausbreiten, die eine auftretende Schwäche eines Landes zur Gewinnmaximierung nutzen. Genau darauf wird in diesem Antrag aufmerksam gemacht. Mit solchen Schwächen sind Zahlungsprobleme gemeint, die dazu führen, dass finanzielle Verpflichtungen zu spät und nicht vollständig erfüllt werden können. Wenn sich so etwas andeutet und gegen ein solches Land spekuliert wird, indem die im Wert fallenden Anleihen aufgekauft werden, um sie später im vollen Umfang durchzusetzen, wird es in der Tat problematisch. Bedauerlicherweise müssen wir davon ausgehen, dass diese Situation auftreten kann. Das kann durch Preisverfall, durch Naturkatastrophen, durch Konflikte ausgelöst werden.

Die Beratungen der Gläubiger in solchen Fällen werden schwerlich zu guten Ergebnissen führen, wenn ein Teil der Gläubiger abwartet und seine vollen Ansprüche geltend machen will. Die Collective Action Clauses, die für solche Fälle eingeführt wurden, werden ihre Wirkung verfehlen, wenn es den Geierfonds gelang, Mehrheitsanteile zu erlangen. Und diese Strategie ist bereits vorhanden. Die für alle Gläubiger geltenden Beschlüsse unter dem Geltungsbereich der Collective Action Clauses müssen nämlich mit Mehrheit gefällt werden.

Dass diese Geschäftsmodelle überhaupt funktionieren, liegt an der fehlenden internationalen Regelung für Staaten, die sich im Zustand der Insolvenz befinden. Insolvenz, wie sie bei wirtschaftlichen Betrieben der Privatwirtschaft abgewickelt wird, lässt sich nicht auf Staaten übertragen, und deshalb konnten Ansprüche bisher durchgesetzt werden. Auch das spricht der Antrag an.

Da ein Volk, ein Territorium nicht verschwinden kann, wird es darum gehen, eine zukünftige Entwicklung eines betroffenen Staates zu ermöglichen. Die Restrukturierung durch Schuldenerlass, Umschuldung und weitere Hilfen sollte den IWF bzw. die Weltbank einbeziehen. Hier hat die internationale Gemeinschaft kompetente Institutionen. Für mich bedeutet das jedenfalls, dass die Proklamation eines kritischen Zustandes eines Landes von diesen Institutionen kommen muss, um sie dem direkten politischen Einfluss zu entziehen. Die Proklamation muss dann verhindern, dass Gläubiger so agieren können, als gäbe es die Notsituation nicht. So könnte in dem ungeklärten Fall der Zahlungsunfähigkeit eines Staates vorgegangen werden.

Einen politischen und solidarischen Ansatz haben Geierfonds nicht in ihrer Satzung. Die Politik kennt diesen Ansatz, und sie weiß, dass nur über Perspektiven für die Völker Frieden, Wohlstand und Bewahrung der Schöpfung möglich sind. Das ist unsere Verantwortung. Deshalb gibt es ja die Agenda 2030. Regelungsbedarf ist also vorhanden. Fonds, die investieren und an eine Zukunft glauben – und die gibt es schon –, brauchen wir allerdings. Zu umständliche und gläubigerfeindliche Regelungen erhöhen die Kosten und können sinnvolles Engagement von Fonds verhindern. Regeln, die von vornherein den Wert von Anleihen einschränken, werden grundsätzlich negativ bewertet und werden schwerer zu handeln sein.

Insofern haben wir sehr sorgfältig und ernsthaft die plakativ wirkenden Forderungen des Antrages zu behandeln. Das gründlich zu machen, nehmen wir uns vor, und wir sind uns bewusst, dass die Anleihen, über die wir hier reden, bisher nicht nach deutschem Recht begeben werden, sondern eher nach britischem. Und für ausländische Emittenten gelten unsere Gesetze auch nicht. Wir wollen ja nicht folgenlose Gesetzgebung betreiben.

Uns ist ebenfalls klar, dass von Deutschland kommende Regelungen in besonderer Weise tragfähig sein müssen; denn Deutschland hat sich verpflichtet, bei der Agenda 2030 eine Vorreiterrolle einzunehmen, und gilt als wichtiger Akteur und Meinungsbildner. Generell halte ich für uns fest: Wir wollen den Ländern bei dem Weg aus der Schuldenfalle helfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Niema Movassat, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046019
Wahlperiode 18
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Schutz zahlungsunfähiger Staaten vor Spekulanten
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