15.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 209 / Tagesordnungspunkt 16

Manfred ZöllmerSPD - Schutz zahlungsunfähiger Staaten vor Spekulanten

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es aktuell sicherlich wichtigere Aspekte des Themas Staatsinsolvenz als den Aspekt der sogenannten Geierfonds und ihres Agierens in der Staatsschuldenkrise von Argentinien gibt, den die Grünen jetzt in ihrem Antrag aufgegriffen haben. Denn Argentinien hat sich mit diesen Fonds inzwischen geeinigt: Im März dieses Jahres haben das Abgeordnetenhaus und der Senat Argentiniens einer Vereinbarung zwischen der Regierung und den Anleiheinvestoren mit großer Mehrheit zugestimmt. Argentinien hat im Gegenzug 4,65 Milliarden US-Dollar an die Gläubigerhedgefonds ausgezahlt und dem Land damit den Weg zurück an den Kapitalmarkt geebnet. Dies ist im Übrigen – das muss man einfach sagen – ein großer Erfolg für den neuen Staatspräsidenten Macri, und es hat die argentinische Wirtschaft entsprechend befördert. Das Elendsbild, das Sie, Herr Movassat, hier gezeichnet haben, trifft die Realität in Argentinien nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Schauen wir uns den Fall Argentinien aber mal genauer an. Hintergrund ist ein juristischer Konflikt Argentiniens mit einem New Yorker Hedgefonds. Infolge der Insolvenz des Landes im Dezember 2001 führte die Regierung in Buenos Aires in den Jahren 2005 und 2010 große Umschuldungsrunden durch. Herr Movassat, Argentinien war erst pleite und hat dann die Umschuldungen vorgenommen. Ich glaube, das muss man einmal in aller Deutlichkeit sagen. Dann haben Hedgefonds argentinische Schuldtitel auf dem Sekundärmarkt zu günstigen Konditionen aufgekauft und vor einem US-Gericht Argentinien verklagt, um zum vollen Wert entschädigt zu werden – das ist in der Tat der Sachverhalt –, und ein US-Gericht hat die Regierung in Buenos Aires dazu verurteilt, insgesamt vier Hedgefonds den Nennwert auszuzahlen.

Jetzt kann man ja fragen: Warum läuft das Ganze vor einem amerikanischen Gericht? Dazu muss man wissen, dass die argentinische Regierung die entsprechenden Bonds ganz bewusst unter amerikanischem Recht in Dollar aufgenommen hat. Insofern war das amerikanische Gericht zuständig.

Ich will aber auch deutlich machen, dass der Bundesgerichtshof deutschen Anlegern, die gegen diese Umschuldungsstrategie geklagt haben, gegenüber Argentinien recht gegeben hat. Der BGH hat Folgendes formuliert: Kein völkerrechtlicher Grundsatz berechtige ein Land dazu, die Zahlung fälliger Schulden wegen eines finanziellen Staatsnotstandes oder einer freiwilligen Umschuldung der Gläubigermehrheit zeitweise zu verweigern.

(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen müssen wir es ändern!)

Auch aus der Weltfinanzmarktkrise und der Rettung Griechenlands sei eine derartige völkerrechtliche Regel nicht entstanden.

Man muss jetzt sehen: Der argentinische Staatspräsident Macri hat die politische Strategie Argentiniens geändert. Die Staatspräsidentin Kirchner hatte sich geweigert, zu verhandeln; Macri hat verhandelt. Die Verhandlungen mit den Hedgefonds haben dazu geführt, dass nur 75 Prozent der ursprünglich geforderten Summe von Argentinien gezahlt werden mussten. Ich denke, auch das gehört zum Gesamtbild dazu, wenn man diesen Fall darstellt.

Es ist im Prinzip das geschehen, was Sie in Ihrem Antrag fordern: den Rückzahlungsanspruch eines Fonds auf dem Verhandlungswege zu finden. Herr Macri hat verhandelt, und Frau Kirchner hatte damals nicht verhandelt. Das Ergebnis der Verhandlungen war, dass Argentinien wieder Zugang zum Kapitalmarkt gefunden hat.

Herr Movassat, auch das muss man in aller Deutlichkeit sagen: Argentinien ist kein armes Land; Argentinien ist ein reiches Land. – Aber das nur am Rande.

Jetzt fordern die Grünen in ihrem Antrag, der Deutsche Bundestag möge sich doch bitte an der Gesetzgebung von Belgien und Großbritannien orientieren und einen Gesetzentwurf vorlegen, der Staaten vor illegitimen Rückzahlungsansprüchen wirksam schützt. Doch ein solcher Gesetzentwurf geht vollständig ins Leere.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Eben!)

Gut gemeint bedeutet leider nicht gut gemacht. Ich will das begründen, indem ich wörtlich zitiere, was in der Begründung Ihres Antrages steht:

Die Bundesrepublik Deutschland ist – bislang – kein bedeutender Finanzplatz,

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Genau!)

auf dem die hier beschriebenen Geier-Fonds aktiv sind, weder als Ort, an dem entsprechende Klagen geführt werden, noch als Sitz von entsprechenden Investmentgesellschaften.

Das steht wörtlich so in Ihrem Antrag. Diese Feststellung ist richtig. Aber was wollen Sie dann mit einem deutschen Gesetz, das, wie Sie selbst beschreiben, völlig wirkungslos wäre? Das wäre reine Symbolpolitik.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ein solches Antigeiergesetz wäre eine konzeptionelle Belanglosigkeit.

Ein Großteil der Staatsanleihen und weiterer Wertpapiere werden unter der Gerichtsbarkeit der großen internationalen Finanzplätze USA und Großbritannien begeben. Ein Verfahren, welches diese Akteure nicht miteinbezieht, wird absolut wirkungslos bleiben.

Dann haben Sie gefordert, man möge im Rahmen der G 7, der G 20, des Pariser Clubs und der OECD für entsprechende Regelungen werben. Das halte ich für eine richtige Forderung. Das sollte in der Tat geschehen. Aber eine Verständigung kann es nur geben, wenn es einen fairen und transparenten Prozess unter Einbeziehung der angesprochenen Institutionen und Gläubiger gibt. Ein nationales Verbotsgesetz hilft überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU])

Deshalb unterstützen wir die IWF-Empfehlungen zu den sogenannten Collective Action Clauses. Diese Umschuldungsklauseln in Staatsanleihen müssen weiterentwickelt werden. Dieser Prozess muss vorangetrieben werden. Nach der Staatsinsolvenz Argentiniens ist das entsprechend geschehen.

Das Anliegen ist es, alle Gläubiger auf die Anerkennung einer Verhandlungslösung zu verpflichten, die mit bestimmten, vorher vertraglich festgelegten Mehrheiten gefunden wurde. Dann wissen die Geldgeber, worauf sie sich einlassen. Das ist ein faires und transparentes Verfahren. Das verhindert, dass die sogenannten Geierfonds überhaupt aktiv werden können. Sie haben so kein Interesse mehr, sich spekulativ mit Schuldtiteln zu versorgen, und das Problem Geierfonds wäre auf diesem Wege gelöst. Staatliche Schuldenkrisen können dann kontrolliert abgewickelt werden.

Die Bundesregierung bzw. wir als Parlament setzen uns deshalb beim IWF dafür ein, die Arbeiten in diesem Bereich intensiv fortzusetzen. Aber das braucht eine enge Beteiligung von IWF und Pariser Club und auch eine Einbeziehung der Gläubiger. Ohne ein solches Vorgehen können wir keinen Fortschritt erreichen.

Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen, –

Aber bitte ganz kurz, Herr Kollege, ja?

– und das ist das Thema Schuldenprävention. Dieses Thema müssen wir im Auge behalten. Wir müssen die Gesamtproblematik Staatsschuldenkrise sehen. Wir brauchen vernünftige Regeln und Verfahren, die mit den relevanten Beteiligten entwickelt werden müssen. Was wir nicht brauchen, ist eine reine Symbolpolitik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Dr. Heribert Hirte, CDU/CSU-Fraktion.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046022
Wahlperiode 18
Sitzung 209
Tagesordnungspunkt Schutz zahlungsunfähiger Staaten vor Spekulanten
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