Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Ernährungspolitischer Bericht 2016
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man fragt sich ja: Warum setzen die Koalition und Minister Schmidt kurz vor Weihnachten einen Bericht auf die Tagesordnung, der schon im Sommer veröffentlicht worden ist und über ein Jahr alt ist? Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass er nicht viel mehr als eine Werbebroschüre ist. Da steht zum Beispiel drin, wofür das Ministerium zuständig ist. Mein Eindruck ist, Minister Schmidt muss sich hier selber noch einmal beweisen, dass er existiert und Landwirtschaftsminister ist. Denn draußen hat das in den letzten vier Jahren wohl niemand gemerkt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das, was wir immer wieder an Ankündigungen hören – auch eben haben wir wieder gehört, was alles gemacht werden soll –, findet in der Realität nicht statt. Da ist der Bericht entwaffnend ehrlich, Herr Minister Schmidt. Denn darin schreiben Sie unter der Überschrift „Was bleibt zu tun?“ den denkwürdigen Satz – ich zitiere –: „Aufgabe der Politik ist es nunmehr, ... zu prüfen, wo weitere Feinjustierungen erforderlich werden.“
Um Feinjustierungen geht es aber nicht. Wir haben in der Agrar- und Ernährungspolitik eine Riesenbaustelle, um die Sie sich nicht kümmern. Das ist das Problem, Herr Minister Schmidt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie blenden so ziemlich jeden gesellschaftlichen Konflikt in der Ernährungspolitik aus. Außer Ankündigungen ist in dieser Wahlperiode nichts gewesen.
(Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Sie kennen sich doch gar nicht aus!)
Nur einige Beispiele. Zu dem Lebensmittel Nummer eins, dem Trinkwasser, findet sich kein Wort in dem Bericht. Sie schreiben auch nichts zur Überdüngung und zur Nitratbelastung. Dabei wären es gerade das Ministerium, der Minister und diese Bundesregierung, die etwas tun müssten. Aber sie tun nichts, und das ist das Problem.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Minister, zuhören!)
Beim Thema Gentechnik sieht es genauso aus. Die Verbraucher wollen keine Gentechnik auf dem Teller. Das ist eindeutig. In Ihrem Bericht findet sich nichts dazu. Sie hätten es in der Hand, dafür zu sorgen, dass es in Deutschland zu einem einheitlichen Anbauverbot kommt. Stattdessen bekommen wir einen Flickenteppich und eine Zwangsbeglückung mit Gentechnik. Das ist Ihre Politik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Was hat denn das mit Ernährung zu tun? Ernährung!)
Das nächste Thema finde ich persönlich am problematischsten: Niemand von uns – kein Verbraucher und niemand, der isst – möchte Gifte in seinen Nahrungsmitteln. Sie hätten es in der Hand, Glyphosat aus der Welt zu schaffen und sich um eine pestizidfreie Landwirtschaft zu bemühen. Das findet sich nicht in Ihrem Bericht; das findet sich nicht in Ihrer Politik. Genau das ist das Problem, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Keine Ahnung!)
Statt den Ökolandbau zu fördern, fördern Sie weiter Megaställe und entsprechen nicht den Ernährungswünschen, die die Menschen haben. Das wäre der richtige Ansatz.
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
– Wenn Sie sich so schön aufregen, dann scheint es offensichtlich zu treffen, Herr Schmidt. Das ist sehr, sehr schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kollegin Maisch hat es eben gesagt: Wir haben schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass in dieser Wahlperiode noch irgendetwas aus Ihrem Haus kommt. – Ich glaube auch nicht mehr, dass noch irgendeine inhaltlich relevante Änderung, ein Kurswechsel oder eine Agrarwende, die aus vielen, vielen Gründen dringend erforderlich wäre, kommt.
(Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Wo wollen Sie denn hin bei der Wende?)
Aber eines passiert jetzt plötzlich doch. Jetzt haben wir es mit der Aktion „Aussaat 2017“ – das heißt wirklich so, meine Damen und Herren – zu tun.
(Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Warum nicht? Das klingt doch gut! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Minister hört immer noch nicht zu!)
Da macht der Minister plötzlich eine ganz neue Abteilung, und es werden Stabsstellen geschaffen. Es hätte mich schon interessiert, was das für eine Bedeutung hat, Herr Minister. Ist das die vorgezogene Aktion „Abendsonne 2017“, mit der Sie schon Strukturen für die Zeit nach Ihrem Abgang schaffen wollen? Dazu äußern Sie sich nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was wir brauchen, meine Damen und Herren, ist eine wirkliche Agrarwende, bei der die Verbraucher, gesunde Ernährung und eine nachhaltige Landwirtschaft im Mittelpunkt stehen. Das ist bei dieser Bundesregierung überhaupt nicht zu erkennen.
Die vier Jahre Schmidt, die es am Ende sein werden, sind nicht nur verlorene Jahre, sondern es sind Jahre, in denen es in die völlig falsche Richtung gegangen ist.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Minister hört immer noch nicht zu! Das ist unverschämt!)
Das muss sich bei der nächsten Bundestagswahl ändern, meine Damen und Herren.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Wort erhält nun die Kollegin Ursula Schulte für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7046103 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Ernährungspolitischer Bericht 2016 |