16.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 210 / Tagesordnungspunkt 27

Karin ThissenSPD - Ernährungspolitischer Bericht 2016

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, es verschlägt mir vor Freude fast die Sprache, dass Sie uns den Ernährungspolitischen Bericht, schon ein Jahr nachdem er erstellt wurde, präsentieren.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur fast!)

Dieses schnelle Arbeiten bin ich aus Ihrem Haus so gar nicht gewöhnt. Ich betrachte es als eine Art vorweihnachtliche Überraschung.

Dem Bericht entnehmen wir, dass das Thema Ernährung einen immer höheren Stellenwert bekommt, in der Bundesregierung, aber auch im Rahmen der G 7 und der G 20. Im Bericht erfahren wir auch, wie wichtig für die Lebensmittelsicherheit die Trennung von Risikobewertung und Risikomanagement ist. Wir lesen beeindruckende Fremdwörter: Europäisches Schnellwarnsystem, Nationaler Rückstandskontrollplan, Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung. Wir erfahren, was das ist, wie gut miteinander vernetzt und verzahnt das alles ist und dass uns diese Strukturen im Prinzip vor Lebensmittelkrisen, Skandalen und Katastrophen wie BSE, Dioxin, Ehec und bayerischen Salmonelleneiern hätten schützen können müssen.

Obwohl das alles fast so gut wie perfekt ist, kann man es immer noch verbessern. Deswegen gibt es in dem Abschnitt über die Lebensmittelsicherheit auch das Kapitel: Was bleibt zu tun?

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Daraus habe ich schon zitiert!)

Da lesen wir: proaktive Aufgabe der Politik, Vorsorgeprinzip, Feinjustierung. Feinjustierung, Herr Minister, ist, wie ich finde, ein ganz tolles Wort. Das hört sich an wie: Bloß nicht zu lange und zu dolle an den Gesetzen rumschrauben!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Dazu fällt mir doch der Arbeitsauftrag aus dem Koalitionsvertrag ein: die rechtssichere Formulierung des § 40 Absatz 1a LFGB. Da geht es darum, dass für Verbraucher klar und eindeutig ersichtlich wird, in welchen Betrieben sauber und hygienisch mit Lebensmitteln umgegangen wird und in welchen nicht. An diesem Gesetzentwurf, Herr Minister, wurschteln Sie sozusagen fleischlos sage und schreibe schon drei Jahre herum.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Umso erstaunter war ich, im Ernährungspolitischen Bericht auf Seite 15 zu lesen, dieser Gesetzentwurf sei inzwischen in Ihrem Hause sozusagen Fleisch geworden. Ach echt? Kann man diesen Gesetzentwurf einmal lesen?

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist in Geheimschrift geschrieben!)

Haben Sie offiziell etwas in die Wege geleitet, und ich habe es verpennt? Ich kenne nur ein Ministeriumspapier – meine Damen und Herren, ein Ministeriumspapier ist so etwas wie ein Gesetzentwurfsimitat, also so etwas Ähnliches wie Analogkäse –, das seit kurzem durch die Gänge wabert.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ist denn heute schon Karneval? Das ist doch eine Büttenrede! Unglaublich!)

Und der Formulierungsvorschlag in diesem Gesetzentwurfsimitat ist wieder einmal das Papier nicht wert, auf dem er steht.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Tata! Tata! Tata!)

Der wird uns doch von den Gerichten wieder einkassiert, bevor die Tinte, mit der er geschrieben wurde, getrocknet ist.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Helau!)

Herr Minister, lassen Sie es uns doch endlich einmal gescheit anpacken.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir, die SPD, sind bereit; wir wollen effektiven Verbraucherschutz

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das klang gerade nicht so!)

zeitnah und unmittelbar und nicht weiterhin nur angeblichen Schutz der Verbraucher auf dem Papier. Ich sage es noch einmal klar und eindeutig: Wir wollen keine Härtefallklausel. Wir wollen kein Geschacher um eine Bußgeldschwelle. – So haben wir uns im Koalitionsvertrag nicht geeinigt. Wir haben ein Mehr an Verbraucherschutz und Transparenz vereinbart. Ihr Entwurf sieht weniger Transparenz vor.

Herr Minister, Ihrem Kapitel „Was bleibt zu tun?“ hänge ich meine Weihnachtswunschliste an. Die lautet: flächendeckende Transparenz, Vergleichbarkeit und effektive Rechtsdurchsetzung. Das wünschen sich übrigens auch alle Verbraucherinnen und Verbraucher, und nicht nur zu Weihnachten.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046117
Wahlperiode 18
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Ernährungspolitischer Bericht 2016
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