Tom KoenigsDIE GRÜNEN - Berichte über Menschenrechte und Demokratie
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Betrachtet man die zahlreichen großen und auch kleinen Konflikte in der Welt – diejenigen, über die in den Tagesthemen berichtet wird, und diejenigen, über die schon nicht mehr berichtet wird; ob Syrien, Südsudan, Mali, Ukraine, den fast schon vergessenen Konflikt in Sri Lanka oder den gerade aufkommenden auf den Philippinen –, dann stellt man fest: Am Anfang dieser Konflikte standen immer Menschenrechtsverletzungen: erst kleine, dann größere, erst vereinzelt, dann massiv, dann lawinenartig und schließlich bewaffnet. Der Bericht der Europäischen Kommission zeigt genau dieses an der Vielzahl von Betrachtungen von Ländern.
Meistens sind diese Menschenrechtsverletzungen Diskriminierungstatbestände: ethnische Diskriminierung, religiöse Diskriminierung, kulturelle Diskriminierung, wirtschaftliche Diskriminierung, und dann: Nationalismus – auch das ein Diskriminierungstatbestand: gegen die Nachbarn, gegen die anderen – und schließlich nationaler Größenwahn.
Das Vokabular dazu haben wir alle im amerikanischen Wahlkampf studieren können. Es hat mit Pressebeschimpfungen angefangen, ging weiter über Hassreden und Entwürdigungen durch den Präsidentschaftskandidaten, der gewählt worden ist, bis hin zur Diskriminierung ganzer Bevölkerungsgruppen und zu Aggression. Das macht Angst. „ Make America great again“, das ist nationaler Größenwahn. Was America ever greater?
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Diese Diskriminierungen sind – das muss man so sehen – frontale und erklärte Angriffe auf den Kern der Menschenrechte, auf die Menschenwürde; das steht in den Buchstaben des Artikels 1 der universellen Erklärung der Menschenrechte und unserer Verfassung. Sie sind Angriffe auf die Menschenrechtsverteidiger. Diese werden dann als „Gutmenschen“ gescholten – als sollten sie lieber Schlechtmenschen sein. Oder es wird kritisiert, sie würden sich „politically correct“ verhalten – als sollten sie besser doch nicht korrekt sein. Dann kommen die Menschenrechtsverteidiger, die Liberalen, ins Visier. Angegriffen werden der liberale, demokratische, tolerante, integrative Rechtsstaat und seine Bürger; das ist das Ziel. Das ist nicht nur im Norden Kenias oder fern in Homs oder Aleppo so, sondern auch bei uns und in Europa.
Der Bericht spricht leider nicht über die internen Verhältnisse in Europa. Auch hier gibt es Diskriminierung aus religiösen Gründen, Verachtung von Fremden, Hass und Nationalismus, Nationalismus auch in Deutschland. Bei der Geschichte! Ich habe meine Großeltern damals gefragt: Was habt ihr eigentlich gemacht, um die Weimarer Republik, die erste deutsche gelebte Demokratie, zu schützen, zu retten? Da kam nicht viel. Ich möchte nicht, dass ich von meinen Enkeln dasselbe gefragt werde und dann auch nicht viel kommt.
Der Begriff „Populismus“ hilft da nicht furchtbar viel; auch das Oktoberfest ist Populismus.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Nein, es geht um Diskriminierungen und die Verletzung von Menschenrechten. Die Feinde der Menschenrechte, die erklärten Feinde der Menschenrechte, fangen mit Diskriminierung an und kommen doch aus ihren Löchern, auch hier in Deutschland, in unterschiedlicher Verkleidung: mal im englischen Tweed wie Herr Gauland aus Brandenburg,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber immer in demselben!)
mal als burschenschaftliche Hasardeure und Spekulanten mit öffentlichen Mitteln wie Albrecht Glaser aus Hessen – der möchte gerne Bundespräsident werden –, mal wie die famose Frau von Storch, die aus einem großherzoglichen Geschlecht kommt; sie steht fest in ihrer Familientradition und hat zwei Großväter, die Schwerkriegsverbrecher waren. Die kennen doch die Geschichte. Es ist nicht so, dass sie die Geschichte nicht kennen würden. Die haben Bücher über die Geschichte geschrieben, haben sich das ganze Leben damit befasst und wissen auch, wie nah Hassreden an Brandstiftung sind – gerade hier in diesem Hause, im Haus des Herrn Präsidenten.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das Haus des Volkes!)
Das hat ja Geschichte. Ich glaube, dagegen helfen nicht weniger Menschenrechte, sondern mehr Menschenrechte,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
und zwar mehr Menschenrechte in der Innenpolitik und in der Außenpolitik. Man kann Menschenrechte zum Programm deklinieren. Das sind die drei Staatenpflichten: Menschenrechte achten, Menschenrechte schützen und Menschenrechte fördern. Das sind übrigens die Staatenpflichten für alle Staaten, nicht nur die europäischen.
Menschenrechte achten heißt, der Staat muss die Würde der Menschen achten, und die abermalige Diskussion, meine Damen und Herren von der CDU, über den Doppelpass ist eine Beleidigung der Würde von Deutschen, von Mitbürgern, von Türken, aber auch von anderen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Der famose Herr Gauland hat das doch auch einmal diskutiert: 1999 – wir erinnern uns –, das war die Doppelpasskampagne. Die ist mit einer massiven Ausländerhetze einhergegangen. Das war doch er. Ich finde, die CDU sollte jetzt Haltung zeigen, auch wenn die Junge Union sie nicht hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die zweite Staatenpflicht: Menschenrechte schützen. Der Staat muss seine Bürger vor Menschenrechtsverletzungen schützen, und das muss er tun, so weit der staatliche Arm reicht, so weit die deutschen Unternehmen reichen. Er muss auch die Menschenrechte der Näherinnen in Bangladesch schützen. Da geht die Unternehmensverantwortung mit ein. Der Staat muss sie einfordern und auch gesetzlich normieren. Warum gelingt es der Bundesregierung denn nicht, hier verbindliche Gesetze zu schaffen? Stattdessen prüft sie und wartet auf das Pfingstwunder. Der Staat muss die Bürger vor Angriffen, vor Beleidigung, vor Entwürdigung und vor Hassreden schützen, so weit der staatliche Arm reicht.
Schließlich die dritte Staatenpflicht: Menschenrechte fördern. Das sind die Institutionen. Es muss den Menschen ermöglicht werden, auch zu ihrem Recht zu kommen. Diese Institutionen begleiten den Staat dann auch kritisch, wie es glücklicherweise das Deutsche Institut für Menschenrechte macht. Die Menschenrechte sind auch in Deutschland nicht optional, sondern Staatenpflicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jede Diskriminierung, jede Menschenrechtsverletzung trägt den Keim gewaltsamer Auseinandersetzungen in sich. Das müssen wir wissen. Jede Hassrede drängt zur Gewalt, auch hier in Deutschland mit Hunderten von Brandanschlägen auf Asylbewerberheime, und der Nationalismus drängt in Europa zum Krieg. Das wissen wir doch aus der Geschichte. Es soll dann nachher keiner sagen: Das sind nur Mitläufer. Es gibt in Deutschland keine Mitläufer. Mitläufer sind Täter.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Angelika Glöckner das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Berichte über Menschenrechte und Demokratie |